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James bzw. Jim, wie er als Kind allgemein
genannt wurde, hat einen älteren Bruder namens Bobby und eine jüngere
Schwester namens Linda. Ure ist ein schottischer Name mit dem
gemeinsamen Hintergrund der Campbell Familie. Midge dazu: „Die Ures sind
von den Campbells, eben diejenigen, die vor ein paar hundert Jahren die
MacDonalds besiegten.“ Midge wuchs in einer protestantischen Familie
auf, wo die Bedeutung des Abstandes zu den Katholiken, die in der
Nachbarschaft wohnten, strikt eingehalten wurde. Sein Vater war
(natürlich) ein Fan der Glasgow Rangers und als er einen Plattenspieler
kaufte, investierte er hauptsächlich in Rangers Songs, um sie darauf zu
spielen. Midge Ure: „Dad kaufte alle Rangers Songs und spielte sie die
ganze Zeit.“

Eine größere musikalische Inspiration war für den dreijährigen Midge,
Radio Luxemburg zu hören. Begeistert hörte er „Sleepwalk“ von Santo &
Johnny. Die erste Single, die sich Midge von seinem eigenem Geld kaufte,
war „My Mind Eye“ von The Small Faces (1966).

Sein Vater verdiente durchschnittlich. Seine Mutter arbeitete halbtags
in der Hoover-Staubsauger- Fabrik. Dennoch sorgten sie dafür, dass es
Ihren Kindern an nichts fehlte. Auch nicht, als sie eine gebrauchte
Gitarre für Midge kaufen wollten und dafür einige Monate sparen mussten.
Zu Hause gab es zu wenig Platz für Midge, als dass er mit seiner Gitarre
üben konnte. So ging er immer zu seiner Großmutter, die am Ende des
benachbarten Blocks wohnte. Seine ersten drei Akkorde brachte ihm ein
dort wohnender Pfadfinder bei, bis Midge soweit war und sich alles
weitere selbst beibrachte.

Als Midge zehn Jahre alt war, verbesserte sich die Situation. Der Vater
konnte es sich leisten, ein Auto zu kaufen und die Familie zog in ein
neues Stadthaus in Buckingham Drive 9, welches ein wenig näher am
Zentrum von Glasgow als Cambuslang lag. „Es war magisch für uns. Alles
war neu mit einer richtigen Küche, in der wir uns hinsetzen und unser
Abendessen zusammen einnehmen konnten“ so Midge. „Wir hatten drei
Schlafzimmer und - das Beste - Toilette und Bad in der Wohnung“.
ERSTE MUSIKALISCHE SCHRITTE

Als Midge zehn Jahre alt war, verbesserte
sich die Situation. Der Vater konnte es sich leisten, ein Auto zu kaufen
und die Familie zog in ein neues Stadthaus in Buckingham Drive 9,
welches ein wenig näher an das Zentrum von Glasgow als Cambuslang lag.
Midge Ure: „.Es war magisch für uns, alles war neu, eine richtige Küche,
wo wir uns hinsetzen und unser Abendessen zusammen einnehmen konnten.
Wir hatten drei Schlafzimmer, und – das Beste - eine Toilette und ein
Bad in der Wohnung“. Als 11-jähriger fing Midge an, in Clubs zu gehen,
wo er er die Chance bekam, Gitarre zu üben. Hier traf er Jim Potter, der
ein enger Freund von ihm war und das nicht nur musikalisch. Sie sahen
sich als die nächsten McCartney´s / Lennon´s. Die Beatles waren für
beide große Vorbilder – nicht nur im musikalischen Sinne, sondern auch
wegen ihres Images und mit ihren aufregenden Kostümen. Midge Ure:
„Musik ist mit der Mode Hand in Hand gegangen seit es die Beatles
gab.“ Auch Midge´s großer Bruder Bobby war ein guter Freund für ihn.
Nicht zuletzt, weil er und sein Talent für Karate ständig Midge aus der
Patsche half, sobald er in Schwierigkeiten geriet. Es war auch Bobby,
der Midge eine Sängerin in einer Band anbot, anstatt „nur“ Gitarre zu
spielen. Als 14-jähriger waren es Eric Clapton, John Mayall und Peter
Green, die den jungen Midge inspirierten. Zu dieser Zeit trat er mit
seiner ersten Band (ohne Namen) auf. Zusammen mit den Brüdern an und
Frazer Gordon. Midge kaufte sich auch seine erste elektrische Gitarre,
eine 1960 Stratocaster. Die nächste Band in der Midge spielte nannte
Stumble. Der Name wurde von einem John Mayall Song inspiriert. Midge
Ure: „Wir spelten nur Blues Nummern und zwei aktuelle Pop-Songs.“ Die
Band wurde 1969 gegründet bestand aus Gordon Appacellie - Gesang, Alan
Wright - Gitarre, Alec Baird - Schlagzeug, Kenny Irland - Bass und
Fraser Spiers - Harfe! Stumble spielte in einer Gegend von Glasgow, die
sehr häufig mit einer deprimierenden Erfahrung endete. Gewalt herrschte
an eben diesen Plätzen, wo sie auftraten. Jugendbanden, bewaffnet mit
Messern, Rasierklingen und Hämmern, schlugen sich gegenseitig.

Midge errinert sich: „Ich stand auf der
Bühne und spielte quasi den Soundtrack zu zwei Kämpfen. Die goldene
Regel war, nie aufhören zu spielen, egal was passiert.“ Stumble wurde
1971 aufgelöst. Anschließend besuchte Midge die Cambuslang Primary
School. Ironischerweise, aufgrund seines zunehmenden Interesses an der
Musik, hielt er sich nicht lange mit den Hausaufgaben auf, sondern
zeichnete Gitarre oder Verstärker in die ihm vorliegenden Schulbücher.
Dies führte schon mal dazu, dass er vom Lehrer eine hinter die Löffel
bekam. Später wechselte er an die School of Fine Arts Rutherglen Academy,
die auch sein Bruder Bobby besuchte. Midge konnte an der Schule
angenommen werden, da sein IQ-Test sehr gut ausfiel. Nach Beendigung der
Rutherglen Schule hatte Midge das Glück, einen Job bei den National
Engineering Laboratories in East Kilbride zu bekommen. Es gab 500
Bewerber für gerade mal 10 gut bezahlte Jobs. Midge Ure: „Es
war einer der besten Jobs, die ich möglicherweise bekommen hatte, direkt
am oberen Ende der Arbeiterklasse. Aber irgendwann schließlich würde ich
bequem werden mir ein kleines Haus leisten und eine Familie, außer, was
ich wirklich wollte: „Musiker werden.“ Midge bekam die Chance, bald
von der Musik leben zu können. Als er im Jahr 1972, 18 Jahre alt war,
trat er der damals beliebten schottischen Band Salvation bei. Salvation
hatte sich ein Jahr zuvor gebildet und galt alsbald als eine Art
Super-Scottish-Group, die vom ihrem charismatischen Sänger Kevin
McGinlay angeführt wurde.

Zu der Zeit wurden sie von den Fans wie die
andere schottischen Band z.B. Nazareth, anerkannt. Im Jahr 1972 gab es
einige, die entschieden die Band zu verlassen, so dass die Band einen
neuen Keyboarder, Schlagzeuger und einen Gitarristen benötigte. Midge
bekam ein Angebot, der Band als Gitarrist März 1972 beizutreten, denn es
wurde ihm versprochen, einige Wochen gute Gage zu bekommen, was Midge
fantastisch fand. Entgegen der elterlichen Enttäuschung beschloss er,
die Arbeit im Labor zu kündigen und Vollzeit-Musiker zu werden. Auch
Schlagzeuger Kenny Hyslop und Keyboarder Billy McIsaac traten 1972
Salvation bei. Kenny Hyslop und Midge freundeten sich schnell an, nicht
zuletzt wegen ihres Geschmackes, was cool als Klamotten zu tragen ist .
Midge Ure: „Als ich zum ersten Mal Kenny traf und wir beide
Cowboy- Shirts und diverse Anstecknadeln trugen, dachte ich, das ist es;
er ist mein Seelenverwandter“.
WIE AUS JAMES/JIM DANN MIDGE WURDE

Kevin McGinlay war der Sänger und Gitarrist: „Ich war nicht daran
interessiert, Gitarre zu spielen“. Bereits beim Vorsprechen mit Midge
war klar, dass er ihn von Stumble nehmen wollte. Bruder Kevin spielte
Bass in der Band und rief immer Jim zu seinem Bruder. Tatsache war, dass
die Band nicht daran interessiert war, mit zwei Jim‘s, zu spielen. So
hat man gleich bei der ersten Probe klar gemacht, das es nur einen Platz
für einen Jim in der Band gab und der hieß Jim McGinlay. Er schlug vor,
statt dass sie den Namen Jim nehmen und diesen rückwärts zu schreiben.
So war es Mij und Mij wurde auch „Mücke“ ausgesprochen. Von da an war
der „neue“ Name perfekt. Midge Ure. Da Midge auch das Wort für Mücke
ist, so Midge Ure, passte dieser „Spitzname“ auch auf seine 1,69 cm
Körpergrösse und dem Umstand, dass er seinerzeit der jüngste in der Band
war. Leider sind die Dinge nicht so gelaufen wie, Midge es sich gedacht
hatte, als er noch Mitglied bei Salvation war. Erstens bekam er nicht
das Gehalt, was man ihm versprochen hatte; zudem war es ziemlich schwer,
Gigs außerhalb des ländlichen Schottlands zu finden. Ihr Agent hatte
zwar Verbindungen nach England, doch in der Metropole Glasgow fehlten
geeignete Konzerthallen. Burns Howf and Electric Garden gehörten zu den
wenigen, die geeignet waren. Midge Ure: „Wir waren am Ende der
Nahrungskette, keiner von uns hatte Lohn für eine längere Zeit .“ Es gab
auch keine Plattenfirma in Schottland, die die viel versprechenden Bands
aufnehmen und ihnen einen Vertrag geben würden. Viele gingen nach Süden
bis London, ohne Erfolg. Erst nachdem die Bay City Rollers Erfolg hatte,
richteten die Londoner Plattenfirmen ihre Augen gen Norden, nach
Schottland. Nach sechs Monaten, entschied man sich, den Namen zu ändern.
Es war der Manager der Band Max Langdon, der indirekt mit dem Namen kam.
Er würde der Band einen Kredit für die neuen Songs, die sie aufgenommen
hatten, geben. Midge Ure. „Wir dachten an, Slick‘, nahmen das ‚C‘ raus,
und hatte einen neuen Namen“. |

Das erste Konzert fand am 23. Dezember 1974 im Glasgower Apollo statt,
mit neuen Bandnamen. Midge und Kenny wollten das Image der Band etwas
ändern. Langes Haar war out, und inspiriert durch den Film „Dirty Harry“
beschlossen sie, den gleichen Haarschnitt wie Clint Eastwood zu tragen.
In London war es zu dieser Zeit populär sich zu kleiden, alles was
damals in den „second hand“ Läden zu finden war und Stil hatte.
Inspiriert von einem Glasgower Geschäft, weches Baseball-Kleidung aus
den 50er Jahren verkaufte, wurde die Grundlage für das neu Outfit für „Slik“
Dies war in Midge‘s Augen „Teeniebob“, was an die Bay City Rollers
erinnerte - eine Band, die in all den Jahren von Midge als Scherz
angesehen wurde. Midge Ure: „Für jeden, der auf dieser Rennstrecke
fährt, war es ein Witz“. Eines Tages als Midge mit dem Auto unterwegs
war und den Band Transit des berühmten Bassisten Phil Lynott sah, hielt
er den Wagen an und Midge kam mit Phil ins Gespräch. Midge war ein Fan
von Lynott und Lizzy und seiner ehemaligen Band Skid Row. Die beiden
verstanden sich auf Anhieb. So lud Midge Phil nach Hause zu seinen
Eltern ein und beide nahmen einen Bissen. Dabei bekam Midge die Chance,
etwas Gitarre mit ihm zu spielen, worauf er sehr stolz war. Midge und
Lynott blieben all die Jahre weiter in Kontakt, worauf eine Freundschaft
folgte, welche sich für beide als wertvoll erweisen sollte. Dem Teenpop
überdrüssig schloss er sich dem Ex- Pistols Bassisten Glen Matlock an
und spielte als dann bei den Rich Kids. Dort sammelte er auch die ersten
Erfahrungen mit Synthesizern. Als Midge nach nur einem Jahr die Kids
wieder verließ widmete er sich mit Rusty Egan der elektronischen
Popmusik. Neben den nicht mehr genutzen Studiozeiten bei den Rich Kids,
nahmen beide den alten Song „In The Year 2525“ von Zager & Evans auf,
der später auch im Repertoire einiger Visage Tonträger Platz fand. Der
Auftakt zu einer unverwechselbaren Kariere begann. Dies begünstigte auch
seine engen Freundschaften zu diversen Musikern, die ihn als einen
aussergewöhlichen Musiker schätzten und ihn gerne mit in ihre Musik
intergrierten. |
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So sprang er im Sommer 1979 auf Bitte seines Freundes Phil Lynott bei
einer USA-Tournee und einigen Gigs in Asien für den ausgestiegenen Gary
Moore ein. Midge schrieb selbst einige Titel für Thin Lizzy und wohl das
bekannteste „Yellow Perl“ welches er mit Phil Lynott aufnahm. Rusty Egan
war als Drummer mit von der Partie; und der Song wurde zum Hit und
diente jahrelang als Titelstück für die bekannte UK- TV Sendung „Top of
The Pops“. 1978 gründete er zusammen mit Rusty Egan und Steve Strange
die New-Romantic- Band Visage. Eine reine Studioband, die die neue New
Romantic Welle und ihre Clubs mit tanzbaren Elektroklängen einheizten.
Selbst Halbgott David Bowie war so angetan, dass er eines abends den
Blitzclub besuchte und einige Protagonisten, die im Club verweilten,
unter anderem auch Steve Strange, zu seinem Videodreh „Ashes To Ashes“
einlud. Der Durchbruch war die Veröffentlichung von „Fade To Grey“ und
das Zusammentreffen mit Billy Currie, der nach dem Ultravox! Split
zunächst mit Gary Numan auf Tour war. Und so entwickelte es sich, dass
Midge bei Ultravox einstieg. Auch schon in der Schaffensphase von
Ultravox produzierte er diverse Künstler, was er auch nach seinem
Ausstieg bei Ultravox weiter verfolgte. Zudem betätigte er sich als
Regisseur, indem er für verschiedene Bands wie u.a. Fun Boy Three,
Banarama und natürlich Ultravox die Videos produzierte. Für den Film „Went
To Coney Island“ schrieb er 1998 seinen ersten Soundtrack. |
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PRIVATES

Midge lernte seine erste Frau, die britische Schauspielerin Annabel
Giles, 1984 beim Videoedreh zum Lament-Video kennen und 1985 geheiratet,
worauf zwei Jahre später Tochter Molly „McQueen“ geboren wurde. 1987
ließen sich Midge und Annabel wieder scheiden. Midge heiratete 2003
erneut und ist seitdem mit Sheriden Forbes verheiratet. Die Familie lebt
jetzt mit ihren drei Töchtern in Box nahe Bath im Südwesten Englands. |
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SLIK UND DIE RICH KIDS
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Im Jahr 1975 hatte Midge ein
seltsames Erlebnis. Eines Tages, als er zu Fuß im Zentrum von Glasgow
unterwegs war, wurde von einem Mann mit Londoner Akzent aus dem Auto
heraus angesprochen: „Es geht um Musik.“ Im Auto saß ein fremder Kerl
mit roten lockigen Haaren. Er sagte, dass er Manager der berühmten Band
New York Dolls und The Strand sei. Er stellte sich als Malcolm McLaren
vor. Später wurde The Strand bekannt, als sie um 1975 ihren Namen in The
Sex Pistols änderten. Midge lehnte das Angebot ab, Sänger der Sex
Pistols zu werden. Midges Ablehnung Malcolm McLaren und den Sex Pistols
gegenüber ist in die Geschichte der Musik eingegangen. Midge hat dies
nie bereut und meinte „McLaren hatte Glück, als er John Lydon gefunden
hatte. Es hätte nie ohne Lydon geklappt - und mit mir als Sänger, keine
Chance.“ Zudem war Midge bei Slik weiterhin Vertraglich gebunden.
Das Produktionsteam Phil Coulter und Bill Martin wurde auf Slik
aufmerksam und nahmen sie bei Polydor unter Vertrag. Mit ihrer Kleidung
im US-College-Stil in Baseballhemden, Turnschuhen und entsprechenden
Kurzhaarfrisuren sollten sie den Gegenpol zu den Bay City Rollers aus
Edinburgh mit ihrem schottischen Outfit im Tartanmuster bilden. Auch
dort waren Coulter und Martin ein Jahr zuvor bereits erfolgreich
involviert. Slik hingegen ließ von dem Film „That’s Entertainment“ in
Sachen Selbstdarstellung inspirieren.
Und das Konzept ging auf, da das neue Erscheinungsbild für Aufsehen
sorgte. Hinzu kam der für die Musik der Band charakteristische Klang der
sakralen Orgel. Ein Element, das zu diesem Zeitpunkt neu war und somit
ein kontrastreiches Ausrufezeichen im Vergleich zu allen anderen
Teenie-Bands dieser Ära setzte. Nach einem ersten Fernsehauftritt am
Neujahrstag 1973 gab es dann den ersten Hit der Band. Mit „Forever And
Ever“, einer Cover-Version der englischen Band Kenny, die Coulter und
Martin ebenfalls produzierten, verdrängten sie am 11. Februar 1976
Abba‘s „Mamma Mia“ von der |
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Spitze der britischen
Charts. Die Presse feierte Slik bereits als neuen Stern am Pophimmel und prophezeite ihr
eine erfolgreiche Zukunft. „Die Gruppe wird im Teenie-Markt ganz schön
aufräumen“, so der New Musical Express.
Die von der Presse prognostizierte Karriere verlief im folgenden Jahr
weit weniger steil. Die Folgesingles „Requiem”, „The Kid’s A Punk“, „Don’t
Take Your Love Away“ und „Dancerama“ konnten an den Erfolg von „Forever
And Ever“ nicht anknüpfen. Zudem fühlte sich Midge musikalisch mehr und
mehr eingeengt. Während der ersten Konzerte, wie zum Beispiel im
Glasgower Apollo Theatre, bot sich aufgrund vorherrschender Hysterie
noch der Ausnahmezustand. Doch schon wenig später flauten das Interesse
und auch der Kartenvorverkauf stark ab. Unter dem Vorwand, Midge habe
sich den Arm gebrochen, wurde die Notbremse gezogen und Konzerte
abgesagt. Nach zwei Alben und sieben Singles war es dann auch vorbei. |
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Die Nase von Teen-Pop voll,
widmete Midge sich einem neuen Projekt und stieg bei den Rich Kids ein.
Dort traf er unter anderem auf Glen Matlock, den ehemaligen Bassisten
der Sex Pistols, sowie Rusty Egan am Schlagzeug. Dazu kam Gitarrist
Steve New, der 1975 ebenfalls schon bei den Sex Pistols tätig war, sein
Engagement jedoch am Band-Manager Malcom McLaren scheiterte. Auf der
Suche nach einem Sänger stießen sie letztendlich auf Midge Ure, nachdem
kurze Zeit Namen wie Paul Weller, Howard Devoto, Kevin Rowland und Mick
Jones im Gespräch waren.
Mit Mick Jones gab es auch einige Auftritte, doch entschloss sich dieser
aufgrund musikalischer Unzufriedenheit zur Rückkehr zu seiner
ursprünglichen Band The Clash. So kam es, wenn auch etwas verspätet,
doch noch zur Zusammenarbeit zwischen Glen Matlock und Midge Ure.
Aufgrund der Tatsache, dass Slik nicht mehr existierte und somit auch
keine vertraglichen Probleme mehr bestanden, stieg Ure bei den Rich Kids
ein.
Vertraglich kam man bei EMI unter. Dort stand Matlock früher bereits mit
den Sex Pistols schon unter Vertrag, welcher 1977 aber aufgrund
fehlender Umsätze annulliert wurde. Im Januar 1978 erschien mit „Rich
Kids“ die erste Single und konnte sich auf Platz 24 der Charts
platzieren. Die Folgesingles „Marching Men“ und „Ghosts Of Princes In
The Towers“ konnten an den Erfolg jedoch nicht anknüpfen.
Das im August 1978 erschiene Album „Ghosts Of Princes In The Towers“,
bei dem auch Ian McLagan von den Small Faces mitarbeitete, stieg auf
Platz 51 der Charts ein, um in der Folgewoche bereits wieder aus den Top
Einhundert zu fallen. Grund für negative Rezensionen war der düster
anmutende Sound des Produzenten Mick Ronson.
Schon während der Aufnahmen des Albums kam es zu Differenzen zwischen
Ure sowie New und Matlock, weil deren Ansichten doch ziemlich
auseinander gingen. Matlock und auch Steve New konnten sich mit der
pop-orientierten Ausrichtung Ures nicht anfreunden, was spätestens nach
dessen gesteigertem Interesse an Synthesizern zur Trennung führte. Die
offiziell im Frühjahr verkündigte Auflösung der Band fand tatsächlich
bereits im Dezember 1978 statt. Am 7. Januar 2010 gab es zugunsten des
an Krebs erkranktem Steve New ein Benefizkonzert der Rich Kids. Am 24.
Mai 2010 erlag New seinem Krebsleiden.
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MIDGE UND MICK KARN
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Während seiner Tätigkeit bei
Ultravox nutzte Ure zwischendurch immer wieder die Möglichkeit, eigene
Songs - mitunter auch in Kooperation mit anderen Künstlern - zu
veröffentlichen. 1982 erschien seine erste Solo-Single „No Regrets“,
eine Coverversion von den Walker Brothers. Ursprünglich wurde der Song
1968 von Tom Rush geschrieben. Die B-Seite war das Instrumentalstück „Mood
Music“. Recht erfolgreich hielt sich der Song zehn Wochen in den Charts
und erreichte dabei am 12. Juni 1982 mit Platz 9 die höchste
Platzierung. Mit diesem Song trat er auch zum ersten Mal als Gastmusiker
beim Benefizkonzert „The Prince’s Trust“ live auf. Zwischenzeitlich
beendeten sowohl Midge Ure als auch Billy Currie ihr Engagement bei
Visage.

"I think Mick‘s influenced everybody. Until I heard Japan, I had never
heard a bass guitar played like that; it was almost like playing a lead
instrument, incredibly percussive and melodic, something that inspired
me.“ Midge Ure.

Im Jahr 1982 veröffentlichte Mick Karn sein erstes Solo-Album auf Virgin
„Titles“. Sein einzigartiger Stil hatte Musiker unterschiedlicher Genres
auf ihn aufmerksam gemacht und sie wollten Micks Beitrag den eigenen
Arbeiten hinzufügen. Von Jeff Beck über Gary Numan und unzähligen
anderen Top-Künstlern. Im selben Jahr wurde er von Pete Townshend
gefragt, ob er Teil einer All-Star Band sein möchte. Es ging um das
erste Prince‘s Trust Gala Konzert an dem auch Prinz Charles und Lady
Diana teilnahmen. Pete Townshend erklärte gegenüber der Presse, dass
Mick Karn der mit Abstand beste Bassist Großbritanniens sei und somit
die richtige Wahl für diesen Gig. So standen 1982 Ure und Karn im Rahmen
des Princes Trust Konzerts bereits zusammen auf der Bühne und spielten
dort u. a. Ures damalige Single „No Regrets“.

Mick Karn stapelte tief und meinte, er könne
es sich nicht vorstellen, der Beste am Bass zu sein. Zumal er nicht
einmal Noten lesen könne, so dass er technisch mit Sicherheit nicht der
Beste, aber Originellste sei. Aber da noch niemand zuvor jemanden in einer ähnlichen Art und Weise
spielen |
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hörte, hinterließ Karn einen bleibenden Eindruck bei der
Veranstaltung, der später zu kollaborativen Arbeiten mit anderen
Musikern führte. Mick und Midge wurden Freunde und planten eine
gemeinsame Single auf dem Markt zu bringen. Die Pause zwischen „Quartet“
und „Lament“ bei Ultravox nutzte Ure, um zusammen mit Mick Karn (von
Japan) „After A Fashion“ aufzunehmen. Auch hier handelt es sich bei der
B-Seite mit „Textures“ um ein weiteres Instrumentalstück. „After A
Fashion“ hielt sich für vier Wochen in den Charts und erreichte am 9.
Juli 1983 mit Platz 39 die höchste Platzierung. Für den Dreh des
entsprechendes Videos reisten beide - der orientalischen Stimmung des
Songs entsprechend - extra nach Kairo.
Es folgten noch einige gemeinsame Aufnahmen. Mick begleitete Midge auf
seinen Alben „Answers To Nothing“ und dem Folgealbum „Pure“. Zudem
veröffentlichte Midge eine Eigenproduktion „Little Orphans“, das
gänzlich aus Demo-Aunahmen besteht. Hierbei spielen neben Karn auch
Richard Barbieri und Steve Jansen mit. Zudem unterstützte Karn Ure bei
der Produktion des Albums „Dear God“ des Japaners Yuki Ryoichi.
Mick Karn heißt mit bürgerlichem Namen Anthony Michaelides und wurde am
24. Juli 1958 in Nikosia auf Zypern geboren. Nachdem er sich zunächst
mit klassischen Instrumenten wie Fagott und Klarinette befasste, widmete
er sich anschließend dem Bass. Zusammen mit David Sylvian, Steve Jansen,
Richard Barbieri und Rob Dean gründete er 1974 Japan. Unter dem Einfluss
der Musik von The New York Dolls, Roxy Music und David Bowie wurden mit
„Adolescent Sex“ und „Obscure Alternatives“ 1978 die ersten beiden Alben
veröffentlicht. In Japan, den Niederlanden und auch in Kanada war die
Musik nicht nur populär, sondern die Alben auch kommerziell erfolgreich.
Im heimischen Großbritannien hingegen musste sich die Band von der
britischen Musikpresse vorwerfen lassen, altmodisch zu klingen.
Vielleicht war das ein Grund dafür, dass mit „Quiet Life“ 1979 eine neue
Richtung eingeschlagen wurde. Elektronische Klänge durch den Einsatz von
Synthesizern prägten im Zusammenspiel mit Jansens aufwendigem Drum-Spiel,
Deans atmosphärischer Gitarre und Karns speziellem Fretless-Bass den
neuen Band-Sound. In diesem Stil ging es mit „Gentlemen Take Polaroids“
1980 und „Tin Drum“ 1981 weiter. Zeitlich gesehen rutschte Japan
zwangsläufig in die Szene der New Romantic, obwohl das eher ein
unbeabsichtigter Nebeneffekt war. „Tin Drum“ bekam in Großbritannien ein
hohes Maß an Aufmerksamkeit und positive Resonanz. Insbesondere die
Verwendung abendländischer und orientalischer Elemente wurde als
innovativ angesehen und so kletterte das Album bis auf Platz 11 der
Albumcharts. Die Single „Ghosts“ schaffte es sogar bis auf Platz 5. Rob
Dean war zu dieser Zeit schon nicht mehr bei Japan. Dennoch war das Ende
der Band aufgrund andauernder Spannungen unter den Bandmitgliedern nur
eine Frage der Zeit. Die letzten Konzerte fanden im November 1982 im
Londoner Hammersmith Odeon statt; das letzte Konzert am 16. Dezember
1982 in Nagoya, Japan. Das Londoner Konzert wurde aufgezeichnet und als
Album „Oil On Canvas“ veröffentlicht. Es war mit Platz 5 der
Album-Charts das erfolgreichste Album.
Zwischenzeitlich arbeitete Mick Karn 1981 schon an Gary Numans Album
„Dance“ mit. In den Folgejahren arbeitete er unter anderem mit Peter
Murphy (Dalis Car), Steve Jansen, Kate Bush oder auch Joan Armatrading.
1991 kam es kurzfristig zu einer Reunion von Japan, doch am Veto von
Sylvian scheiterte es, dass das musikalische Ergebnis unter dem
ursprünglichen Bandnamen veröffentlich wurde. Gegen Ende brach der
mündliche Kontakt zwischen ihm und dem Rest der Band ab und die Songs
wurden Ende April 1991 unter dem Namen „Rain Tree Crow“ veröffentlicht.
Während dieser Zeit gründeten Karn, Jansen und Barbieri das Label
Medium. Zusammen arbeiten sie auch mit an Micks Alben „Bestical Cluster“
(1993) und „The Tooth Mother“ (1995). Am 4. Januar 2011 erlag Mick Karn
in London seinem Krebsleiden. Ein Benefizalbum zwecks Unterstützung
seiner Familie erschien unter dem Titel „A Show Of Love, Respect & Grace
- A Tribute To Mick Karn“.
Wie erwartet waren die Fans und vor allem Midge schwer getroffen von der
Nachricht über Mick´s Tod. So postet er auch heute noch regelmäßig auf
seiner Facebook-Seite, wie sehr er seinen Freund vermisst. |
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AUSZEICHNUNGEN & SPEZIELLE PROJEKTE

21. März 2005 „Inspirational Hero Award“ Midge erhielt den Award der
schottischen Zeitung „Daily Record“ für sein unerbittliches Streben, den
ärmsten Nationen der Welt zu helfen.

27. Mai 2005 „Ivor Novello Award“
Die Single „Do They Know It‘s Christmas?“, geschrieben von Midge Ure und
Bob Geldof, gesungen von „Band Aid 20“ gewann den „Ivor Novello Award“
für die bestverkaufte UK-Single.

12. Oktober 2005 „Doktor der Künste“ (Abertay-Universität in Dundee)
Für seine humanitäre und künstlerische Arbeit der letzten 30 Jahre,
insbesondere seine Vorreiterrolle bei der Einbindung von Technologie in
die Musik- und Videokunst.

18. Oktober 2005 „Officer of the Order of the British Empire (OBE)
Erhoben zum OBE als Anerkennung und Würdigung für seine Verdienste um
die Musik und die Afrikahilfe von Königin Elisabeth II.

21. November 2005 „Auszeichnung“ (Glasgow)
Preis für sein Lebenswerk von der Nordoff-Robbins-Stiftung im Rahmen der
Tartan Clef Awards.

21. Juni 2006 „Doktor der Musik“ (Universität von Edinburgh)
Für seine besonderen Verdienste für die britische Popmusik.

29. Juni 2007 „Doktor“ (Universität von Paisley)
Für seinen Beitrag für die schottische Kultur und seine humanitäre
Arbeit.

26. November 2008 „Doktor der Musik“ (Glasgow Caledonian Universität)
In Anerkennung für seine musikalischen und humanitären Leistungen

14. Dezember 2010 „Doktor der Rechtswissenschaften“ (Universität Bath)
In Anerkennung seiner musikalischen Leistungen und seiner humanitären
Arbeit von der Universität der Stadt Bath verliehen, in der Midge seit
1994 lebt. |
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SOZIALES ENGAGEMENT
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Mit Bob Geldof schrieb Midge 1984 „Do
They Know It’s Christmas?“, die mit dreieinhalb Millionen Exemplaren
bestverkaufte Single in Großbritannien der achtziger Jahre und die rund
zwölf Millionen Euro einbrachte, um die Hungersnot in Äthiopien zu
bekämpfen. Ein halbes Jahr später folgte am 13. Juli 1985 das aus dem
Erfolg Band Aid Projekt geborene Benefiz-Konzert „Live Aid“, welches von
rund zwei Milliarden Menschen am TV verfolgt und wieder von Bob und
Midge initiiert wurde.

Von 1986 bis 1988 war Midge musikalischer Direktor für den „Princest
Trust“. Diese Konzerte unterstützen benachteiligte Jugendliche und junge
Erwachsene. Schirmherr dieser Veranstaltung ist der „Prince of Wales“,
Prinz Charles. Auch beim Benefizkonzert mit der Aufforderung zur
Freilassung des inhaftierten Nelson Mandelas an dessen Geburstag am 11.
Juli 1988 trat Midge Ure live auf und spielte dort „Dear God“.

Besonders engagiert ist Midge als Botschafter für die
Kinderhilfsorganisation „Save The Children“, welches die größte
unabhängige Kinderrechtsorganisation der Welt ist. Hierdurch soll die
Lebensqualität der Kinder weltweit und sofort durch mehr ärztliche
Betreuung und ein selbstbestimmtes Aufwachsen verbessert werden. Die
Organisation ist in einhundertzwanzig Ländern tätig. So reiste Midge in
den letzten Jahren in die betroffenen gebiete, um eben diese Kinder und
Einrichtungen zu besuchen.
Siehe
http://www.savethechildren.de.

Midge engagiert sich neben all seinen sozialen Verpflichtungen auch für
die der Nordhoff Robbins Organisation. Eine Musik-Therapie, die auf die
Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung seelischer, körperlicher und
geistiger Gesundheit abzielt. Das geschieht sowohl passiv durch das
reine Hören der Musik als auch aktiv, indem der Patient zum Musizieren
motiviert wird. Die Nordhoff Robbins Organisation ist auch in
Deutschland tätig. |
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BAND AID
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Bob Geldof war es, der unbedingt
etwas machen wollte, um auf die schrecklichen Zustände in Afrika
hinzuweisen und helfen zu wollen. Er hatte eine TV-Dokumentation
über die verheerende Dürrekatastrophe und Hungersnot in
Äthiopien gesehen und war entsetzt und beschämt zugleich. Er
rief seine damalige Freundin und TV-Kommentatorin Paula Yates
an, weil er einen Haustürschlüssel nicht finden konnte. Zu
diesem Zeitpunkt war Midge nach einer gemeinsamen Sendung und
einem der letzten gemeinsamen Auftritte von Ultravox, um The
Collection zu promoten, bei Ihr in der Garderobe. Paula drückte
ihm den Hörer in die Hand und sofort erzählte Bob Geldof, was er
gesehen hat und dass er helfen möchte. Midge stimmte zu.

So trafen sie sich und kamen zu der Einsicht, dass das Schreiben
eines neuen Songs unter Mithilfe einiger Freunde am effektivsten
wäre, um ein paar hunderttausend Pfund zu sammeln. Bob dachte
dabei an Lennons „Happy Christmas, War Is Over“. Allerdings
waren sich beide zunächst unsicher, wer den Song denn überhaupt
schreiben soll. Dennoch begann Bob, die Musikszene nach Leuten
abzusuchen, die das Projekt unterstützen könnten. Der erste war
demnach Midge.
Nachdem feststand, dass es passieren würde, rief Bob Sting an,
der ohne zu zögern zustimmte. Währenddessen schnappte sich Midge
ein Casio Keyboard und suchte in der Küche seines Hauses nach
einer Eingebung für einen Song. Er schickte ihn Bob, und einen
Tag danach saßen sie zusammen in Midges Studio. Bob hatte noch
eine Songidee, die mit den Boomtown Rats nicht umgesetzt wurde.
Sie nahmen Fragmente auf, mit denen Midge anschließend ein
Arrangement erstellen wollte. Auf der Suche nach einem
Produzenten wandte sich Bob an Trevor Horn. Er selbst hatte zwar
keine Zeit, doch stellte er ihnen für einen Tag eines seiner
Studios zu Verfügung. Somit wurde Midge Ure auch die Rolle des
Produzenten aufgetragen. Fünf Wochen vor Weihnachten musste der Song innerhalb einer Woche
geschrieben, aufgenommen, gemischt, gepresst und in die Läden gestellt
werden. Bob und Midge schrieben den Song gemeinsam zu Ende. Bob konnte
Peter Blake überzeugen, das Cover für die Singe zu entwerfen. |
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Neben der
Kontur Afrikas sowie Messer und Gabel daneben, zierte der Aufruf „Feed
The World“ das Layout. Die primären Aufnahmen wurden bereits in Midges’
Studio in Chiswick aufgenommen. John Taylor von Duran Duran spielte den
Bass und Sting sang seine Zeilen ein. Der Text stammt fast vollständig
von Geldof. Midge hatte lediglich das Wort „Ethiopia“ als potenziellen
Zungenbrecher durch „Africa“ ersetzt. Während Midge sich um den
musikalischen Part kümmerte, war Bob mit den geschäftlichen und
organisatorischen Dingen beschäftigt. Seine größte Aufmerksamkeit schien
es dabei zu sein, Boy George dazu zu bewegen, aus den USA zu den
anstehenden Aufnahmen anzureisen. Ansonsten würde er der ganzen Welt
erzählen, dass er für das Scheitern des Projektes verantwortlich wäre.
Um 8 Uhr am Sonntagmorgen waren Midge und Bob als erste im Studio an der
Portobello Road. Während sich vor dem Studio bereits die Presse
positionierte, war es innen noch komplett leer. „Wenn nur Ultravox und
die Boomtown Rats da sind, wird das eine verdammt trübe Aufnahme“, so
Bob zu Midge. Doch sie kamen alle: Paul Young, Spandau Ballet, U2, Wham,
Duran Duran, Banamarama, Status Quo und viele andere; auch Culture Club,
allerdings ohne Boy George. Also rief er ihn in den USA an, wo es noch
sechs Uhr am Morgen war und befahl ihm förmlich, sich in die nächste
Concorde zu setzen. Er kam. Und die Angst davor, dass bei derart
geballter Prominenz die Egos für schlechte Stimmung sorgen würden,
erwies sich als unbegründet. Jeder war für die Sache da und stellte die
eigenen Eitelkeiten hinten an. Ein Catering gab es nicht. Wer was essen
oder trinken wollte, musste sich selbst etwas organisieren. Ure hatte
aber ein ungutes Gefühl. Zum einen, weil die meisten der anwesenden
Leute den Song noch nicht gehört hatten und vor allem, weil er nicht
einschätzen konnte, ob er ihnen überhaupt gefallen würde. Schließlich
waren sie deshalb anwesend, weil Geldof sie eingeladen hatte.
Doch auch
diese Angst erwies sich als überflüssig. Selbst wenn jemandem der Song
nicht gefiel, so hatte er im Sinne der Sache seine Meinung darüber für
sich behalten. Der Refrain des Songs war relativ schnell eingesungen.
Durch mehrfache Doppelungen klang er am Ende so, als würde ein
gigantischer Chor „Feed The World“ und „Let Them Know It’s Christmas
Time“ singen. Komplizierter wurde es bei der Vergabe und Aufteilung der
Strophen. Es waren zu viele Sänger anwesend, als das jeder einen Part
hätte singen können. Tony Hadley machte den Anfang und sang seinen Part
ein. Es folgte Paul Young, der den Song mit seinem Part eröffnete. U2
war zu dieser Zeit eine aufstrebende Band, aber noch keine Superstars.
Dennoch scheute sich Bono nicht, nach der genauen Bedeutung seiner Zeile
„Thank God It’s Them Instead Of You“ zu fragen. Bono erklärte ihm, dass
da keine Metapher hinter steckt. Sie soll genau das zum Ausdruck
bringen: „Sei froh, dass es die Anderen sind und nicht Du.“ Er ging zu
den Kopfhörern und sang diese Zeile eine Oktave höher als im Demo und so
voller Inbrunst, dass Midge und Bob fast erschraken. Gleich der erste
Versuch saß und kam auf Platte.

Der Tag verging und der Stresspegel stieg. Obwohl der Song bereits
synthetische Drums besaß, baute Phil Collins sein Drum-Set auf. „Ihr
braucht einige echte Drums“, so sein Kommentar. Obwohl keine Zeit dafür
war, wirft man einen Phil Collins dann doch nicht einfach raus. Nach
sechs Stunden des Wartens spielte er eine Spur ein. Er war aber nicht
zufrieden und spielte eine zweite, weniger anspruchsvolle Spur ein. Das
war es. Nach acht Minuten effektiver Arbeit packte er zufrieden ein,
seinen Teil beigetragen zu haben. Am Nachmittag tauchte endlich Boy
George auf. Bob war sich dessen so sicher, dass er Strophenparts für ihn
reserviert hielt. Zwischenzeitlich musste Midge Bob auch energisch
darauf hinweisen, dass jemand, der nicht wirklich gut singen könne, es
anderen nicht erklären kann. Ab diesem Punkt hatte Midge am Mischpult
seine Ruhe. Sogar Trevor Horn gab sich die Ehre und brachte Ideen ein.
Die waren allerdings aus akutem Zeitmangel absolut nicht realisierbar.

Nachdem die Aufnahmen gemacht waren, wollte sich Midge dem eigentlichen
Prozess des Mischens widmen. Doch das gestaltete sich äußerst schwierig,
weil keiner der Anwesenden gehen wollte. Sie feierten eine Party in
einer Besetzung, die es bis dahin noch nie gegeben hatte. Erst gegen
Mitternacht waren dann alle soweit verschwunden. Da es sich um eine
Single handelte, musste auch auf die B-Seite etwas drauf. Midge packte
sämtliche Weihnachtsgrüße drauf, die entweder den Tag über im Studio
oder per Telefon aufgenommen wurden. Am markantesten war sicher
folgende: „It’s Christmas 1984 and there are more starving folk on the
planet than ever before.” Gesprochen wurden sie von David Bowie. Um 8
Uhr morgens waren die Arbeiten fertig. Als letztes sprach Bob Geldof
seinen Part für die B-Seite: „Diese Platte wurde am 25. November 1984
aufgenommen. Wir haben jetzt 8 Uhr morgens am 25. November. Wir waren 24
Stunden hier und ich denke es ist Zeit, nach Hause zu gehen.“
Im Laufe der folgenden Woche wurde „Do They Know It’s Christmas“
veröffentlicht und stand in unzähligen Ländern an der Spitze der Charts.
Das Projekt Band Aid hatte begonnen. Dabei werden die Namen Bob Geldof
und Midge Ure immer im Zusammenhang mit Band Aid gebracht, doch der von
Bob Geldof immer zuerst. |
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Nicht zuletzt, weil er durch die Königin des Vereinigten Königreichs
geadelt wurde und sich seitdem als „Knight Commander Of The British Empire“ auch Sir Bob Geldof nennen durfte.
Midge Ure hingegen wurde diese Ehre erst zwanzig Jahre später
zugesprochen. Aufgrund seiner schottischen Herkunft jedoch lediglich als
„Officer of The Order of the British Empire“. Erstaunlich, weil Bob
Geldof Ire ist und demnach ebenfalls nicht als Sir bezeichnet werden
dürfte.
Jahre später wurde Midge erneut nach diesem einmaligen Spektakel
gefragt. Er meinte dass es nach all den Jahren noch gewachsen und
grösser geworden ist, als er sich jemals hätte vorstellen können. Noch
heute kräuseln sich seine Nackenhaare, wenn er zur Weihnachtszeit im
Supermarkt „Do They Know It’s Christmas“ hört.

Auch beim All-Star-Benefizkonzert Live Aid im Jahr 1985 überzeugte Midge
mit Ultravox vor fast zwei Milliarden Menschen. Ultravox lieferte einen
beeindruckenden Auftritt mit „One Small Day“ als erstem Song. Mit Blick
auf die 72.000 Menschen, die das Londoner Wembley-Stadion besuchten,
beobachtete er, wie sie zu „Vienna“ klatschen. „Dies war definitiv ein
Highlight“, sagte Ure. „Wir hatten achtzehn Minuten für unseren Auftritt
und wurden vorher gewarnt. An der Seite der Bühne stand eine Ampel. Grün
zu Beginn und nach 16 Minuten stellte sie sich auf Gelb. Und wir
hofften, dass alle es bemerken, wenn sie nach achtzehn Minuten auf Rot
umspringt.“ sagte er lachend. „Dies war der einzige Weg, wie alle
Künstler den Zeitplan einhalten konnten.“
Bis zum heutigen Tag ist Midge ein Treuhänder von Band Aid, die die
laufenden Erlöse aus beiden Fond-Raisings weiter verteilen. Den ersten
Ratschlag bekamen Ure und Geldof von George Harrison hinsichtlich dessen
Erfahrungen mit dem bahnbrechenden „Rock 1971 Charity-Event - The
Concert for Bangladesh“. Harrison sagte: “Holen Sie sich einen guten
Buchhalter!“ Midge darauf. „Das haben wir dann getan und wir haben noch
immer die gleichen Buchhalter. So sind wir auch nach 28 Jahren immer
noch da“ (Ure und Geldof organisierten auch die Follow-up Mega-Show:
Live 8 im Jahr 2005.) |
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BAND AID 20
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Ebenfalls noch in 2004 widerspricht sich
Ure selbst und beteiligt sich entgegen früherer Aussagen doch an der
erneuten Veröffentlichung von „Do They Know It’s Christmas“ unter dem
Projektnamen Band Aid 20+. Falls man von einer neuerlichen Teilnahme
überhaupt sprechen kann, da er seit 1985 nie den Kontakt verloren hatte.
Bereits 1989 gab es eine erste Neuauflage unter dem Namen Band Aid II u.
a. mit Bananarama, Bros, Jason Donovan, Kevin Godley, Kylie Minogue,
Chris Rea, Jimmy Sommerville, Lisa Stansfield und Wet Wet Wet. In
Großbritannien auf Platz 1, scheiterte er aber aufgrund seiner zu
poppigen Ausrichtung in allen anderen Ländern. Eigentlich hatte Midge
nach wie vor nicht vor, den Song erneut aufzunehmen. Doch als Bob Geldof
ihn anrief und das Ganze für eine sehr gute Idee hielt, stimmte er zu.
Nur dass Geldof sich anschließend für eine Fernsehshow in den Kongo
absetzte und die Studioarbeit Midge überließ.

Fran Healy von Travis und Chris Martin von Coldplay waren 2004 von
Anfang an mit dabei und wie schon zwanzig Jahre zuvor meldeten sich die
Künstler von selbst, um teilnehmen zu dürfen. Im Vergleich zum ersten
Projekt musste jetzt aber kein neuer Song geschrieben, sondern der
Klassiker von damals unter Verwendung neuer Sounds auf allen Ebenen dem
aktuellen Zeitgeist angepasst werden. Es beteiligten sich Künstler u. a.
wie Dido, die Sugarbabes, Robbie Williams, Katie Melua, Feeder, Thom
Yorke und Johnny Greenwood (beide Radiohead), Keane, Justin Hawkins von
The Darkness, Beverly Knight, Busted, Danny Goffey von Supergrass, Will
Young, Natasha Bedingfield, Snow Patrol, Joss Stone, Rachel Stevens, The
Thrills, Lemar, Estelle oder Dizzee Rascal. Die einzigen Künstler
älteren Jahrgangs waren Paul McCartney, der den Bass einspielte und Bono.
Jetzt war er der Superstar und niemand konnte sich vorstellen, dass
jemand außer ihm selbst seinen Gesangspart anders oder besser singen
würde.
Insgesamt war es beabsichtigt, die Neuauflage des Songs der |
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Jugend zu überlassen, wobei der Einbau des Rap-Parts nicht überall
positiv angenommen wurde. Für das Coverdesign der neuen Single zeigte
sich Damien Hurst verantwortlich.Aufgenommen wurde der Song am 17. November
2004 in den Londoner Air Studios und am 29. November dann
veröffentlicht. In Großbritannien reichte es natürlich wieder zum
Spitzenplatz der Charts, in dem sich „Do They Know It’s Christmas“ jetzt
elf Wochen hielt. In Deutschland reichte es zwar nur zu Platz 7, doch
hielt sich der Song dafür einundzwanzig Wochen in den Charts. |
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LIVE8
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Im Sommer 2005 folgt unter dem Motto
Live8 das entsprechende Benefizkonzert, an dem zum größten Teil die
Künstler beteiligt waren, die ein halbes Jahr zuvor auch „Do They Know
It’s Christmas“ neu aufgenommen hatten. Auch Midge steht auf der Bühne
und spielt wie schon 1985 „Vienna“. Allerdings ohne den Rest von
Ultravox. Am Ende dann ein Bild mit Aussagekraft, als Bono, Bob Geldof
und Midge Ure die Arme in den Himmel gestreckt zum zweiten Mal
Geschichte schreiben. Derweil kommt Midge in Deutschland bei
Hypertension unter. Als erste Amtshandlung wird die DVD „Sampled Looped
And Trigger Happy“ unter dem Namen „Re*Live“ neu veröffentlicht. |
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BAND AID 30
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Am 10. November 2014 gaben Bob Geldof
und Midge Ure bekannt, dass kurz vor Weihnachten eine neue Version von
„Do They Know It’s Christmas“ veröffentlicht werden wird. Einerseits
aufgrund des 30jährigen Jubiläums des Songs an sich als auch des Band
Aid-Trusts und andererseits, um die Bekämpfung der verheerenden
Ebola-Epidemie in Teilen Westafrikas finanziell zu unterstützen.

Zu den teilnehmenden Künstlern gehören u. a. One Direction, Sam Smith,
Ed Sheeran, Emeli Sandé, Ellie Goulding, Rita Ora. Bastille, Guy Garvey
(Elbow), Chris Martin (Coldplay) und - als Einziger zum dritten Mal mit
dabei - Bono von U2. Sowohl musikalisch als auch textlich bekam der Song
- wie es auch schon bei Band Aid 20 der Fall war – ein Update. Den
aktuellen Ereignissen entsprechend wurden die Textzeilen „Where a kiss
of love can kill you“ („Wo ein Kuss der Liebe dich töten kann“) und „And
there is death in every tear“ („Und es ist der Tod in jeder Träne“)
eingefügt. Die sind ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass sich das
Ebola-Virus durch die Übertragung von Körperflüssigkeiten verbreitet.

Auch in Deutschland kam es unter der Federführung von Campino sowie
namhaften Künstlern (u. a. Philipp Poisel, Clueso, Seeed, Andreas
Bourani, Jan Delay, Michi Beck, Max Herre, Cro, Sportfreunde Stiller,
Silbermond, Max Raabe, Wolfgang Niedecken, Udo Lindenberg, Peter Maffay,
Thees Uhlmann, Patrice, Adel Tawil, 2raumwohnung, Donots, Jennifer
Rostock) erstmalig zu einer Veröffentlichung des Songs auf Deutsch.
Allerdings sah sich das Projekt hier dem Vorwurf ausgesetzt, dass die
Thematik „Ebola“ (auch aufgrund des Logos) auf den ganzen afrikanischen
Kontinent ausgeweitet wird, obwohl eigentlich nur drei Länder im
westlichen Bereich Afrikas betroffen seien. Außerdem würde Afrika durch
die Art der Darstellung zu sehr in eine Art Opferrolle gedrängt. Campino
machte in einem Interview deutlich, dass die eigenen Eitelkeiten weniger
wichtig seien, als der Kampf gegen Ebola. Und er zeigt keinerlei
Verständnis für die Menschen, die sich lediglich abfällig das Projekt
äußern, statt den Blick auf das Wesentliche zu richten. Ungehalten
reagierte er auch auf die Frage, was denn mir den Spendengeldern
geschehen würde und stellte klar, dass die Wege sämtliche Spendengelder
nachvollziehbar sind. |
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NELSON MANDELA 70TH BIRTHDAY TRIBUTE
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Der Name hinter diesem am 11. Juni 1988
im Londoner Wembley Stadium stattfindendem Event lautet Tony
Hollingsworth. Bereits 1986 setzte er sich mit Jerry Dammers, Sänger von
The Specials („Free Nelson Mandela“ 1984) und Gründer der Artists
Against Apartheid (AAA) in Verbindung. Zunächst wollte Hollingsworth in
seiner Tätigkeit für das Greater London Council (GLC) eine Unterstützung
für das AAA bewerkstelligen, was aber daran scheiterte, dass das AAA
keine rechtlich anerkannte Organisation war. Und Dammers zeigte auch
wenig Interesse, das zu ändern. Hollingsworth hatte vorher bereits
einige Konzerte und Festivals auf die Beine gestellt. Und so schlug er
Dammers vor, dass er ihm ein Anti-Apartheid Konzert organisieren würde,
wenn Dammers ihm dafür einen oder mehrere namenhafte Künstler nennen
könnte, die sich zur Teilnahme zur Verfügung stellen würden. Der Rückruf
erfolgte dann sechzehn Monate später im Juni 1987, in dem Dammers die
Simple Minds ins Spiel brachte. Allerdings schwebte denen Edinburgh als
potenzieller Austragungsort vor, was nicht Hollingsworths Vorstellung
entsprach.

1988 würde Mandela seinen 70. Geburtstag feiern und etwas anderes, als
ein multimediales Spektakel im Londoner Wembley Stadium kam für ihn
nicht in Frage. Es musste der Ort sein, an dem bereits fünf Jahre zuvor
Live Aid stattgefunden hatte. Ab diesem Punkt begab sich Hollingsworth
auf den schmalen Grat der Eitelkeiten derer Künstler, die er von seinem
Vorhaben überzeugen wollte. So besuchte er Sting in der Schweiz, welcher
ihn in Unterhose auf seinem Hotelzimmer empfing. Letztendlich eröffnete
Sting das Konzert, für das er eigens seine Tour unterbrach. Bei der
Festlegung der Reihenfolge und Auswahl der Künstler musste Hollingsworth
schon fast diplomatische Eigenschaften an den Tag legen, um Ansprüchen
und Bedenken der Künstler gerecht zu werden.

So traten auch damalige Größen wie die Dire Straits, George Michael,
Whitney Houston, UB40 sowie Migde Ure mit seiner „All-Star-Band“ u. a.
bestehend aus Mick Karn, Eric Clapton, Phil Collins und Tracy Chapman
auf, die an diesem Tag unverhofft zu doppelten Ehren kam. Stevie Wonder
wollte |
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unbedingt an diesem Event teilnehmen
und flog extra aus den Staaten an. Die Instrumente standen bereits auf
der Bühne, als das Fehlen einer Festplatte für sein Piano bemerkt wurde. Untröstlich musste sein Gig abgesagt werden
und Tracy Chapman sprang nur mit ihrer akustischen Gitarre ein, um die
Zeit für den Umbau zu überbrücken. Hinzu kam, dass das Publikum davon
kaum etwas mitbekam, weil Wonders Auftritt
als Überraschung geplant war. Immerhin gelang es noch, dass er vor dem
finalen Auftritt der Dire Straits „I Just Call To Say I Love You“
performen konnte.

Das Konzert wurde weltweit - von Südafrika abgesehen - übertragen. Auch
in den Staaten wurde es, wenn auch aufgrund der Zeitverschiebung
zeitversetzt, weitestgehend komplett ausgestrahlt. Ausnahme war der
US-Sender Fox mit Eigentümer Rupert Murdoch. Der sah sich in einem
wirtschaftspolitischen Dilemma und fürchtete Konflikte mit Sponsoren. So
kürzte der Sender die zumeist politischen Statements der auftretenden
Künstler, unter ihnen auch US-Schauspieler wie Whoopie Goldberg oder
Denzel Washington, oder schnitt gleich ganze Songs wie Steven van Zandts
„Sun City“, der sich kritisch mit der südafrikanischen Vergnügungsstadt
auseinandersetzte, heraus. So durfte auch Queen an dem Konzert nicht
teilnehmen, weil sie selbst zuvor schon in Sun City aufgetreten waren.
Letztendlich aber erreichte das Konzert sein Ziel, die Welt über die
Apartheid in Südafrika und die Inhaftierung von Nelson Mandela zu
informieren und wachzurütteln. Auch mit Erfolg für Nelson Mandela
selbst, da er zwanzig Monate später nach siebenundzwanzig Jahren Haft
entlassen und zum Präsidenten Südafrikas gewählt wurde. |
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IF I WAS - AN AUDIO AUTOBIOGRAPHY
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Auf die Frage, ob er seine Biographie
selbst geschrieben hätte, antwortete Midge in einem Interview einmal,
dass diese dann vermutlich immer noch nicht fertig wäre.

So kam es 2004 zur Veröffentlichung von „If I Was“ als Buchversion
mit Hardcover. Als Besonderheit bekamen die ersten hundert
Besteller eine handsignierte Ausgabe mit entsprechender
Wunschwidmung, die vorher zusammen mit der Bestellung verschickt
wurde. Einige Jahre später erfolgte ein Update, welches aber
„nur“ noch als Taschenbuch herausgebracht wurde. Das dritte
„Update“ hingegen wurde gar nicht mehr gedruckt, sondern
erschien in Form eines elektronischen Datenträgers. Dazu aber
später mehr.

An dieser Stelle sei zunächst drauf hingewiesen, dass jetzt keine
Rezension oder eine Inhaltsangabe des Buches folgt. Denn auf die
Geschichte von Midge Ure ist bereits zuvor in seinem Kapitel - auch mit
seiner Biographie als wertvolle Quelle - ausgiebig eingegangen worden.
Der Vollständigkeit halber ist es natürlich Pflicht darauf einzugehen,
zumal der Leser als Fan Ures komplette Geschichte von seiner Kindheit an
bis zum Beginn seines musikalischen Werdegangs beginnend mit Salvation
und Slik, den Rich Kids und Thin Lizzy erfährt. Mit der Fortsetzung bei
Visage und Ultravox sowie seiner Solo-Karriere einschließlich der
Projekte, an denen er mitwirkte. Sei es seine Tätigkeit als
musikalischer Direktor der Prince’s Trust Benefizkonzerte 1986 bis 1988,
Band Aid 1984, Live Aid 1985 oder das Konzert anlässlich des
Geburtstages von Nelson Mandela 1988. Dazu beinhaltet das Buch ein paar
Fotos aus dem Privat-Album der Familie Ure sowie einige aus der
Anfangszeit seiner musikalischen Laufbahn.
Aber die Biographie beinhaltet natürlich wesentlich mehr als nur die
Aufzählung seiner Erfolge. Wer einen Blick hinter die Kulissen aus Sicht
von Midge Ure werfen möchte und seine Biographie noch nicht kennt, sei
hiermit darauf verwiesen. Der Leser wird einige, wenn auch nicht alle
Hintergründe erfahren, die zum Rauswurf von Warren Cann und zur fast
schon zwangsläufigen Trennung von Ultravox |
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führten. Oder warum „Answers To
Nothing“ aufgrund von opportunistischen Machtkämpfen innerhalb seiner
Plattenfirma kein Erfolg werde konnte, warum „Pure“ auf einem Label
erschien, der für die Art von Musik, wie Ure sie macht, eigentlich
ungeeignet war und warum er Anfang der Neunziger mehr gezwungen als
gewollt auf eine Singer-Songwriter-Tour ging. Wie er in finanzielle
Schieflage geriet und sich aufgrund alter Songs aus der Zeit von Visage
und Ultravox mit rechtlichen Ansprüchen Billy Curries konfrontiert sah.
Wie er mit dem anfänglichen Misserfolg von „Breathe“ fertig werden
musste, bevor die gleichnamige Single dank der Swatch-Werbung die
europäischen Charts stürmte. Wie sich die Geschichte von „Pure“ mit „Move
Me“ wiederholte und warum seine Überzeugung, weiterhin gute Musik zu
machen, keine Anerkennung fand, der Erfolg ausblieb, den andere Künstler
seiner Generation hatten und er in ein tiefes Motivationsloch fiel.

Auf fast schon tragische Weise dokumentiert Ure, wie er seit 1988 stetig
gegen die Maschinerie des Musikbusiness ankämpfte und dabei zu der
Erkenntnis gekommen ist, zu oft zur falschen Zeit am falschen Ort
gewesen zu sein. Als Opfer von Umständen, die er trotz eigener
Interventionen nicht beeinflussen konnte. Und von denen er noch einige
Jahre zuvor nie geglaubt hatte, sie als erfolgreicher Musiker jemals
erleben zu müssen. Das alles führt den Leser zum Kapitel „My Brother
Jack“, welches wohl so ziemlich jeden Fan mit einem hohen Maß von
Unfassbarkeit gelesen haben wird. Denn nur die engsten Bekannten wussten
von Ures enormen Alkoholproblemen, weshalb dieses öffentliche Outing wie
eine Bombe einschlug. Ure öffnet seine Seele. Und er schreibt darüber,
wie er tatsächlich glaubte, besser als andere Musiker zu sein und wie er
lernen musste, mit diesem Irrtum umzugehen. Der Sturz vom Gipfel des
Ruhms, um aus der Talsohle heraus wieder einen Punkt der Zufriedenheit
inmitten objektiver Realität zu erreichen. Er spricht auch über seine
Frau, seine Kinder, seine Eltern. Über sein Leben für und sein Leben
neben der Musik.

Im November 2005 folgte das erste Update als Taschenbuch.
Ausschlaggebend dafür waren in erster Linie die Ereignisse rund um Band
Aid 20 sowie dem darauf folgendem Konzert Live 8.
Im Februar 2014 stellte Midge Ure in einer Präsentationsveranstaltung
der Presse und den Fans dann ein weiteres Update seiner Biographie mit
dem Titel „If I Was-An Audio Autobiography“ vor. Wir es der Titel
bereits ausdrückt, handelt es ich im Gegensatz zu den vorherigen
Veröffentlichungen bei dieser Version um ein Hörbuch und nicht um eine
Druckausgabe. Dabei ist es Ure selbst, der seine Geschichte erzählt,
welcher er die Kapitel „New Beginnings“, „Return To Eden“, „Strings To
My Bow“ sowie einen erweiterten „Epilog“ hinzugefügt hat.

Darin schildert er schildert aus seiner Sicht, wie die zuvor nie für
möglich gehaltene Reunion von Ultravox doch Realität wurde, wie die
ersten Treffen nach Jahren der Kontaktlosigkeit mit seinen ehemaligen
Bandkollegen abliefen, was es für ihn bedeutete, mit dem Rest von
Ultravox wieder Musik zu machen und gemeinsam auf der Bühne zu stehen.
Und er spricht hinsichtlich seiner privaten Erlebnisse über den Tod
seiner Eltern.
Es war zunächst angedacht, eine deutsche Übersetzung zu produzieren.
Doch die wäre nur erschienen, wenn sich ausreichend Fans verbindlich zur
Abnahme bereits erklärt hätten. Das Vorhaben scheiterte.

Außergewöhnlich und für Ure dann doch auch irgendwie typisch, ist das
Medium des Hörbuchs. Denn der USB-Stick ist nicht nur wegen seines
Inhalts, sondern insbesondere wegen seiner der Form einer Kreditkarte
ein mehr als begehrtes Sammlerobjekt für die Fans. Wie schon bei der
Veröffentlichung seines ersten Buches, wurde auch hier eine limitierte
Anzahl der ersten Bestellungen signiert ausgeliefert. Neben dem
eigentlichen Hörbuch gibt es auch Bonusmaterial: Die Bilder der
Druckversion, Fan-Bilder, das Instrumentalstück „Bridges“ (später auch
Bestandteil der „Fragile“), Live-Videos und noch ein paar andere
Kleinigkeiten. |
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No Regrets |
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Im Juni 1982 veröffentlichte Midge Ure seine erste Solo-Single „No
Regrets“. Ein Song der Walker Brothers aus dem Jahre 1976. Midge wollte
diesen Song immer singen bzw. auf seine Art interpretieren, seitdem er
dieVersion der Walker Brothers gehört hat. Midge arrangierte „No Regrets“
völlig alleine. So sang er, spielte alle Instrumente und produzierte den
Track. In Großbritannien reichte es für Platz 9 in den Charts.

If I Was

Durch seine Aktivität rund um das Band- Aid Projekt musste Ure die
Arbeit an seinem ersten Solo-Album hinten anstellen. Dem Erfolg stand
diese Entwicklung aber nicht entgegen und die Single „If I Was“
erreichte am 14. September 1985 die Spitze der britischen Single-Charts.
Insgesamt vierzehn Wochen hielt sich der Song unter den Top Einhundert.
In Deutschland reichte es immerhin zum zweiten Platz der Verkaufsliste.
Das entsprechende Video machte das Pinscreen (=Nagelbild) populär.

Plattenkritik “If I Was”:
„Ein Sieger im ersten Rennen. Typischer Sound, den wir von Midge und
Ultravox kennen. Mit Sicherheit wird dieser Track mit der Zeit zu einem
Dauerbelagerer des Redaktions-plattenspielers werden. Warten wir aufs
Album.“

The Gift

Kurze Zeit danach wurde das Album „The
Gift“, unter anderem mit einem Coversong von Jethro Tulls „Living In The
Past“ veröffentlicht. Auch das Album stieg am 19. Oktober bis auf Platz
2 der Albumcharts. Aufgenommen und produziert wurde das Album in
Zusammenarbeit mit Danny Mitchell von den Messengers in Midge‘s
Heimstudio in Chiswick.
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Er war in erster Linie auch für den
Text von „If
I Was“ verantwortlich. Allerdings hatte Ure als Solo-Künstler jetzt ein
Problem, welches er als Band-Musiker bisher nicht kannte: Er benötigte
Gastmusiker.
So fand er neben Mitchell weitere musikalische Unterstützung in Kenny
Hyslop an den Drums, den er noch aus seiner Zeit bei Slik kannte. Auch
Mark King von Level 42 und Nigel Ross-Scott von Re-Flex sind auf dem
Album am Bass zu hören. Ursprünglich strebte Ure eine neuerliche
Zusammenarbeit mit Mick Karn an. Diese scheiterte jedoch daran, dass
Karn schlichtweg nicht auffindbar war. „The Chieftain“ ist ein Stück,
das bereits mit Visage veröffentlicht wurde. Das Titelstück „The Gift“
widmete Ure dabei dem in Glasgow geborenen Künstler und Architekten
Charles Rennie Mackintosh. Der galt gegen Ende des 19. Jahrhunderts als
eine der führenden Persönlichkeiten der Art-Nouveau-Bewegung und setzte
dem modernen Design als Vorreiter des Modern Art seinen Stempel auf. Dem
Album folgte Ende 1985 die Tour, wodurch sich die Arbeiten am neuen
Ultravox-Album entsprechend verzögerten. Eine Entwicklung, die im
weiteren Verlauf Auswirkungen auf die Band haben sollte.

Diverse Platten-Kritiken zum Album jedenfalls belegen das, was auch
schon bei Ultravox an der Tagesordnung war: Uneinigkeit. Die Meinungen
zu Ures Erstlingswerk waren doch sehr unterschiedlich und gespalten.

LP der Woche & Diverse Kritiken:
„Sein zielsicheres Gefühl für das richtige Timing beweist Englands
Keyboard-Klangzauberer Midge Ure beim jüngsten Soloprojekt: Während sich
die Softballade ‚If I Was’ zum Tophit entwickelt, ist das dazugehörige
Album - passend zur Vorweihnachtszeit - ‚The Gift’ betitelt. Midge Ure
‚beschert’ sechs weitere Balladen der bombastischen Art, teils
fernöstlich angehaucht (‚She Cired’), teils mit avantgardistischen
Schrägtönen versetzt (‚When The Winds Blow’). Interessant auch die
raffinierten Instrumental-Klanggemälde ‚Antilles’ und ‚The Chieftain’.
Einziges Minus ist die halbgare Neuversion des Jethro-Tull-Klassikers ‚Living
In The Past’. Fazit: Traumsound mit kleinen Widerhaken.“
„Bandmitglied versucht sich als Solo-Künstler. 227. Folge: Ultravoxens
Midge Ure. Wenn es stimmt, dass Bandmusiker gerne auch außerhalb mal auf
Solo-Pfaden wandeln, weil sie dann Ideen verwirklichen können, die im
Konzept ihrer Hausband keinen Platz haben, dann kann man Ures ‚Geschenk’
nur teilweise der Sparte ‚Soloprojekte’ zurechnen. Denn auf der ersten
Seite dieser LP gibt es bis auf das gelungene Remake des
Jethro-Tull-Klassikers ‚Living In The Past’ nichts zu hören, was nicht
auch Ultravox so gespielt haben könnte. Hier werden dieselben
musikalischen Floskeln, derselbe weinerliche Klagegesang, dieselbe
schwülstige Endzeitstimmung und dasselbe kitschige Selbstmitleid
strapaziert..

„Erst mit den vier Instrumentaltiteln der B-Seite erreicht Ure neue
musikalische Ufer. ‚The Chieftain’ etwa lässt Techno-Funk- und
Stimmungsbild-Elemente miteinander kontrastieren und stellt so die
zerbrechliche Ultravox-Klangwelt auf ein kraftvolles Fundament.
Letztlich hat Ures Solo-LP also doch eine größere stilistische
Bandbreite als so manches Ultravox-Opus aufzuweisen.“

„Midge Ure ist ein begnadeter Musiker. Auch wenn auf den letzten
Veröffentlichungen neben Genialem oft völliger Klang-Nonsens zu finden
war; hier hat er endlich die Gelegenheit, all die musikalischen Dinge,
die unter dem Namen Ultravox nicht machbar sind, zu realisieren. Und so
erwartete niemand ein Ultravox-Album. Midge hat tief in die
Studio-Trickkiste gegriffen und Klänge entstehen lassen, die einem nicht
sofort ins Ohr gehen. Das benötigt schon etwas Zeit und Geduld. Da muss
wirklich hingehört werden. Ungewöhnlich und reizvoll zugleich sind die
Tracks und ein bisschen erstaunt es schon, dass die ausgekoppelte Single
‚If I Was’ bis an die Spitze der britischen Charts kommen konnte.
Vielleicht der Live Aid/Band Aid-Bonus. Denn eigentlich finden sich auf
‚The Gift’ keine typischen Chartstürmer, eher Songs, die für den
privaten Gebrauch bestimmt sind. Das erinnert stellenweise eher an einen
Soundtrack zu einem imaginären Film, als an ein Pop-Album. Fast
konzertant.“
„Ultravox-Leadsänger Midge Ure sicherte sich für sein Solo-Album die
Dienste von Spitzenmusikern wie Mark King und Mark Brzezicki, womit er
sich einen wertvollen rhythmischen Rückhalt schuf. Melodisch geschieht
eigentlich nicht viel, doch geht von ‚The Gift’ eine eigenartige
Atmosphäre aus. Am deutlichsten wird dies hörbar in der Uralt-Jethro
Tull-Komposition ‚Living In The Past’, die Midge in einer
brillant-unterkühlten Version bringt.“ |
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„Ultravox-Leadsänger Midge Ure sicherte sich für sein Solo-Album die
Dienste von Spitzenmusikern wie Mark King und Mark Brzezicki, womit er
sich einen wertvollen rhythmischen Rückhalt schuf. Melodisch geschieht
eigentlich nicht viel, doch geht von ‚The Gift’ eine eigenartige
Atmosphäre aus. Am deutlichsten wird dies hörbar in der Uralt-Jethro
Tull-Komposition ‚Living In The Past’, die Midge in einer
brillant-unterkühlten Version bringt.“

„Migde Ure ist Ultravox. Das wird mit dieser Solo-LP deutlich. Und wir
sehen an dieser Song-Kollektion auch, dass Ultravox in einer
musikalischen Klemme steckt, die Midge nun durch diesen Alleingang
umgehen will. ‚The Gift’ ist ein Album, das nicht durch einmaliges Hören
entdeckt werden kann. Und es ist sicher nicht für die Tempel des
nächtlichen Vergnügens oder fürs Autoradio.

‚The Gift’ beinhaltet ein erhebliches Klang-Kabinett, das durch Midge’s
Charisma nicht zum bunten Sammelsurium von ‚Das wollte ich schon immer
mal machen’-Songs verkommt. Natürlich klingt das dann doch stellenweise
sehr nach Ultravox. Doch das muss nicht störend oder peinlich wirken.
Midge hat seine musikalische Heimat längst gefunden. Und er versteht es
mit jeder Veröffentlichung mehr und besser, eine seltsame Atmosphäre aus
Zerbrechlichkeit, Melancholie und Pathos zu schaffen. ‚The Gift’ ist
nicht bombastisch, eher ausgereift und ausgeklügelt - ein edles
Geschenk.“

Weitere Auskopplungen aus dem Album sind „That Certain Smile“ und „Wastelands“.
Das Video zu „That Certain Smile“ spielt in dem Theater, welches bereits
auf dem Cover der Single „No Regrets“ abgelichtet war. In Großbritannien
erreichte die Single am 16. November 1985 mit Platz 28 und in
Deutschland am 27. Januar 1986 die jeweils höchsten Platzierungen. Zu „Wastelands“
wurde kein Video gedreht, doch konnte sich die Single mit Platz 46 am 8.
Februar 1986 ebenfalls in den britischen Charts platzieren.

Plattenkritik „That Certain Smile“ „Das beste Stück aus der LP ‘The
Gift’. Ebenso erfolgsträchtig wie ‚If I Was’. Midge Ure hat allerdings
mit dem Problem zu kämpfen, dass er seit Ultravox‘ ‚Dancing With Tears
In My Eyes’, zumindest seine Singles, immer nach demselben
Sound-Strickmuster bastelt. Beim nächsten Mal also mehr Sorgfalt,
bitte.“ |
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Call Of The
Wild und The Princes Trust
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Neben der dann
folgenden Arbeit am nächsten Album von Ultravox wurde Midge Ure 1986
erstmals als musikalischer Direktor für den „Prince’s Trust“ tätig. Im
Rahmen seiner All-Star-Band, die u. a. aus Stars wie Elton John, Phil
Collins, Mark King, Eric Clapton, Tina Turner, David Bowie und auch Mick
Jagger bestand, trat er dabei auch selbst auf und spielte live seine im
Juni 1986 veröffentlichte Single „Call Of The Wild“. Für acht Wochen
hielt sich der Song in den Charts und erreichte dabei am 27. Juni 1986
mit Platz 27 die höchste Platzierung. Mit „When The Wind Blows“ und
„After A Fashion” bei der Maxi-Single, sind auf der Rückseite
Live-Versionen der „The Gift“-Tour. Auch in den Jahren 1987 (mit „If I
Was“) und 1988 (mit „Dancing With Tears In My Eyes“) zeigte er sich für
den musikalischen Teil der Benefizkonzerte verantwortlich. Alle drei
Konzerte wurden als Kaufvideo, später auch als DVD veröffentlicht. |
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Answers (To Nothing)
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„Answers“ ist für Midge bildlich gesehen
das erste Soloalbum ohne Netz und doppelten Boden. Zur Zeit von „The
Gift“ hatte er, für den Fall des Scheiterns, immer noch Ultravox als
Sicherheit. Doch mit beendeter Tour Anfang 1987 war dieses Thema
beendet. Er war auf sich alleine gestellt und wollte es der Welt zeigen.
Emotional beeinflusst wurde er dabei durch die Diskrepanz seines eigenen
Wohlstandes und der Armut, die ihm bei seinem Besuch in Afrika begegnete
sowie der weltweiten ungerechten Verteilung von Macht und den draus
entstehenden sozialen Schiefständen („Hell To Heaven“, „Dear God“, „Answers
To Nothing“, „Remembrance Day“). Aber auch der Tod seines langjährigen
Freundes Phil Lynott („Homeland“) und Beziehungsprobleme („Lied“) kamen
zum Tragen. Mit „Just For You“ gibt es auch ein waschechtes Liebeslied
und für „Sisters & Brothers“ konnte Midge sogar Kate Bush als
Gesangspartnerin gewinnen.

Weitere musikalische Unterstützung erhielt er durch Gastmusiker wie Mark
King, Mick Karn oder aber auch Mark Brzezicki. Entgegen „The Gift“
stammten aber dieses Mal fast alle Songs aus Ures Feder. Auch
dahingehend trifft die Bezeichnung Solo-Album eher zu, als es beim
Vorgänger unter tatkräftiger Mithilfe von Danny Mitchell eher noch eine
Co-Produktion war. „Answers“ soll Missstände aufzeigen, ohne selbst
Antworten geben zu können. Entsprechend auch der Titel des Albums.
Die
erste Single war mit „Answers To Nothing“ der Titeltrack des Albums und
erschien im August 1988. Doch zu mehr als Platz 49 in den britischen
Charts mit vier Wochen Zugehörigkeit reichte es nicht. Dabei gestaltete
sich bereits der Videodreh zu einem Desaster, weil vieles von dem, was
gemacht werden sollte, aus diversen Gründen einfach nicht funktionierte.

Das Album selbst, veröffentlicht im September 1988, stieg bis auf Platz
30 in den britischen Album-Charts. Nach wie vor lag Midge viel daran, in
den Staaten Fuß zu fassen. Tatsächlich hielt sich das
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Album dort sechzehn Wochen in den
Charts und erreichte dabei mit Platz 88 die höchste Platzierung. In
Großbritannien war das Album zwar höher platziert, aber dafür auch nur
drei Wochen unter den Top Einhundert. In Deutschland konnten sich weder
Album noch Single durchsetzen. „Dear God“
ist die zweite Auskopplung. Obwohl der Titel einen religiösen
Hintergrund vermuten lässt, ist er es nicht wirklich. Vielmehr ist es
die unbeantwortete Frage nach dem Sinn für die vielen Ungerechtigkeiten
dieser Erde. Live war Ure mit diesem Album lediglich in den Staaten als
Support für Howard Jones unterwegs.

Anfangs wunderte sich die Presse dahingehend schon und fragte, warum
denn der Meister vor dem Lehrling spielen würde. Derartige Kritiken galt
es vor Howard Jones aber zu verbergen. Schließlich sei es unklug, den
Headliner zu verärgern. Tatsächlich sorgte Ures Anwesenheit auf dem
nordamerikanischen Kontinent und das entsprechende, in den USA gedrehte
Video dafür, dass „Dear God“ sich im Januar 1989 ebenfalls in den
dortigen Charts für fünf Wochen und mit Platz 95 als höchste Platzierung
positionieren konnte. In Großbritannien reichte es für Platz 55. Dennoch
zeigte sich Ure extrem verärgert darüber, dass seine Musik durch die
Plattenbosse nicht die Berücksichtigung und Vermarktung erhielt, derer
er sie für würdig hielt; auch aufgrund des Argumentes, dass der Titel
das Wort „God“ beinhalten würde, was die Akzeptanz unter der
amerikanischen Bevölkerung negativ beeinflussen würde. Trotz lokaler
Unterstützung blieben die erhofften Verkaufszahlen aus und erstmals
befand sich Midge Ure in einer Situation, mit der er in diesem Ausmaß
bisher noch nicht konfrontiert wurde: Erfolglosigkeit. Nach Ausräumung
vertragsrechtlicher Probleme trennten sich die Wege von Chrysalis und
Midge Ure. Und nicht nur das: Sein Streben, die Stufe eines Sting, Peter
Gabriel oder Phil Collins zu erreichen, rückte wieder in die Ferne. Was
aufgrund der zumindest in Deutschland mitunter sehr positiven Kritik
kaum nachvollziehbar war. |
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Pure |

Während der Trennungsphase von Chrysalis
nutzte Midge Ure die Zeit, die Arbeiten neuer Songs voranzutreiben.
Thematisch gesehen sieht Midge Ure selbst den roten Faden des Albums im
Auf und Ab zwischenmenschlicher Beziehungen. Dabei versucht er aber,
sich vom Liebeslied im eigentlichen Sinne zu distanzieren und sich mit
den schwereren Zeiten einer Partnerschaft zu befassen. Mitunter
verarbeitet er dabei die eigene Trennung von seiner ersten Frau. Die
unterschiedlichen Stimmungen spiegeln sich auch in der musikalischen
Umsetzung wieder. So ist „Cold Cold Heart“ ein eher optimistischer und
freundlich-hoffnungsvoller Popsong. „Pure Love“ ist - vom Tango -
beeinflusst eher nachdenklich, während das keltisch angehauchte „Waiting
Days“ schon fast düster und depressiv wirkt. Aber in den Songs, an denen
Ure zwei Jahre im heimischen Studio und in seinem Exil auf Montserrat
arbeitete, bevor das durch einen Wirbelsturm zerstört wurde, geht es
nicht nur um das Thema Liebe. Nach wie vor beschäftigt Ure die
Entwicklung auf dem afrikanischen Kontinent. Bei „I See Hope“ versucht
er mit Gospelchören, afrikanischen Beats und keltischen Instrumenten,
eine optimistische Stimmung zu verbreiten, ohne dabei einen religiösen
Bezug herstellen zu wollen.

Der Bezug zur Realität bei „Tumbling
Down“ ist da wesentlich prägnanter. Hier geht es um den Fall der
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Berliner Mauer und die
Wiedervereinigung Deutschlands. Wichtig ist ihm dabei primär der Stil,
wie diese Thematik musikalisch umgesetzt wird, um nicht einem weiteren
Klischee zum Opfer zu fallen. „Let It Go?“ ist ein weiterer Song mit Tiefgang, der in jedem
Hörer die Frage aufkommen lassen soll, was jeder selbst für sich machen
kann oder auch sollte, um etwas zu bewegen. Mache ich genug? Kann ich
überhaupt etwas erreichen? Oder wird sich irgendjemand Anderer darum
kümmern? Zufall oder nicht, aber zur gleichen Zeit schrieb sein Freund
und Weggefährte aus Zeiten von Band Aid Bob Geldof mit „The Great Song
Of Indifference“ ein Stück mit identischer Botschaft. Insgesamt ist
„Pure“ ein Album voller Harmonien, auch weil Midge selbst sich für einen
strukturverliebten und melodie-orientierten Musiker mit Hang zum
Altmodischen sieht. Neben Stücken für ein nächstes Album schrieb er mit
“Come The Day“ den Titelsong für den Film „Die Klasse von 1999“. Leider
wurde der Film selbst der Qualität des Songs nicht gerecht.

Über Heinz Henn kam der Kontakt zu BMG Deutschland zustande, der dort in
seiner Funktion als A&R Manager tätig war. Er war ein Anhänger von Ures
Musik und so hörte er sich mit ihm zusammen in dessen Studio das neue
Material an, was Ure seit „Answers“ geschrieben hatte. Es waren fast
ausreichend genug Songs für ein neues Album und Henn gefielen die Stücke
auch. Doch die potenzielle Hit-Single fehlte ihm. Also sang Ure ihm den
Rough-Mix von „Cold Cold Heart“ vor, woraufhin Ure und Henn sich auf
einen Künstlervertrag einigten. Ure sah die Möglichkeit, auf diese Weise
auch in Großbritannien und den USA Einfluss nehmen zu können. Während in
Großbritannien die Arista ansässig ist, ist es unter dem Deckmantel BMG
International in New York die Arista und RCA. Henn überredete Midge zu
einem Plattenvertrag mit der BMG, wobei der davon ausging, dass sich die
Major Label in jedem der länderspezifischen Sparten seinen Bedürfnissen
anpassen würden.

Die Wirklichkeit sah aber anders aus. In den USA sollte Ure zunächst bei
Arista unterkommen. Doch dort sollte seine Musik nach Wunsch des
hiesigen Bosses Clive Davis musikalisch angepasst werden. Damit war
Midge aber nicht einverstanden und so landete er bei RCA, der in den
Staaten weit weniger Einfluss als Arista hatte. In Großbritannien lief
es auch nicht besser, weil Arista dort eher ein Black Label ist und
musikalisch eher dem R&B zugetan.

Nach eigener Einschätzung fühlte Midge sich wie ein Fisch auf dem
Trockenen. „Cold Cold Heart“ erschien im August 1991. In Großbritannien
stieg der Song bis auf Platz 17 der Charts und hielt sich dort für
sieben Wochen. In Deutschland reichte es lediglich für Platz 47, dafür
aber zehn Wochen in den Top Einhundert. Das Video wurde unter der Regie
von Ure selbst in Los Angeles und Mexiko gedreht. Für eine Platzierung
in den USA reichte es nicht. Dennoch war „Cold Cold Heart“ fester
Bestandteil der dortigen Programms unabhängiger Radiosender. Das Album
„Pure“ erschien im September 1991 und hielt sich mit Platz 36 nur zwei
Wochen in den britischen Charts. In Deutschland war Midge im November
1991 live unterwegs.

Für Ure war es absolut unverständlich, dass der erwartete Erfolg
ausblieb. Mittlerweile stufte er seinen Umgang mit „Answers“ als seinen
eigenen Fehler ein. Aber „Pure“ hielt er für ein gutes Album. Nichts
spräche dagegen, dem Vergleich mit den Alben anderer erfolgreicher
Künstler standzuhalten. Doch während die Millionen verdienten, schien er
neuerlich sein Ziel verfehlt zu haben. „Pure“ friste ein unspektakuläres
Dasein. Auch „I See Hope“ war für Midge ein ähnlich starker Song wie
“Cold Cold Heart”. Er erschien zwar als Single, doch bekam er aufgrund
fehlender Unterstützung keine Chance. Entsprechend reichte es nicht für
Platzierungen; auch nicht für „Let It Go?“, der letzte Auskopplung des
Albums.

Midges Frustration gipfelte darin, dass BMG die eigenen Entscheidungen
in Zweifel stellte und Midge wieder in die Zuständigkeit „Artist And
Repertoire“ (A&R) verwies. Fallengelassen werden konnte er aufgrund
seines gültigen Vertrages nicht. Er wurde aber schlichtweg ignoriert. So
ahnte Ure bereits, dass auch ihn das Schicksal ereilen würde, welches
bereits anderen einstmals großen Künstlern widerfuhr, die bei BMG
untergekommen waren. Unrühmlicher Höhepunkt war wohl, dass beim einzigen
Weihnachtsgeschenk, welches er von BMG erhalten hat, mit „Mitch“ sein
Name auch noch falsch geschrieben wurde.

Den Grund für die aus Ures Sicht katastrophale Entwicklung erfuhr er bei
einem internationalen Treffen der BMG durch ein Streitgespräch zwischen
Heinz Henn als Vertreter der Deutschen BMG und seinem britischem Pendant
heraus. Da verstand er, dass die verschiedenen Niederlassungen nicht
miteinander, sondern gegeneinander arbeiteten. Aufgrund
kontraproduktiver Mentalitäten stand sich das Unternehmen selbst im Weg.
Und somit sah Midge kaum Hoffnung, auf dem britischen und amerikanischen
Markt eine weitere Chance zu bekommen, sollte er nicht neuerlich einen
Hit schreiben. Doch auch das gestaltete sich als schwierig, weil er
vertraglich gesehen eigentlich als starker Musiker in Sachen Komposition
und Produktion autonom handeln durfte. Während seine Versuche der
direkten Kontaktaufnahme mit den USA und Großbritannien nahezu gänzlich
ins Leere liefen, legte ihm die BMG in Form von Heinz Henn bei jedem
seiner Demos nahe, die an sich guten Ideen doch mit einem Produzenten zu
bearbeiten. So auch mit einem bereits 1991 entstandenem Stück, das
ursprünglich instrumental war. Chris O’Donnell war ausschlaggebend, dass
auch ein Text hinzukam, da ihn die Stille des Songs an Ein- und Ausatmen
erinnert. Bis zur Veröffentichung des Songs dauerte es aber noch eine
Weile. |
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Breathe
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Auch bei „Breathe“
blockte die BMG das schon fertige Master mit der Begründung ab, es sei
zu elektronisch. Tatsächlich war Midge davon überzeugt, dass es an
seiner komplett von ihm selbst durchgeführten Produktion lag. Eben genau
das widersprach der damaligen Ideologie der Plattenindustrie, welche die
unbedingte Zusammenarbeit mit einem namhaften Produzenten vorsah. Auf
Heinz Henn konnte er nicht mehr zählen, und der britische Zweig der BMG
reagierte überhaupt nicht mehr auf seine Anrufe. Mehr gezwungen als aus
freiwilligen Stücken begab sich Ure mit einigen anderen Musikern auf
eine Songwriter-Tour quer durch die USA.

Er tauschte seine elektrische Gitarre gegen eine akustische aus und
präsentierte seine Songs musikalisch minimalistisch. Doch während die
anderen Musiker während der Ruhephasen neue Songs schrieben, verbrachte
er seine Zeit eher mit anderen Dingen. Erst nach und nach konnte er auch
durch die Anwesenheit geballter Kreativität überzeugt werden, zum
Wesentlichen zurückzukehren: Zur Musik. Und was er sich kaum vorstellen
konnte, einen Song wie „Vienna“ unplugged zu spielen, funktionierte
tatsächlich. Und so begann auch er mit dem Schreiben neuer Songs.

Dass er 1992 das Thema zur „Playboy Late Night Show“ beisteuerte, sei an
dieser Stelle nur am Rande erwähnt. Im Februar 1993 erschien das Video
“Answers - A Musical Biography”. Neben diversen TV-Ausschnitten und
Musikvideos gibt es auch zahlreiche Interviews mit Leuten, die Midge auf
seinem Weg begleitet haben. U. a. sind neben Ure selbst auch Kenny
Hyslop, Rusty Egan, Bob Geldof, Chris Cross, Phil Collins, George Martin
und auch Scott Gorham (Thin Lizzy) zu sehen und zu hören. In
chronologischer Reihenfolge werden die Station seines Werdegangs
aufgezeigt und mit Geschichten und Erzählungen aufgefüllt. Im gleichen
Jahr kam die entsprechende CD zum Video in Großbritannien bis auf Platz
10 der Albumcharts.
Nach seiner Rückkehr von der Songwriter-Tour ging Ure |
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gewissermaßen einen Kompromiss ein, indem er sich selbst auf die Suche
nach einem Produzenten machte. Über Richard Beck gelangte er an The Comedy Divine
von Milla Jovovich.
Zunächst war Midge irritiert, da er sie eher als
Schauspielerin denn als Sängerin kannte. Doch von der Qualität der
Aufnahme war er begeistert, da sie genau die lebendigen und kraftvollen
Eigenschaften in sich trug, die er wollte. Der Produzent war Richard
Feldman, ein Gitarrist und Songwriter aus Texas, der in Los Angeles
wohnte. Midge war sich sicher, seinen Mann gefunden zu haben. Der
Kontakt über die BMG wurde hergestellt. In den USA traf er auf viele
neue Musiker und unter anderem auch auf Sally Dworsky, mit der er das
Duett „Guns And Arrows“ interpretierte.

Die Zusammenarbeit mit Feldman gestaltete sich produktiv, aber auch
anstrengend. Nicht selten kam es zu hitzigen Diskussionen darüber, wie
etwas zu klingen habe und musikalisch umgesetzt werden sollte. Aber auf
diese Art und Weise entstanden Dinge, die Midge so eher nicht gemacht
hätte. Aber an die Zusammenarbeit mit einem Produzenten musste sich
Midge nach „Quartet“ erst wieder gewöhnen. Auch die Entstehung des neuen
Albums hatte im Vergleich zu „Pure“ den gravierenden Unterschied, dass
statt ein paar Musikern jetzt viele unterschiedliche Sounds und
Instrumente mit irisch-keltischem Einfluss durch an die zwanzig
unterschiedliche Musiker eingespielt wurden. Hervorzuheben wären da
Robert Fripp und Paddy Moloney von den Chieftains, Ofra Harnoy am Cello
und Eleanor McAvoy von Hothouse Flowers als Sängerin.

Für den orientalischen Touch bei „Live Forever“ zeigte sich Shankar
verantwortlich. Midge stuft das Album im Vergleich zu den Vorgängen als
viel persönlicher ein, weil er aufgrund der Zusammenarbeit mit den
vielen Gastmusikern selbst kaum ein Instrument eingespielt hat und
hauptsächlich gesungen hat. Da er auch der Produktion eher beiwohnte,
als diese selbst vorzunehmen, fühlt er sich den Songs mehr verbunden und
sieht in ihnen somit eine gesteigerte Ehrlichkeit und Offenheit. Trotz
aller akustischen Instrumente vertraut er dennoch auf den Einsatz von
Samples und Synthesizern, um auf diese Art den klanglichen roten Faden
von „Breathe“ mit einer Mischung aus Technik und Tradition zu finden.

Nach Fertigstellung schickte Ure das Album nach New York. Doch aufgrund
der Tatsache, dass die dortige RCA gerade führungslos war, wurde die
Veröffentlichung auf Eis gelegt. Als sechs Monate später immer noch
nichts geschah, fragten Midge und Chris O’Donnell selbst nach und
erfuhren, dass auch die Arista in Großbritannien auf der Suche nach
einer Leitung der Führungsetage war. Und solange diese Positionen nicht
neu besetzt waren, würde trotz eines fertigen Albums auch nichts
passieren. Mit „Trail of Tears“ wurde 1995 dennoch ein Song des Albums
bereits veröffentlicht. Und zwar als Soundtrack des US-Films „Die Sache
mit den Frauen“. Und mit „My Wonderful Friends” tauchte ein weiterer
Song, der woanders nicht veröffentlicht wurde, kurz im Zeichentrickfilm
“The Adventures of Mole” auf.

Es dauerte letztendlich bis 1996, bevor „Breathe“ veröffentlicht wurde.
Für die gleichnamige Single wurde in Südengland nahe des Westbury White
Horse, einem 1778 entstandenen Scharrbild, das entsprechende Video
gedreht. Auf Promotion-Auftritte und diverse One-Off- Gigs, insbesondere
in Osteuropa, gab es durchaus positive Resonanz. Nur in Großbritannien
nicht. In den fünf Jahren, die es bis zur Veröffentlichung dauerte,
hatte sich die Musikszene verändert. Brit-Pop mit Bands wie Blur oder
Oasis waren angesagt. Die Aufmerksamkeit für „Breathe“ hielt sich in
Grenzen, und so landete die Single für gerade mal eine Woche mit Platz
70 in den britischen Charts. Daran änderte auch die zweite Single „Guns
& Arrows“ nichts, die im November 1996 noch veröffentlicht wurde. Midge
war völlig desillusioniert und unfähig, sich weiter musikalisch kreativ
zu betätigen. Er sah seine Karriere am Boden zerstört.
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How Long Is A Swatch Minute? Wie lang diese ist, hängt laut des
Werbespots von der entsprechenden Situation ab. Doch zumindest kann
behauptet werden, dass für Midges letztes Album in Italien eine neue
Zeitrechnung begonnen hat. Decam, ein italienisches, auf Musik für
Werbespots spezialisiertes Unternehmen, mochte „Breathe“. Einige der
dort beschäftigten Mitarbeiter liebten diesen Song und fanden es nahezu
tragisch, dass ihn kaum jemand kannte. Sie warteten auf die passende
Gelegenheit und präsentierten ihn zusammen mit fünf anderen Songs als
potenzielle Untermalung einer neuen Werbekampagne des Schweizer
Uhren-Herstellers Swatch. Nicolas Hayek, Eigentümer des Unternehmens,
verliebte sich sofort in „Breathe“ und wollte diesen unbedingt für die
Werbekampagne haben.

Midge war zunächst skeptisch, weil es schließlich ein eigenständiger
Song war und nicht für eine Werbung geschrieben wurde. Er wollte sich
irgendwie nicht unter Wert verkaufen. Andererseits war er sich des
Wandels im Musikgeschäft bewusst und fragte sich, was er schon zu
verlieren habe. Nachdem er den Werbespot sah, stimmte er schließlich zu.
Große Hoffnungen machte er sich aber nicht, bis Heinz Henn ihn im Herbst
1997 anrief und darüber informierte, dass in Italien „etwas passiere“.
Bei den Radiosendern liefen die Telefone heiß, weil jeder wissen wollte,
was denn das für ein Song sei. Paradox, dass niemand die Antwort wusste,
obwohl das Album bereits seit zwei Jahren in deren Archiven stand.
Allerdings riefen wohl auch genug Hörer an, die den Song kannten und die
Unwissenden entsprechend ins Bild setzen konnten.

Die Ereignisse überschlugen sich, als „Breathe“ bis an die Spitze der
italienischen Charts stürmte. Eine Tour musste her. Über Josh Phillips,
mit dem Midge bereits früher arbeitete, und seiner neuen Tour-Managerin
Berenice Hardman ließ er eine Band zusammenstellen. Diese musste aber
besondere Fähigkeiten besitzen, da auch die keltisch anspruchsvollen
Stücke der „Breathe“ umgesetzt werden mussten. Neben Josh Philips selbst
bestand diese aus Russell Field (Drums), Dave Williamson (Bass) und Troy
Donockly, der neben der Gitarre auch die Palette irischer Instrumenten
abdeckte.

Gleich die erste Probe empfand Midge als derart atemberaubend, dass er
nach nur zwei Stunden die zuvor für ihn fremden Menschen bereits als
beste Freude ansah. So ging es durch Italien und Midge fühlte, wie das
Leben und der Spaß in den musikalischen Bereich seines Lebens
zurückkehrten. Und nicht nur das. Viel wichtiger war ihm, dass er mit
der Einschätzung seiner eigenen Fähigkeiten richtig lag. Er konnte noch
immer gute Musik schreiben. Und diese Bestätigung gab ihm das Gefühl von
Zufriedenheit und auch Genugtuung. Der Erfolg weitete sich aus und auch
in anderen Ländern ging es mit „Breathe“ weiter nach oben. Während das
Album in Deutschland im März 1998 bis auf Platz 63 stieg, ging es in der
Schweiz bis auf Platz 22 und in Österreich sogar bis auf Platz 10. Die
Single war hingegen erfolgreicher (D12, AT1, CH17). Und auch in anderen
Ländern Europas reichte es für gute Platzierungen in den jeweiligen
Charts.

Die große Ausnahme war erneut Großbritannien, weil dort der Werbespot
nicht allen Fernsehzuschauern zugänglich war. Außerdem weigerte sich die
dortige Vertretung der BMG, die Single erneut zu veröffentlichen. An den
Differenzen zwischen den Ländervertretungen hat sich nichts geändert und
obwohl der Erfolg des Songs offensichtlich war, ignorierten sie ihn
einfach. |
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Move
Me |
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Durch die ungeplante Tour 1998 mussten
die Arbeiten für das Folge-Album entsprechend nach hinten verschoben
werden. Mit „Move Me“ kehrte Midge Ure von seiner folkloristischen
Exkursion, auf die er sich mit „Breathe“ begeben hatte, stilistisch
wieder zu dem Sound zurück, den man vom ehemaligen Ultravox-Frontmann
kennt. Sein Anteil an den von ihm selbst eingespielten Passagen hat sich
entsprechend wieder vergrößert, wodurch er die Rolle des Zuschauers
abgibt und die Musik wieder wesentlich gitarrenorientierter ist.
Außerdem hat er den Synthesizer für sich wiederentdeckt, um mithilfe
neuer Technologien und Klangfarben die passende Atmosphäre zu schaffen.
Zwar klingt das Album völlig anders als „Breathe“, doch der prägende
Stempel Ures ist eindeutig, wobei „Move Me“ im Vergleich zu seinen
vorherigen Alben eine Spur mystischer und dunkler zu sein scheint. Die
Grundstimmung scheint irgendwo zwischen ernster Traurigkeit und
optimistischer Melancholie zu liegen. Dafür verantwortlich ist Midge
selbst, da er die Rolle des Produzenten wieder selbst ausfüllt und sich
hinsichtlich neuer Ideen sehr experimentierfreudig zeigt.

Seine Absicht lag darin, einen Unterschied zu seinen früheren Werken zu
erlangen. Auch auf die Gefahr hin, dass die Fans, welche erst aufgrund
der Single „Breathe“ und des entsprechenden Albums auf den Geschmack
gekommen sind, jetzt aufgrund des doch etwas anderen Sounds überrascht
gewesen sein dürften. Für die Fans allerdings, die Midge und seinen
musikalischen Werdegang schon länger verfolgten, war es lediglich eine
Rückkehr zur Normalität. Nach wie vor handeln seine Songs von dem, was
das Leben bietet. Seien es Bücher, TV-Sendungen, Nachrichten,
Erfahrungen oder Ereignisse. Es geht in erster Linie um das Auf und Ab
des Lebens. Das Album ist thematisch weit gefächert, aber durchaus mit
dem erforderlichen Roten Faden. Dabei sieht Midge den Vorgang des
Songwritings durchaus als eine Art von persönlicher Therapie, um sich
auf diese Art seine Ängste, Sorgen, Gedanken von der Seele zu schreiben.
Erfolg bedeutet dann für ihn, wenn er von seinen Fans |
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ein positives Feedback bekommt und diese sich inhaltlich mit
seinen Texten identifizieren können. Entsprechend sieht er seine
Vorgehensweise als harte Arbeit an.
Die Produktivität einiger Hitmaschinen, die nach einem Besuch der
Toilette nach fünf Minuten scheinbar mit einem halben Album
zurückkommen, hält er auf eine absurde Art für lächerlich. Sein Anspruch
an sich selbst ist auch ein völlig anderer. Denn er möchte nicht
versuchen, vielleicht einen interessante-ren Song als jemand anderes zu
schreiben. Er möchte es, ohne sich um des Erfolges Willen verbiegen zu
müssen, interessanter machen als das, was er selbst in der Vergangenheit
geschrieben hat. Es sollte mindestens gleichwertig, im Optimalfall aber
besser sein. Und darin liegt auch die Schwere der Arbeit. Es dauert
mitunter sehr lange, bis er mit etwas zufrieden ist und für
albumtauglich hält. Immerhin ist das Niederschreiben von Gefühlen und
Gedanken ein sehr persönlicher und intimer Akt, mit dem er sich
anschließend seinen Fans und der Öffentlichkeit präsentiert.

„Move Me“ als Song handelt davon, sich sowohl physisch als auch
psychisch zu bewegen, sich spirituell zu betätigen und sich von
Eindrücken und den entsprechenden Emotionen inspirieren zu lassen. „Alone“
klingt beim ersten Eindruck nach Selbstmitleid, was auch zutrifft, wenn
man sich nicht um Gesellschaft bemüht und sich somit selbst zur
Einsamkeit verurteilt. Ähnliches beinhaltet „Somebody“, der zum Ausdruck
bringen will, dass jeder Mensch eine Schulter zum Anlehnen braucht. Sei
es nun mental oder auch körperlich. Etwas drastischer ist da schon „Beneath
A Spielberg Sky“. Der Name des Regisseurs dient dabei als Metapher für
das ganz große Kino. Leuchtende Farben, tiefe Gefühle und beeindruckende
Bilder. Tatsächlich geht es dabei um Krieg und den Wandel der Zeit.
Alles wird realistischer und die Technik macht es möglich, über alles
informiert zu sein mit dem Empfinden, sich selbst mitten im Geschehen zu
befinden. Und sollte eines Tages die Welt für immer untergehen, erfährt
der Zuschauer alles aus erster Hand mit „Beneath A Spielberg Sky“. Die
Idee zum „Refugee Song“ entstand während Ures Aufenthalt im Kosovo, als
die Spuren des dortigen Bürgerkrieges bei ihm nachhaltigen Eindruck
hinterließen. Er versuchte sich in die Lage der Flüchtlinge zu versetzen
und zu verstehen, wie er mit dieser Situation umgehen würde. Das
instrumentale Stück „Monster“ war eigentlich für das Fernsehen gedacht
und eine Dokumentation über Frauen im Gefängnis. Doch als sich das Stück
aus einer Mischung zwischen Led Zeppelin und Fatboy Slim entwickelte,
entschied er sich anders und behielt es für sich, um es auf das Album zu
packen.

Nach Fertigstellung von „Move Me“ legte Midge sehr großen Wert darauf,
den Schwung des unverhofften Erfolges mit in die Zukunft zu nehmen. Er
hatte dafür gesorgt, dass die Konzerte der Tour mitgeschnitten wurden
und bot der BMG in Form von Firmenchef Rudi Gassner kostenfrei an, die
fertig abgemischte Aufnahmen zur Veröffentlichung eines Live-Albums als
Überbrückung bis zum neuem Album zu verwenden. Doch der lehnte ab, weil
das nächste Album von Midge Ure seiner Meinung nach kein Live-Album sein
sollte.
Als „Move Me“ Ende 1999 fast fertig war, gab es noch immer keine
Veröffentlichung. Und das Schicksal meinte es mal wieder nicht gut mit
Midge. Gassner starb kurz vor Weihnachten unerwartet beim Jogging. Schon
tragisch genug, war Gassner einer der letzten Fürsprecher bei BMG
International, die er noch hatte. Als kurz danach auch Heinz Henn noch
das Unternehmen verließ, hatte er in der Österreicherin Gaby Sappington
nur noch eine Verbündete. Sie setzte sich dafür ein, das Midge zumindest
bei BMG Entertainment unterkam.

Midge unternahm selbst etwas in Sachen Promotion und bekam auch durchaus
positive Resonanz. Doch sein Album erschien wieder mal zum falschen
Zeitpunkt und versank ohne Promotion jenseits der öffentlichen
Wahrnehmung in der Versenkung. Weder das Album noch die Singles „You
Move Me“ sowie „Beneath A Spielberg Sky“ schafften es in die Charts.
Selbst Videos, die er selbst produzierte und seinem Label zur Verfügung
stellte, konnten nicht verhindern, sich neuerlich damit abfinden zu
müssen, sein Ziel verfehlt zu haben. Dabei war er nach wie vor fest
davon überzeugt, weitere Hits schreiben zu können. Er muss nur für den
richtigen Song den optimalen Zeitpunkt der Veröffentlichung finden. So
wie es bei „Vienna“ und „If I Was“ passierte. Doch mittlerweile wurde
ihm mehr und mehr bewusst, dass er auch ein ganz anderes Probleme zu
lösen hatte: Die Überwindung seiner Alkoholsucht. Schon mit „Let Me Go“
deutete er auf dem Album an, welche Dämonen er zu bekämpfen hatte. In
einem Interview zum neuen Album meinte Midge, dass er sich für die
Zukunft einen guten Verkauf der „Move Me“ wünsche und dass es nicht
wieder sechs Jahre bis zum nächsten Album dauern würde. Zu diesem
Zeitpunkt konnte er nicht ahnen, dass keiner seiner Wünsche in Erfüllung
gehen würde. |
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TEN
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2008 erfüllte sich Midge einen anderen langersehnten Traum, als er „Ten“ aufnahm. Schon
seit Jahren sprach er davon, eine Compilation mit Coversongs zu
veröffentlichen. Dabei handelt es sich um Songs, die ihm persönlich viel
bedeuten und die ihn musikalisch geprägt haben. Für ihn ist es eine
Reise in seine eigene Vergangenheit, und jeder der Songs hat für ihn
eine ganz besondere Bedeutung. Hierzu Midge selbst zu seinen Tracks:

ALFIE: War der Soundtrack zum Familienurlaub in Largs am Fluss Clyde.
Obwohl es nur dreissig Meilen von unserem Heimatort entfernt war, war es
der Himmel für mich. In der frühen Morgensonne spazieren mit diesem Lied
in der Luft, das aus tausend Radios schallte. Ich hatte die Version von
Dion Warwick noch nicht gehört, denn die von Cilla Black war im
Vereinten Königreich ein Hit. Die brillante Melodie und die Produktion
von George Martin war alles, was man brauchte, damit Familienurlaube
märchenhaft wurden.

MAN OF THE WORLD: Irgendetwas passierte, was ich immer noch nicht
erklären kann, mit Gitarristen und Gitarren-Sounds in der Mitte der 60er
Jahre. Anscheinend gab es eine Entwicklung vom besonders makellosen Hank
Marvin zu schmutzigem, sexy, bluesigem Zeug von Leuten wie Clapton,
Hendrix und dem Mann, der das hier sang, Peter Green. Ich zähle dies
immer noch zu einem der schönsten Lieder, das jemals geschrieben wurde. |
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GOODBYE TO LOVE: Als ich in Glasgow lebte, hatte ich das unglaubliche
Glück, dass mein Management das Apollo erwarb und betrieb, so dass es
mir möglich war, jede Show zu besuchen, die sie durchführten. Ich sah
sie alle, von Led Zeppelin bis Emmylou Harris, Black Sabbath bis The
Carpenters. Dieses Stück war ein außergewöhnlicher Moment in deren
Konzert, und trotz ihres uncoolen Durchschnitts-Images haben sie ein
paar phänomenale Stücke geschrieben und aufgenommen.

DAY AFTER DAY: Badfinger wurden in den frühen 70ern angekündigt als die
‚neuen’ Beatles, was wohl für jede Band das Todesurteil bedeutet und
fast unmöglich ist, diese Erwartung zu erfüllen. Trotzdem lieferten die
beiden Songschreiber einige der unvergesslichsten Lieder, die jemals
geschrieben wurden. „Day After Day“ ist in jeder Hinsicht ein
großartiges Lied. Leider lebten die Jungs nicht lang genug, um den
Beifall zu bekommen, den sie so sehr verdient hätten.

LET THE HEARTACHES BEGIN: Ich hatte diese Platte von meinen Tanten als
Weihnachtsgeschenk bekommen. Es war die Zeit, in der die Menschen alles
kauften, was Nummer 1 war, egal ob Du es mochtest oder nicht.
Glücklicherweise war dies etwas, was ich mochte.

MY MINDS EYE: Die Small Faces waren ohne Zweifel meine Lieblingsband als
junger Teenager. Sie hatten alles, was eine Band haben sollte:
Charakter, Stil und großartige Songscheiber wie Steve Marriott und Ronny
Lane. Zu der Zeit hielt ich „My Minds Eye“ nur für einen einfachen
Popsong, aber über die Jahre hallte es viel tiefer nach, als ich es mir
jemals ausgemalt hatte.

SONG FOR WHILE I‘M AWAY: Phillip Lynott war ein Poet, ein großartiger
Songschreiber, der ultimative Rockstar und ein Freund. Als ich Thin
Lizzy das erste Mal sah, spielten sie in einem winzigen Club in Glasgow,
aber sie waren wie Dynamit, was nur darauf wartete, zu explodieren. Sie
kombinierten Kraft mit Melodie, Romantik und Rock. ‚Song For While I’m
Away’ ist aus diesen frühen Jahren, als der Poet noch wuchs und bevor
der Rockstar übernahm. Die sensible Seite eines Vagabunden.

NEVERMORE: Freddie Mercury hatte nicht nur eine großartige
Bühnenpräsenz, er war auch ein besonderer Songschreiber. Ich hörte Queen
zum erstem Mal im Radio mit ‚Seven Seas Of Rye’ und der Sound und die
Produktion hatten mich umgehauen. Sie klangen anders als alles, was ich
bislang jemals mochte. ‚Nevermore’ tauchte auf dem zweiten Album der
Band ‚Queen 2’ auf und hatte bereits nach wenigen Sekunden Eindruck bei
mir gemacht. Das gesamte Album erinnerte an Tolkin und ich versuchte,
diesem Thema auch bei meiner Version gerecht zu werden.

TO SIR WITH LOVE: Obwohl dieses Stück von einer weiblichen Studentin an
einen männlichen Lehrer gerichtet ist, wollte ich es auf „Ten“ haben. Es
hat so eine großartige Lyrik und beneidenswerte Melodie. Im Original von
Lulu aus Glasgow aufgenommen und hier von einem anderen ruhmreichen
Sprössling der Stadt.

LADY STARDUST: Wenn ich jemals meine CD für eine einsame Insel aussuchen
müsste, glaube ich, dass das Ziggy Stardust-Album allem anderen um
Längen voraus sein würde. Ich denke, dieses Album war für so viele
Veränderungen in meiner Generation auf so vielen verschiedenen Ebenen
verantwortlich. Musikalisch und modisch. Damals kamen Lieder und
Symbolik zusammen und zeigten den Weg, dem alle folgten. Es besteht kein
Zweifel, dass ohne dieses Album die Welt ein wesentlich weniger
interessanter Platz wäre. ‚Lady Stardust’ sagt alles.
Bei den Fans schieden sich an „Ten“ jedoch die Geister. Die Umsetzung
trifft nicht den musikalischen Nerv eines jeden Fans, was nicht
zwangsläufig etwas mit der Auswahl der Songs zu tun hat. Natürlich hat
sich jeder, der sich Fan von Midge Ure nennt, das Album zugelegt. Doch
möglicherweise befindet es sich hier und da nur der Vollständigkeit
halber im CD-Regal. Ein paar Rezensionen:

„Bei vielen Menschen gehört der eine oder andere Midge Ure Song zum
Soundtrack ihres Lebens. Sei es nun der Solo-Hit ‚If I Was’, einer der
unzähligen Hits von Ultravox wie z.B. ‚Dancing With Tears In My Eyes“,
Hymn’, ‚Vienna’ oder auch das ewig junge ‚Fade To Grey’ von Visage. Mit
seinem neuen Album ‚Ten’ legt Midge Ure nun den Soundtrack seines Lebens
vor. Zehn Songperlen, die es wahrlich verdienen, im neuen Gewand
präsentiert zu werden. ‚Ich bin gespannt, ob die Hörer die große
Qualität der Orginal-Songs heraushören“, sagt Midge Ure zu seiner
Songauswahl. Es sind beim ersten Hören sicher ungewohnte Töne vom
ehemaligen Ultravox-Sänger. Wenn man aber auf die Texte achtet und die
Musik dann auf sich wirken lässt, spürt man die Klasse der Songs. Midge
covert keine Verkaufsklassiker, sondern Songs, die zum großen Teil zu
ihrer Zeit untergingen. Queen’s ‚Nevermore’ z.B., angereichert mit einer
Prise ‚Herr der Ringe’, oder auch ‚Day After Day’ von Badfinger. Beide
Songs haben auch heute noch das Potenzial zum Radio-Hit. Dafür antreten
wird aber zunächst ‚To Sir With Love’, im Orginal von Lulu. Einige der
Songs hat Midge schon über Jahre live gespielt, so z.B. ‚My Mind‘s Eye’
von den Small Faces, ‚Song For While I‘m Away’ von Phil Lynott oder den
Peter Greens Klassiker ‚Man Of The World’. Midge Ure hatte schon nach
dem Erfolg seines ersten Coversongs ‚No Regrets’ 1982 ein Cover-Album
angekündigt. Erst jetzt legt er es uns vor. Das Warten hat sich
definitiv gelohnt.“

„So sehr seine Musik in der Vergangenheit - zu Zeiten von Ultravox und ‚The
Gift’ - vor eingängigen Innovationen strotzte, so sehr mangelt es diesem
Album an fast allem, was Midge Ure in den letzten ca. dreissig Jahren zu
einem überragenden Pop-Musiker machte. Es ist nett anzuhören, weil die
Lieder gut ausgewählt wurden und Midge sie singt und sie melodisch
arrangiert hat - aber ohne Biss. ‚Let The Heartaches Begin“ ist für mich
die einzige Ausnahme - mit Hingabe gesungen und mit typischem
Midge-Gesang. Diese kraftvolle Stimme fehlt mir bei ‚Alfie’ und ‚Goodbye
To Love’ total - was hätte er in früheren Zeiten daraus gemacht!
Ruhiger, gefühlvoller Einstieg, ansteigende Dramatik, Crescendo! Auf
dieser Scheibe reicht es nur für den Chill-Out! ‚Nevermore’ - toll
ausgewählt, aber das Falsett geht in die Hose. Trotz meiner Enttäuschung
bin ich froh über dieses Album, da jede Platte von Midge für mich ein
Highlight darstellt, auch wenn er nur 50% seiner Leistung bringt.“

„Nachdem ca. acht Jahre seit seiner letzten CD ‚Move Me’ vergangen sind,
habe ich mir sofort am 10. Oktober 2008 (Midge`s Geburtstag) sein neues
Werk ‚Ten’ zugelegt und bin enttäuscht. Mir war durchaus bekannt, dass
es sich hier ausschließlich um Coverversionen handelt, aber Midge hat in
der guten alten Vergangenheit öfter bewiesen, dass er zu guten
Coversongs fähig ist, z.B. ‚No Regrets’ oder ‚The Man Who Sold The
World’. Seine zehn Songs gestalten sich jedoch sehr langweilig und
monoton. Seine Stimme ist oftmals nicht zu erkennen. Besonders scheitert
er an dem Queen-Song ‚Nevermore’. Die beiden Titel ‚Goodbye To Love’ und
‚Let The Heartaches Begin’ erinnern an alte Qualitäten, der Rest ist
belanglos. Schade, da er mit ‚Personal Heaven’ in 2008 bereits einen
schönen Ansatz hatte. Das Ganze ist nicht ganz verständlich. Und sehr
schade.“
„Die Songs auf ‚Ten’ wurden im Winter 2007/2008 in Kanada aufgenommen
und klingen leider auch so, als wären sie fern jeder Zivilisation in
einer verschneiten Berghütte aus reiner Langeweile heraus entstanden.
Entsprechend verschnarcht kommen die zumeist in akustischen Gewändern
gehaltenen Interpretationen daher. Mit Midge Ures Wave-Pop-Vergangenheit
hat dieses Album jedenfalls rein gar nichts zu tun, was auch nicht
zwingend erwartet wird. Nichtsdestotrotz erinnern Songs wie ‚Alfie’ oder
‚Nevermore’ mehr an einen musikalischen Altherrenabend als an
ambitionierte Singer/Songwriter-Kost. Dennoch muss man Midge Ure
zugutehalten, dass er sich nicht wie die meisten anderen an bekannte
Verkaufsschlager herangemacht und die Originalversionen komplett
auseinandergenommen und auf ungewohnte Weise wieder zusammengesetzt hat.
Das verdient Respekt. Dass das Ergebnis am Ende trotzdem etwas dröge
klingt, ist deshalb besonders schade.“ |
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Fragile
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Vierzehn Jahre benötigte Midge Ure, um
nach „Move Me“ (2000) ein neues Solo-Album („Little Orphans“ und „Ten“
unberücksichtigt) zu veröffentlichen. Immer wieder hat er seitdem
betont, dass die Zeit für ein neues Album gekommen sei. Doch erst 2014
wurde die Absicht auch in die Tat umgesetzt. Scheinbar unter dem Mantel
der Verschwiegenheit wurde „Fragile“ aufgenommen. Etwas überraschend,
denn die Fans rechneten eigentlich eher damit, dass es ein weiteres
Album von Ultravox geben würde.

Hypertension zum neuen Album:
“Fragile ist das erste, brandneue Studio-Album des Grammy- und Brit
Award Gewinners Midge Ure seit zehn Jahren. ‘I have recorded various
things over that period’ sagt Ure. ‘A covers album of favourite songs, a
few live CD‘s and of course the latest Ultravox album Brilliant, so I
haven‘t been slacking. I just never felt the need to write and release
an album just for the sake of it’. Fragile ist eine kongeniale
Kombination der musikalischen Einflüsse aus dem Leben eines
Musikveteranen und präsentiert Elemente Ures musikalischer Reise in
seiner vollendeten Gitarrenarbeit (Rich Kids, Thin Lizzy) und der
Elektronik-und Technologiephase, die er seit den späten 1970er Jahren
(Visage, Ultravox) nutzt. Diese Elemente verbinden und verschmelzen mit
Leichtigkeit dank seiner produktions- und soundtechnischen Kompetenz.

‚Fragile‘ ist im wahrsten Sinne des Wortes ein ‚Solo-album‘. Midge hat
die Songs geschrieben, arrangiert und spielte fast alles selber in
seinem Studio in Bath, England ein. Ein Album voll wunderbar
produzierter, atmosphärischer Songs eines großartig, talentierten
Songwriters. Er spannt den Bogen von ‚Become‘ und ‚Dark Dark Night‘, die
aus der Zusammenarbeit mit dem Musikerfreund Moby stammen, und die
zeigen, dass seine Elektro-Wuzeln mehr als nur eine vorübergehende Phase
waren, zu dem berauschenden und an Kinosoundkulissen erinnernden Song
‚Fragile‘, der als ‚moderner Prog-Rock‘ bezeichnet werden kann. Auf
Fragile sitzen Elektro- und Prog-Rock Songs bequem zusammen und ergänzen
sich in dem einmaligen Spätwerk des Ultravox Masterminds.“
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Was sofort auffällt: Unter den ersten vier Songs befinden sich sogleich
drei Songs, welche zumindest den Fans von Midge Ure bereits bekannt sein
dürften. „I Survived“ spielte Ure schon auf einen seinen
Out-Alone-Touren. Allerdings nur mit Gitarre, weshalb der Song als
Studio-Version mit nichts verglichen werden kann. Was aber auffällt: Der
Gesang ist sehr hoch, wie es Ure sehr gerne in den letzten Jahren
gemacht hat. Auch auf dem letzten Album von Ultravox. Vielleicht ist es
daher kein Zufall, dass die musikalische Umsetzung sich von der Stimmung
her der „Ten“ annähert und auch gewisse Parallelen zu „Contact“
bestehen. Von „Become“ und „Let It Rise“ hingegen existieren bereits
Studioversionen. Und von „Let It Rise“, aufgenommen mit Schiller alias
Christopher von Deylen, sogar eine Live-Version. Den Song ohne Schiller,
bekannt für seine atmosphärischen und emotionalen Soundflächen, neu
aufzunehmen, beinhaltet schon ein gewisses Risiko. Zumal Ure selbst die
Version von Schiller schon als extrem gelungen einstuft. Auf die Idee,
den Song alleine nochmals neu aufzunehmen, ist er während seiner
Solo-Tour gekommen, als er ihn nur auf der Gitarre ohne die ganzen
Synthesizer spielte. Viele Zuschauer fragten sich da, was das denn
überhaupt für ein Stück sei. Fans, die ihn natürlich kannten, waren von
der einfachen Interpretation begeistert. So sah Ure die Zeit als
gekommen, seine eigene Interpretation des Songs aufzunehmen. Vielleicht
ist diese Version eine Spur weniger spektakulär als das Original. Aber
auf seine eigene Art transportiert er dennoch genau diese tragische
Melancholie, für die der Song steht.

Etwas anders verhält es sich mit „Become“, der bereits im Rahmen der
Nachwuchsförderung Tunited aufgenommen, aber nicht veröffentlich wurde.
Eine eingängige Pop-Uptempo-Nummer, die in dieser Version ein
musikalisches Facelift erhalten hat und durch zusätzliche Gesangslinien
wesentlich reifer klingt. Ein Song, der sich durchaus in den Charts
durchsetzen könnte. Dass er allerdings schon über ein Jahrzehnt alt ist
und Midge es nie geschafft hat, diesen Song schon früher zu
veröffentlichen, verrät er ebenfalls in einer seiner Videobotschaften. „Become“
steht in seiner Entwicklung dafür, dass er seit der „Move Me“ Zweifel
daran hatte, ob überhaupt jemand noch Interesse an neunen Songs von ihm
haben würde. Immer wieder bastelte er an dem Stück herum und probierte
unterschiedliche Dinge aus, die ihm gefielen und dann wieder nicht. Ganz
am Ende ist „Become“ für Ure die Rückkehr zu der Zeit Anfang der
Achtziger, als er mit Visage in Sachen Synthesizer Maßstäbe setzte und
bei Ultravox diesem Sound noch seine Gitarre hinzufügte. Das Quartett
der ersten Songs vervollständigt „Are We Connected“. Wer versucht, etwas
Vergleichbares in Ures Historie zu finden, wird möglicherweise
scheitern. „Are We Connected“ würde vermutlich auf keines seiner
vorherigen Alben passen. Eine groovender Bass, unter die Haut gehende
Harmonien und eine Stimme, die den Hörer im wahrsten Sinne des Wortes
‚erreicht‘. Ure selbst sieht darin die Fortsetzung von „Contact“, dem
letzten Stück der „Brilliant“. Die Menschen leben in einer Welt mit
allen Möglichkeiten der Kommunikation. Aber sie kommunizieren nicht
wirklich miteinander. Sie sind immer noch getrennt durch Hautfarbe,
Rasse, Religion und durch Grenzen, die durch kleine Linien auf einer
Landkarte festgelegt werden. Statt sich gegenseitig zu bekriegen, sollte
miteinander gesprochen werden.

„Star Crossed“ hingegen würde jeder Fan sofort als Werk von Midge Ure
erkennen. Die Gitarre verrät sofort den Komponisten und gemeinsam mit
der Stimme könnte der Song - und das eine Tatsache und keine Kritik -
der bisher unveröffentlichte Bonus-Track der „Move Me“ sein.

Mit dem Instrumentalstück „Wire And Wood“ (in Anlehnung an den Draht der
Gitarrensaiten und das Holz des Gitarrenkorpus) beginnt die zweite
Hälfte des Albums. Midge Ure war schon immer bekannt dafür, dass er
gerne Instrumentalstücke schreibt, womit er auch die Frage beantwortet,
ob ihm die Texte ausgegangen seien. Schon auf „The Gift“ hat das mit
Stücken wie „Antilles“, „Edo“ oder auch „The Chieftain“ hervorragend
funktioniert. Und mit „Wire And Wood“ scheint sich der Kreis hin „zurück
zu den Anfängen“ zu schließen, weil er sich aufgrund seiner orchestralen
Umsetzung eben diesen Klassikern annähert ohne Gefahr zu laufen, als
Kopie bezeichnet werden zu müssen. Der Song überzeugt durch schöne
Melodien und sorgt unbestreitbar für emotionale Momente.

„Dark Dark Night“ entspricht von der Stimmung her dem Titel und könnte
der musikalische Bruder von „Are We Connected“ sein. Ein eher
melancholischer Song, bei dem aber eher der Drum-Beat den Parts des
Grooves übernimmt. Dazu wieder eine leichte und leicht rauchige Stimme
im tieferen Bereich. Entstanden ist er durch die Anfrage von Moby, ob
Midge mit ihm nicht eine Zusammenarbeit starten wolle. Der stimmte zu,
Moby schickte ihm einige Keyboard-Spuren via Mail zu und Midge fügte
seine Parts ein. Allerdings brauchte er zur Fertigstellung des einen
Songs so lange, dass Moby zwischenzeitlich ein ganzes Album
veröffentlichte. So taucht der Song letztendlich nicht auf Mobys,
sondern auf Ures Album auf.

Auch „For All You Know“ ist ein sehr ruhiges Stück und erinnert ein
wenig an „Tor“, dem Bonus-Track der Single „Fields Of Fire“. Mit
einfachen Mittel wie Drum-Loop und Bass zusammen mit der Klarheit seiner
Stimme und einer unter die Haut gehenden Melodie schafft es Ure wie kein
anderer, die Gefühle des Hörers zu erreichen und Bilder zu erschaffen,
die ihn Jenseits vom Alltag durch die Fantasie der Gedanken reisen
lassen. „Bridges“ ist der zweite Instrumentalsong auf „Fragile“.
Wesentlich gitarrenorientierter könnte er auch zur Zeit der „Answers To
Nothing“ entstanden sein. Eine kurze Passage zumindest erinnert durchaus
an „Homeland“. Den Abschluss des Albums bildet der Titelsong „Fragile“.
Wie überhaupt das ganze Album, auch ein sehr ruhiger, aber auch
eingängiger Song mit dem typischen Sound von Ures Gitarre. Dabei soll
der Titel wohl genau das ausdrücken, was der Mensch mit seinen
Hoffnungen, Erwartungen und Ängsten ist: Zerbrechlich. |
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