James bzw. Jim, wie er als Kind allgemein genannt wurde, hat einen älteren Bruder namens Bobby und eine jüngere Schwester namens Linda. Ure ist ein schottischer Name mit dem gemeinsamen Hintergrund der Campbell Familie. Midge dazu: „Die Ures sind von den Campbells, eben diejenigen, die vor ein paar hundert Jahren die MacDonalds besiegten.“ Midge wuchs in einer protestantischen Familie auf, wo die Bedeutung des Abstandes zu den Katholiken, die in der Nachbarschaft wohnten, strikt eingehalten wurde. Sein Vater war (natürlich) ein Fan der Glasgow Rangers und als er einen Plattenspieler kaufte, investierte er hauptsächlich in Rangers Songs, um sie darauf zu spielen. Midge Ure: „Dad kaufte alle Rangers Songs und spielte sie die ganze Zeit.“

Eine größere musikalische Inspiration war für den dreijährigen Midge, Radio Luxemburg zu hören. Begeistert hörte er „Sleepwalk“ von Santo & Johnny. Die erste Single, die sich Midge von seinem eigenem Geld kaufte, war „My Mind Eye“ von The Small Faces (1966).

Sein Vater verdiente durchschnittlich. Seine Mutter arbeitete halbtags in der Hoover-Staubsauger- Fabrik. Dennoch sorgten sie dafür, dass es Ihren Kindern an nichts fehlte. Auch nicht, als sie eine gebrauchte Gitarre für Midge kaufen wollten und dafür einige Monate sparen mussten. Zu Hause gab es zu wenig Platz für Midge, als dass er mit seiner Gitarre üben konnte. So ging er immer zu seiner Großmutter, die am Ende des benachbarten Blocks wohnte. Seine ersten drei Akkorde brachte ihm ein dort wohnender Pfadfinder bei, bis Midge soweit war und sich alles weitere selbst beibrachte.

Als Midge zehn Jahre alt war, verbesserte sich die Situation. Der Vater konnte es sich leisten, ein Auto zu kaufen und die Familie zog in ein neues Stadthaus in Buckingham Drive 9, welches ein wenig näher am Zentrum von Glasgow als Cambuslang lag. „Es war magisch für uns. Alles war neu mit einer richtigen Küche, in der wir uns hinsetzen und unser Abendessen zusammen einnehmen konnten“ so Midge. „Wir hatten drei Schlafzimmer und - das Beste - Toilette und Bad in der Wohnung“.

 


ERSTE MUSIKALISCHE SCHRITTE

Als Midge zehn Jahre alt war, verbesserte sich die Situation. Der Vater konnte es sich leisten, ein Auto zu kaufen und die Familie zog in ein neues Stadthaus in Buckingham Drive 9, welches ein wenig näher an das Zentrum von Glasgow als Cambuslang lag. Midge Ure: „.Es war magisch für uns, alles war neu, eine richtige Küche, wo wir uns hinsetzen und unser Abendessen zusammen einnehmen konnten. Wir hatten drei Schlafzimmer, und – das Beste - eine Toilette und ein Bad in der Wohnung“. Als 11-jähriger fing Midge an, in Clubs zu gehen, wo er er die Chance bekam, Gitarre zu üben. Hier traf er Jim Potter, der ein enger Freund von ihm war und das nicht nur musikalisch. Sie sahen sich als die nächsten McCartney´s / Lennon´s. Die Beatles waren für beide große Vorbilder – nicht nur im musikalischen Sinne, sondern auch wegen ihres Images und mit ihren aufregenden Kostümen. Midge Ure: „Musik ist mit der Mode Hand in Hand gegangen seit es die Beatles gab.“ Auch Midge´s großer Bruder Bobby war ein guter Freund für ihn. Nicht zuletzt, weil er und sein Talent für Karate ständig Midge aus der Patsche half, sobald er in Schwierigkeiten geriet. Es war auch Bobby, der Midge eine Sängerin in einer Band anbot, anstatt „nur“ Gitarre zu spielen. Als 14-jähriger waren es Eric Clapton, John Mayall und Peter Green, die den jungen Midge inspirierten. Zu dieser Zeit trat er mit seiner ersten Band (ohne Namen) auf. Zusammen mit den Brüdern an und Frazer Gordon. Midge kaufte sich auch seine erste elektrische Gitarre, eine 1960 Stratocaster. Die nächste Band in der Midge spielte nannte Stumble. Der Name wurde von einem John Mayall Song inspiriert. Midge Ure: „Wir spelten nur Blues Nummern und zwei aktuelle Pop-Songs.“ Die Band wurde 1969 gegründet bestand aus Gordon Appacellie - Gesang, Alan Wright - Gitarre, Alec Baird - Schlagzeug, Kenny Irland - Bass und Fraser Spiers - Harfe! Stumble spielte in einer Gegend von Glasgow, die sehr häufig mit einer deprimierenden Erfahrung endete. Gewalt herrschte an eben diesen Plätzen, wo sie auftraten. Jugendbanden, bewaffnet mit Messern, Rasierklingen und Hämmern, schlugen sich gegenseitig.

Midge errinert sich: „Ich stand auf der Bühne und spielte quasi den Soundtrack zu zwei Kämpfen. Die goldene Regel war, nie aufhören zu spielen, egal was passiert.“ Stumble wurde 1971 aufgelöst. Anschließend besuchte Midge die Cambuslang Primary School. Ironischerweise, aufgrund seines zunehmenden Interesses an der Musik, hielt er sich nicht lange mit den Hausaufgaben auf, sondern zeichnete Gitarre oder Verstärker in die ihm vorliegenden Schulbücher. Dies führte schon mal dazu, dass er vom Lehrer eine hinter die Löffel bekam. Später wechselte er an die School of Fine Arts Rutherglen Academy, die auch sein Bruder Bobby besuchte. Midge konnte an der Schule angenommen werden, da sein IQ-Test sehr gut ausfiel. Nach Beendigung der Rutherglen Schule hatte Midge das Glück, einen Job bei den National Engineering Laboratories in East Kilbride zu bekommen. Es gab 500 Bewerber für gerade mal 10 gut bezahlte Jobs. Midge Ure: „Es war einer der besten Jobs, die ich möglicherweise bekommen hatte, direkt am oberen Ende der Arbeiterklasse. Aber irgendwann schließlich würde ich bequem werden mir ein kleines Haus leisten und eine Familie, außer, was ich wirklich wollte: „Musiker werden.“ Midge bekam die Chance, bald von der Musik leben zu können. Als er im Jahr 1972, 18 Jahre alt war, trat er der damals beliebten schottischen Band Salvation bei. Salvation hatte sich ein Jahr zuvor gebildet und galt alsbald als eine Art Super-Scottish-Group, die vom ihrem charismatischen Sänger Kevin McGinlay angeführt wurde.

Zu der Zeit wurden sie von den Fans wie die andere schottischen Band z.B. Nazareth, anerkannt. Im Jahr 1972 gab es einige, die entschieden die Band zu verlassen, so dass die Band einen neuen Keyboarder, Schlagzeuger und einen Gitarristen benötigte. Midge bekam ein Angebot, der Band als Gitarrist März 1972 beizutreten, denn es wurde ihm versprochen, einige Wochen gute Gage zu bekommen, was Midge fantastisch fand. Entgegen der elterlichen Enttäuschung beschloss er, die Arbeit im Labor zu kündigen und Vollzeit-Musiker zu werden. Auch Schlagzeuger Kenny Hyslop und Keyboarder Billy McIsaac traten 1972 Salvation bei. Kenny Hyslop und Midge freundeten sich schnell an, nicht zuletzt wegen ihres Geschmackes, was cool als Klamotten zu tragen ist . Midge Ure: „Als ich zum ersten Mal Kenny traf und wir beide Cowboy- Shirts und diverse Anstecknadeln trugen, dachte ich, das ist es; er ist mein Seelenverwandter“.

 

 

WIE AUS JAMES/JIM DANN MIDGE WURDE


Kevin McGinlay war der Sänger und Gitarrist: „Ich war nicht daran interessiert, Gitarre zu spielen“. Bereits beim Vorsprechen mit Midge war klar, dass er ihn von Stumble nehmen wollte. Bruder Kevin spielte Bass in der Band und rief immer Jim zu seinem Bruder. Tatsache war, dass die Band nicht daran interessiert war, mit zwei Jim‘s, zu spielen. So hat man gleich bei der ersten Probe klar gemacht, das es nur einen Platz für einen Jim in der Band gab und der hieß Jim McGinlay. Er schlug vor, statt dass sie den Namen Jim nehmen und diesen rückwärts zu schreiben. So war es Mij und Mij wurde auch „Mücke“ ausgesprochen. Von da an war der „neue“ Name perfekt. Midge Ure. Da Midge auch das Wort für Mücke ist, so Midge Ure, passte dieser „Spitzname“ auch auf seine 1,69 cm Körpergrösse und dem Umstand, dass er seinerzeit der jüngste in der Band war. Leider sind die Dinge nicht so gelaufen wie, Midge es sich gedacht hatte, als er noch Mitglied bei Salvation war. Erstens bekam er nicht das Gehalt, was man ihm versprochen hatte; zudem war es ziemlich schwer, Gigs außerhalb des ländlichen Schottlands zu finden. Ihr Agent hatte zwar Verbindungen nach England, doch in der Metropole Glasgow fehlten geeignete Konzerthallen. Burns Howf and Electric Garden gehörten zu den wenigen, die geeignet waren. Midge Ure: „Wir waren am Ende der Nahrungskette, keiner von uns hatte Lohn für eine längere Zeit .“ Es gab auch keine Plattenfirma in Schottland, die die viel versprechenden Bands aufnehmen und ihnen einen Vertrag geben würden. Viele gingen nach Süden bis London, ohne Erfolg. Erst nachdem die Bay City Rollers Erfolg hatte, richteten die Londoner Plattenfirmen ihre Augen gen Norden, nach Schottland. Nach sechs Monaten, entschied man sich, den Namen zu ändern. Es war der Manager der Band Max Langdon, der indirekt mit dem Namen kam. Er würde der Band einen Kredit für die neuen Songs, die sie aufgenommen hatten, geben. Midge Ure. „Wir dachten an, Slick‘, nahmen das ‚C‘ raus, und hatte einen neuen Namen“.

Das erste Konzert fand am 23. Dezember 1974 im Glasgower Apollo statt, mit neuen Bandnamen. Midge und Kenny wollten das Image der Band etwas ändern. Langes Haar war out, und inspiriert durch den Film „Dirty Harry“ beschlossen sie, den gleichen Haarschnitt wie Clint Eastwood zu tragen. In London war es zu dieser Zeit populär sich zu kleiden, alles was damals in den „second hand“ Läden zu finden war und Stil hatte. Inspiriert von einem Glasgower Geschäft, weches Baseball-Kleidung aus den 50er Jahren verkaufte, wurde die Grundlage für das neu Outfit für „Slik“ Dies war in Midge‘s Augen „Teeniebob“, was an die Bay City Rollers erinnerte - eine Band, die in all den Jahren von Midge als Scherz angesehen wurde. Midge Ure: „Für jeden, der auf dieser Rennstrecke fährt, war es ein Witz“. Eines Tages als Midge mit dem Auto unterwegs war und den Band Transit des berühmten Bassisten Phil Lynott sah, hielt er den Wagen an und Midge kam mit Phil ins Gespräch. Midge war ein Fan von Lynott und Lizzy und seiner ehemaligen Band Skid Row. Die beiden verstanden sich auf Anhieb. So lud Midge Phil nach Hause zu seinen Eltern ein und beide nahmen einen Bissen. Dabei bekam Midge die Chance, etwas Gitarre mit ihm zu spielen, worauf er sehr stolz war. Midge und Lynott blieben all die Jahre weiter in Kontakt, worauf eine Freundschaft folgte, welche sich für beide als wertvoll erweisen sollte. Dem Teenpop überdrüssig schloss er sich dem Ex- Pistols Bassisten Glen Matlock an und spielte als dann bei den Rich Kids. Dort sammelte er auch die ersten Erfahrungen mit Synthesizern. Als Midge nach nur einem Jahr die Kids wieder verließ widmete er sich mit Rusty Egan der elektronischen Popmusik. Neben den nicht mehr genutzen Studiozeiten bei den Rich Kids, nahmen beide den alten Song „In The Year 2525“ von Zager & Evans auf, der später auch im Repertoire einiger Visage Tonträger Platz fand. Der Auftakt zu einer unverwechselbaren Kariere begann. Dies begünstigte auch seine engen Freundschaften zu diversen Musikern, die ihn als einen aussergewöhlichen Musiker schätzten und ihn gerne mit in ihre Musik intergrierten.

 

So sprang er im Sommer 1979 auf Bitte seines Freundes Phil Lynott bei einer USA-Tournee und einigen Gigs in Asien für den ausgestiegenen Gary Moore ein. Midge schrieb selbst einige Titel für Thin Lizzy und wohl das bekannteste „Yellow Perl“ welches er mit Phil Lynott aufnahm. Rusty Egan war als Drummer mit von der Partie; und der Song wurde zum Hit und diente jahrelang als Titelstück für die bekannte UK- TV Sendung „Top of The Pops“. 1978 gründete er zusammen mit Rusty Egan und Steve Strange die New-Romantic- Band Visage. Eine reine Studioband, die die neue New Romantic Welle und ihre Clubs mit tanzbaren Elektroklängen einheizten. Selbst Halbgott David Bowie war so angetan, dass er eines abends den Blitzclub besuchte und einige Protagonisten, die im Club verweilten, unter anderem auch Steve Strange, zu seinem Videodreh „Ashes To Ashes“ einlud. Der Durchbruch war die Veröffentlichung von „Fade To Grey“ und das Zusammentreffen mit Billy Currie, der nach dem Ultravox! Split zunächst mit Gary Numan auf Tour war. Und so entwickelte es sich, dass Midge bei Ultravox einstieg. Auch schon in der Schaffensphase von Ultravox produzierte er diverse Künstler, was er auch nach seinem Ausstieg bei Ultravox weiter verfolgte. Zudem betätigte er sich als Regisseur, indem er für verschiedene Bands wie u.a. Fun Boy Three, Banarama und natürlich Ultravox die Videos produzierte. Für den Film „Went To Coney Island“ schrieb er 1998 seinen ersten Soundtrack.

 

 

PRIVATES


Midge lernte seine erste Frau, die britische Schauspielerin Annabel Giles, 1984 beim Videoedreh zum Lament-Video kennen und 1985 geheiratet, worauf zwei Jahre später Tochter Molly „McQueen“ geboren wurde. 1987 ließen sich Midge und Annabel wieder scheiden. Midge heiratete 2003 erneut und ist seitdem mit Sheriden Forbes verheiratet. Die Familie lebt jetzt mit ihren drei Töchtern in Box nahe Bath im Südwesten Englands.

 
 

SLIK UND DIE RICH KIDS

Im Jahr 1975 hatte Midge ein seltsames Erlebnis. Eines Tages, als er zu Fuß im Zentrum von Glasgow unterwegs war, wurde von einem Mann mit Londoner Akzent aus dem Auto heraus angesprochen: „Es geht um Musik.“ Im Auto saß ein fremder Kerl mit roten lockigen Haaren. Er sagte, dass er Manager der berühmten Band New York Dolls und The Strand sei. Er stellte sich als Malcolm McLaren vor. Später wurde The Strand bekannt, als sie um 1975 ihren Namen in The Sex Pistols änderten. Midge lehnte das Angebot ab, Sänger der Sex Pistols zu werden. Midges Ablehnung Malcolm McLaren und den Sex Pistols gegenüber ist in die Geschichte der Musik eingegangen. Midge hat dies nie bereut und meinte „McLaren hatte Glück, als er John Lydon gefunden hatte. Es hätte nie ohne Lydon geklappt - und mit mir als Sänger, keine Chance.“ Zudem war Midge bei Slik weiterhin Vertraglich gebunden.

Das Produktionsteam Phil Coulter und Bill Martin wurde auf Slik aufmerksam und nahmen sie bei Polydor unter Vertrag. Mit ihrer Kleidung im US-College-Stil in Baseballhemden, Turnschuhen und entsprechenden Kurzhaarfrisuren sollten sie den Gegenpol zu den Bay City Rollers aus Edinburgh mit ihrem schottischen Outfit im Tartanmuster bilden. Auch dort waren Coulter und Martin ein Jahr zuvor bereits erfolgreich involviert. Slik hingegen ließ von dem Film „That’s Entertainment“ in Sachen Selbstdarstellung inspirieren.

Und das Konzept ging auf, da das neue Erscheinungsbild für Aufsehen sorgte. Hinzu kam der für die Musik der Band charakteristische Klang der sakralen Orgel. Ein Element, das zu diesem Zeitpunkt neu war und somit ein kontrastreiches Ausrufezeichen im Vergleich zu allen anderen Teenie-Bands dieser Ära setzte. Nach einem ersten Fernsehauftritt am Neujahrstag 1973 gab es dann den ersten Hit der Band. Mit „Forever And Ever“, einer Cover-Version der englischen Band Kenny, die Coulter und Martin ebenfalls produzierten, verdrängten sie am 11. Februar 1976 Abba‘s „Mamma Mia“ von der

Spitze der britischen Charts. Die Presse feierte Slik bereits als neuen Stern am Pophimmel und prophezeite ihr eine erfolgreiche Zukunft. „Die Gruppe wird im Teenie-Markt ganz schön aufräumen“, so der New Musical Express. Die von der Presse prognostizierte Karriere verlief im folgenden Jahr weit weniger steil. Die Folgesingles „Requiem”, „The Kid’s A Punk“, „Don’t Take Your Love Away“ und „Dancerama“ konnten an den Erfolg von „Forever And Ever“ nicht anknüpfen. Zudem fühlte sich Midge musikalisch mehr und mehr eingeengt. Während der ersten Konzerte, wie zum Beispiel im Glasgower Apollo Theatre, bot sich aufgrund vorherrschender Hysterie noch der Ausnahmezustand. Doch schon wenig später flauten das Interesse und auch der Kartenvorverkauf stark ab. Unter dem Vorwand, Midge habe sich den Arm gebrochen, wurde die Notbremse gezogen und Konzerte abgesagt. Nach zwei Alben und sieben Singles war es dann auch vorbei.

 

Die Nase von Teen-Pop voll, widmete Midge sich einem neuen Projekt und stieg bei den Rich Kids ein. Dort traf er unter anderem auf Glen Matlock, den ehemaligen Bassisten der Sex Pistols, sowie Rusty Egan am Schlagzeug. Dazu kam Gitarrist Steve New, der 1975 ebenfalls schon bei den Sex Pistols tätig war, sein Engagement jedoch am Band-Manager Malcom McLaren scheiterte. Auf der Suche nach einem Sänger stießen sie letztendlich auf Midge Ure, nachdem kurze Zeit Namen wie Paul Weller, Howard Devoto, Kevin Rowland und Mick Jones im Gespräch waren.
Mit Mick Jones gab es auch einige Auftritte, doch entschloss sich dieser aufgrund musikalischer Unzufriedenheit zur Rückkehr zu seiner ursprünglichen Band The Clash. So kam es, wenn auch etwas verspätet, doch noch zur Zusammenarbeit zwischen Glen Matlock und Midge Ure. Aufgrund der Tatsache, dass Slik nicht mehr existierte und somit auch keine vertraglichen Probleme mehr bestanden, stieg Ure bei den Rich Kids ein. Vertraglich kam man bei EMI unter. Dort stand Matlock früher bereits mit den Sex Pistols schon unter Vertrag, welcher 1977 aber aufgrund fehlender Umsätze annulliert wurde. Im Januar 1978 erschien mit „Rich Kids“ die erste Single und konnte sich auf Platz 24 der Charts platzieren. Die Folgesingles „Marching Men“ und „Ghosts Of Princes In The Towers“ konnten an den Erfolg jedoch nicht anknüpfen.
Das im August 1978 erschiene Album „Ghosts Of Princes In The Towers“, bei dem auch Ian McLagan von den Small Faces mitarbeitete, stieg auf Platz 51 der Charts ein, um in der Folgewoche bereits wieder aus den Top Einhundert zu fallen. Grund für negative Rezensionen war der düster anmutende Sound des Produzenten Mick Ronson. Schon während der Aufnahmen des Albums kam es zu Differenzen zwischen Ure sowie New und Matlock, weil deren Ansichten doch ziemlich auseinander gingen. Matlock und auch Steve New konnten sich mit der pop-orientierten Ausrichtung Ures nicht anfreunden, was spätestens nach dessen gesteigertem Interesse an Synthesizern zur Trennung führte. Die offiziell im Frühjahr verkündigte Auflösung der Band fand tatsächlich bereits im Dezember 1978 statt. Am 7. Januar 2010 gab es zugunsten des an Krebs erkranktem Steve New ein Benefizkonzert der Rich Kids. Am 24. Mai 2010 erlag New seinem Krebsleiden.

 

 

MIDGE UND MICK KARN

Während seiner Tätigkeit bei Ultravox nutzte Ure zwischendurch immer wieder die Möglichkeit, eigene Songs - mitunter auch in Kooperation mit anderen Künstlern - zu veröffentlichen. 1982 erschien seine erste Solo-Single „No Regrets“, eine Coverversion von den Walker Brothers. Ursprünglich wurde der Song 1968 von Tom Rush geschrieben. Die B-Seite war das Instrumentalstück „Mood Music“. Recht erfolgreich hielt sich der Song zehn Wochen in den Charts und erreichte dabei am 12. Juni 1982 mit Platz 9 die höchste Platzierung. Mit diesem Song trat er auch zum ersten Mal als Gastmusiker beim Benefizkonzert „The Prince’s Trust“ live auf. Zwischenzeitlich beendeten sowohl Midge Ure als auch Billy Currie ihr Engagement bei Visage.

"I think Mick‘s influenced everybody. Until I heard Japan, I had never heard a bass guitar played like that; it was almost like playing a lead instrument, incredibly percussive and melodic, something that inspired me.“ Midge Ure.

Im Jahr 1982 veröffentlichte Mick Karn sein erstes Solo-Album auf Virgin „Titles“. Sein einzigartiger Stil hatte Musiker unterschiedlicher Genres auf ihn aufmerksam gemacht und sie wollten Micks Beitrag den eigenen Arbeiten hinzufügen. Von Jeff Beck über Gary Numan und unzähligen anderen Top-Künstlern. Im selben Jahr wurde er von Pete Townshend gefragt, ob er Teil einer All-Star Band sein möchte. Es ging um das erste Prince‘s Trust Gala Konzert an dem auch Prinz Charles und Lady Diana teilnahmen. Pete Townshend erklärte gegenüber der Presse, dass Mick Karn der mit Abstand beste Bassist Großbritanniens sei und somit die richtige Wahl für diesen Gig. So standen 1982 Ure und Karn im Rahmen des Princes Trust Konzerts bereits zusammen auf der Bühne und spielten dort u. a. Ures damalige Single „No Regrets“.

Mick Karn stapelte tief und meinte, er könne es sich nicht vorstellen, der Beste am Bass zu sein. Zumal er nicht einmal Noten lesen könne, so dass er technisch mit Sicherheit nicht der Beste, aber Originellste sei. Aber da noch niemand zuvor jemanden in einer ähnlichen Art und Weise spielen

hörte, hinterließ Karn einen bleibenden Eindruck bei der Veranstaltung, der später zu kollaborativen Arbeiten mit anderen Musikern führte. Mick und Midge wurden Freunde und planten eine gemeinsame Single auf dem Markt zu bringen. Die Pause zwischen „Quartet“ und „Lament“ bei Ultravox nutzte Ure, um zusammen mit Mick Karn (von Japan) „After A Fashion“ aufzunehmen. Auch hier handelt es sich bei der B-Seite mit „Textures“ um ein weiteres Instrumentalstück. „After A Fashion“ hielt sich für vier Wochen in den Charts und erreichte am 9. Juli 1983 mit Platz 39 die höchste Platzierung. Für den Dreh des entsprechendes Videos reisten beide - der orientalischen Stimmung des Songs entsprechend - extra nach Kairo.

Es folgten noch einige gemeinsame Aufnahmen. Mick begleitete Midge auf seinen Alben „Answers To Nothing“ und dem Folgealbum „Pure“. Zudem veröffentlichte Midge eine Eigenproduktion „Little Orphans“, das gänzlich aus Demo-Aunahmen besteht. Hierbei spielen neben Karn auch Richard Barbieri und Steve Jansen mit. Zudem unterstützte Karn Ure bei der Produktion des Albums „Dear God“ des Japaners Yuki Ryoichi.

Mick Karn heißt mit bürgerlichem Namen Anthony Michaelides und wurde am 24. Juli 1958 in Nikosia auf Zypern geboren. Nachdem er sich zunächst mit klassischen Instrumenten wie Fagott und Klarinette befasste, widmete er sich anschließend dem Bass. Zusammen mit David Sylvian, Steve Jansen, Richard Barbieri und Rob Dean gründete er 1974 Japan. Unter dem Einfluss der Musik von The New York Dolls, Roxy Music und David Bowie wurden mit „Adolescent Sex“ und „Obscure Alternatives“ 1978 die ersten beiden Alben veröffentlicht. In Japan, den Niederlanden und auch in Kanada war die Musik nicht nur populär, sondern die Alben auch kommerziell erfolgreich. Im heimischen Großbritannien hingegen musste sich die Band von der britischen Musikpresse vorwerfen lassen, altmodisch zu klingen. Vielleicht war das ein Grund dafür, dass mit „Quiet Life“ 1979 eine neue Richtung eingeschlagen wurde. Elektronische Klänge durch den Einsatz von Synthesizern prägten im Zusammenspiel mit Jansens aufwendigem Drum-Spiel, Deans atmosphärischer Gitarre und Karns speziellem Fretless-Bass den neuen Band-Sound. In diesem Stil ging es mit „Gentlemen Take Polaroids“ 1980 und „Tin Drum“ 1981 weiter. Zeitlich gesehen rutschte Japan zwangsläufig in die Szene der New Romantic, obwohl das eher ein unbeabsichtigter Nebeneffekt war. „Tin Drum“ bekam in Großbritannien ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und positive Resonanz. Insbesondere die Verwendung abendländischer und orientalischer Elemente wurde als innovativ angesehen und so kletterte das Album bis auf Platz 11 der Albumcharts. Die Single „Ghosts“ schaffte es sogar bis auf Platz 5. Rob Dean war zu dieser Zeit schon nicht mehr bei Japan. Dennoch war das Ende der Band aufgrund andauernder Spannungen unter den Bandmitgliedern nur eine Frage der Zeit. Die letzten Konzerte fanden im November 1982 im Londoner Hammersmith Odeon statt; das letzte Konzert am 16. Dezember 1982 in Nagoya, Japan. Das Londoner Konzert wurde aufgezeichnet und als Album „Oil On Canvas“ veröffentlicht. Es war mit Platz 5 der Album-Charts das erfolgreichste Album.

Zwischenzeitlich arbeitete Mick Karn 1981 schon an Gary Numans Album „Dance“ mit. In den Folgejahren arbeitete er unter anderem mit Peter Murphy (Dalis Car), Steve Jansen, Kate Bush oder auch Joan Armatrading. 1991 kam es kurzfristig zu einer Reunion von Japan, doch am Veto von Sylvian scheiterte es, dass das musikalische Ergebnis unter dem ursprünglichen Bandnamen veröffentlich wurde. Gegen Ende brach der mündliche Kontakt zwischen ihm und dem Rest der Band ab und die Songs wurden Ende April 1991 unter dem Namen „Rain Tree Crow“ veröffentlicht. Während dieser Zeit gründeten Karn, Jansen und Barbieri das Label Medium. Zusammen arbeiten sie auch mit an Micks Alben „Bestical Cluster“ (1993) und „The Tooth Mother“ (1995). Am 4. Januar 2011 erlag Mick Karn in London seinem Krebsleiden. Ein Benefizalbum zwecks Unterstützung seiner Familie erschien unter dem Titel „A Show Of Love, Respect & Grace - A Tribute To Mick Karn“.

Wie erwartet waren die Fans und vor allem Midge schwer getroffen von der Nachricht über Mick´s Tod. So postet er auch heute noch regelmäßig auf seiner Facebook-Seite, wie sehr er seinen Freund vermisst.

 
 

AUSZEICHNUNGEN & SPEZIELLE PROJEKTE


21. März 2005 „Inspirational Hero Award“ Midge erhielt den Award der schottischen Zeitung „Daily Record“ für sein unerbittliches Streben, den ärmsten Nationen der Welt zu helfen.


27. Mai 2005 „Ivor Novello Award“

Die Single „Do They Know It‘s Christmas?“, geschrieben von Midge Ure und Bob Geldof, gesungen von „Band Aid 20“ gewann den „Ivor Novello Award“ für die bestverkaufte UK-Single.


12. Oktober 2005 „Doktor der Künste“ (Abertay-Universität in Dundee)

Für seine humanitäre und künstlerische Arbeit der letzten 30 Jahre, insbesondere seine Vorreiterrolle bei der Einbindung von Technologie in die Musik- und Videokunst.


18. Oktober 2005 „Officer of the Order of the British Empire (OBE)
Erhoben zum OBE als Anerkennung und Würdigung für seine Verdienste um die Musik und die Afrikahilfe von Königin Elisabeth II.


21. November 2005 „Auszeichnung“ (Glasgow)
Preis für sein Lebenswerk von der Nordoff-Robbins-Stiftung im Rahmen der Tartan Clef Awards.


21. Juni 2006 „Doktor der Musik“ (Universität von Edinburgh)
Für seine besonderen Verdienste für die britische Popmusik.


29. Juni 2007 „Doktor“ (Universität von Paisley)
Für seinen Beitrag für die schottische Kultur und seine humanitäre Arbeit.


26. November 2008 „Doktor der Musik“ (Glasgow Caledonian Universität)
In Anerkennung für seine musikalischen und humanitären Leistungen


14. Dezember 2010 „Doktor der Rechtswissenschaften“ (Universität Bath)
In Anerkennung seiner musikalischen Leistungen und seiner humanitären Arbeit von der Universität der Stadt Bath verliehen, in der Midge seit 1994 lebt.

 
 
 

SOZIALES ENGAGEMENT

Mit Bob Geldof schrieb Midge 1984 „Do They Know It’s Christmas?“, die mit dreieinhalb Millionen Exemplaren bestverkaufte Single in Großbritannien der achtziger Jahre und die rund zwölf Millionen Euro einbrachte, um die Hungersnot in Äthiopien zu bekämpfen. Ein halbes Jahr später folgte am 13. Juli 1985 das aus dem Erfolg Band Aid Projekt geborene Benefiz-Konzert „Live Aid“, welches von rund zwei Milliarden Menschen am TV verfolgt und wieder von Bob und Midge initiiert wurde.

Von 1986 bis 1988 war Midge musikalischer Direktor für den „Princest Trust“. Diese Konzerte unterstützen benachteiligte Jugendliche und junge Erwachsene. Schirmherr dieser Veranstaltung ist der „Prince of Wales“, Prinz Charles. Auch beim Benefizkonzert mit der Aufforderung zur Freilassung des inhaftierten Nelson Mandelas an dessen Geburstag am 11. Juli 1988 trat Midge Ure live auf und spielte dort „Dear God“.

Besonders engagiert ist Midge als Botschafter für die Kinderhilfsorganisation „Save The Children“, welches die größte unabhängige Kinderrechtsorganisation der Welt ist. Hierdurch soll die Lebensqualität der Kinder weltweit und sofort durch mehr ärztliche Betreuung und ein selbstbestimmtes Aufwachsen verbessert werden. Die Organisation ist in einhundertzwanzig Ländern tätig. So reiste Midge in den letzten Jahren in die betroffenen gebiete, um eben diese Kinder und Einrichtungen zu besuchen.
Siehe http://www.savethechildren.de.

Midge engagiert sich neben all seinen sozialen Verpflichtungen auch für die der Nordhoff Robbins Organisation. Eine Musik-Therapie, die auf die Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung seelischer, körperlicher und geistiger Gesundheit abzielt. Das geschieht sowohl passiv durch das reine Hören der Musik als auch aktiv, indem der Patient zum Musizieren motiviert wird. Die Nordhoff Robbins Organisation ist auch in Deutschland tätig.

 
 

BAND AID

Bob Geldof war es, der unbedingt etwas machen wollte, um auf die schrecklichen Zustände in Afrika hinzuweisen und helfen zu wollen. Er hatte eine TV-Dokumentation über die verheerende Dürrekatastrophe und Hungersnot in Äthiopien gesehen und war entsetzt und beschämt zugleich. Er rief seine damalige Freundin und TV-Kommentatorin Paula Yates an, weil er einen Haustürschlüssel nicht finden konnte. Zu diesem Zeitpunkt war Midge nach einer gemeinsamen Sendung und einem der letzten gemeinsamen Auftritte von Ultravox, um The Collection zu promoten, bei Ihr in der Garderobe. Paula drückte ihm den Hörer in die Hand und sofort erzählte Bob Geldof, was er gesehen hat und dass er helfen möchte. Midge stimmte zu.


So trafen sie sich und kamen zu der Einsicht, dass das Schreiben eines neuen Songs unter Mithilfe einiger Freunde am effektivsten wäre, um ein paar hunderttausend Pfund zu sammeln. Bob dachte dabei an Lennons „Happy Christmas, War Is Over“. Allerdings waren sich beide zunächst unsicher, wer den Song denn überhaupt schreiben soll. Dennoch begann Bob, die Musikszene nach Leuten abzusuchen, die das Projekt unterstützen könnten. Der erste war demnach Midge.
Nachdem feststand, dass es passieren würde, rief Bob Sting an, der ohne zu zögern zustimmte. Währenddessen schnappte sich Midge ein Casio Keyboard und suchte in der Küche seines Hauses nach einer Eingebung für einen Song. Er schickte ihn Bob, und einen Tag danach saßen sie zusammen in Midges Studio. Bob hatte noch eine Songidee, die mit den Boomtown Rats nicht umgesetzt wurde. Sie nahmen Fragmente auf, mit denen Midge anschließend ein Arrangement erstellen wollte. Auf der Suche nach einem Produzenten wandte sich Bob an Trevor Horn. Er selbst hatte zwar keine Zeit, doch stellte er ihnen für einen Tag eines seiner Studios zu Verfügung. Somit wurde Midge Ure auch die Rolle des Produzenten aufgetragen. Fünf Wochen vor Weihnachten musste der Song innerhalb einer Woche geschrieben, aufgenommen, gemischt, gepresst und in die Läden gestellt werden. Bob und Midge schrieben den Song gemeinsam zu Ende. Bob konnte Peter Blake überzeugen, das Cover für die Singe zu entwerfen.


Neben der Kontur Afrikas sowie Messer und Gabel daneben, zierte der Aufruf „Feed The World“ das Layout. Die primären Aufnahmen wurden bereits in Midges’ Studio in Chiswick aufgenommen. John Taylor von Duran Duran spielte den Bass und Sting sang seine Zeilen ein. Der Text stammt fast vollständig von Geldof. Midge hatte lediglich das Wort „Ethiopia“ als potenziellen Zungenbrecher durch „Africa“ ersetzt. Während Midge sich um den musikalischen Part kümmerte, war Bob mit den geschäftlichen und organisatorischen Dingen beschäftigt. Seine größte Aufmerksamkeit schien es dabei zu sein, Boy George dazu zu bewegen, aus den USA zu den anstehenden Aufnahmen anzureisen. Ansonsten würde er der ganzen Welt erzählen, dass er für das Scheitern des Projektes verantwortlich wäre. Um 8 Uhr am Sonntagmorgen waren Midge und Bob als erste im Studio an der Portobello Road. Während sich vor dem Studio bereits die Presse positionierte, war es innen noch komplett leer. „Wenn nur Ultravox und die Boomtown Rats da sind, wird das eine verdammt trübe Aufnahme“, so Bob zu Midge. Doch sie kamen alle: Paul Young, Spandau Ballet, U2, Wham, Duran Duran, Banamarama, Status Quo und viele andere; auch Culture Club, allerdings ohne Boy George. Also rief er ihn in den USA an, wo es noch sechs Uhr am Morgen war und befahl ihm förmlich, sich in die nächste Concorde zu setzen. Er kam. Und die Angst davor, dass bei derart geballter Prominenz die Egos für schlechte Stimmung sorgen würden, erwies sich als unbegründet. Jeder war für die Sache da und stellte die eigenen Eitelkeiten hinten an. Ein Catering gab es nicht. Wer was essen oder trinken wollte, musste sich selbst etwas organisieren. Ure hatte aber ein ungutes Gefühl. Zum einen, weil die meisten der anwesenden Leute den Song noch nicht gehört hatten und vor allem, weil er nicht einschätzen konnte, ob er ihnen überhaupt gefallen würde. Schließlich waren sie deshalb anwesend, weil Geldof sie eingeladen hatte.

Doch auch diese Angst erwies sich als überflüssig. Selbst wenn jemandem der Song nicht gefiel, so hatte er im Sinne der Sache seine Meinung darüber für sich behalten. Der Refrain des Songs war relativ schnell eingesungen. Durch mehrfache Doppelungen klang er am Ende so, als würde ein gigantischer Chor „Feed The World“ und „Let Them Know It’s Christmas Time“ singen. Komplizierter wurde es bei der Vergabe und Aufteilung der Strophen. Es waren zu viele Sänger anwesend, als das jeder einen Part hätte singen können. Tony Hadley machte den Anfang und sang seinen Part ein. Es folgte Paul Young, der den Song mit seinem Part eröffnete. U2 war zu dieser Zeit eine aufstrebende Band, aber noch keine Superstars. Dennoch scheute sich Bono nicht, nach der genauen Bedeutung seiner Zeile „Thank God It’s Them Instead Of You“ zu fragen. Bono erklärte ihm, dass da keine Metapher hinter steckt. Sie soll genau das zum Ausdruck bringen: „Sei froh, dass es die Anderen sind und nicht Du.“ Er ging zu den Kopfhörern und sang diese Zeile eine Oktave höher als im Demo und so voller Inbrunst, dass Midge und Bob fast erschraken. Gleich der erste Versuch saß und kam auf Platte.

Der Tag verging und der Stresspegel stieg. Obwohl der Song bereits synthetische Drums besaß, baute Phil Collins sein Drum-Set auf. „Ihr braucht einige echte Drums“, so sein Kommentar. Obwohl keine Zeit dafür war, wirft man einen Phil Collins dann doch nicht einfach raus. Nach sechs Stunden des Wartens spielte er eine Spur ein. Er war aber nicht zufrieden und spielte eine zweite, weniger anspruchsvolle Spur ein. Das war es. Nach acht Minuten effektiver Arbeit packte er zufrieden ein, seinen Teil beigetragen zu haben. Am Nachmittag tauchte endlich Boy George auf. Bob war sich dessen so sicher, dass er Strophenparts für ihn reserviert hielt. Zwischenzeitlich musste Midge Bob auch energisch darauf hinweisen, dass jemand, der nicht wirklich gut singen könne, es anderen nicht erklären kann. Ab diesem Punkt hatte Midge am Mischpult seine Ruhe. Sogar Trevor Horn gab sich die Ehre und brachte Ideen ein. Die waren allerdings aus akutem Zeitmangel absolut nicht realisierbar.

Nachdem die Aufnahmen gemacht waren, wollte sich Midge dem eigentlichen Prozess des Mischens widmen. Doch das gestaltete sich äußerst schwierig, weil keiner der Anwesenden gehen wollte. Sie feierten eine Party in einer Besetzung, die es bis dahin noch nie gegeben hatte. Erst gegen Mitternacht waren dann alle soweit verschwunden. Da es sich um eine Single handelte, musste auch auf die B-Seite etwas drauf. Midge packte sämtliche Weihnachtsgrüße drauf, die entweder den Tag über im Studio oder per Telefon aufgenommen wurden. Am markantesten war sicher folgende: „It’s Christmas 1984 and there are more starving folk on the planet than ever before.” Gesprochen wurden sie von David Bowie. Um 8 Uhr morgens waren die Arbeiten fertig. Als letztes sprach Bob Geldof seinen Part für die B-Seite: „Diese Platte wurde am 25. November 1984 aufgenommen. Wir haben jetzt 8 Uhr morgens am 25. November. Wir waren 24 Stunden hier und ich denke es ist Zeit, nach Hause zu gehen.“

Im Laufe der folgenden Woche wurde „Do They Know It’s Christmas“ veröffentlicht und stand in unzähligen Ländern an der Spitze der Charts. Das Projekt Band Aid hatte begonnen. Dabei werden die Namen Bob Geldof und Midge Ure immer im Zusammenhang mit Band Aid gebracht, doch der von Bob Geldof immer zuerst.

Nicht zuletzt, weil er durch die Königin des Vereinigten Königreichs geadelt wurde und sich seitdem als „Knight Commander Of The British Empire“ auch Sir Bob Geldof nennen durfte. Midge Ure hingegen wurde diese Ehre erst zwanzig Jahre später zugesprochen. Aufgrund seiner schottischen Herkunft jedoch lediglich als „Officer of The Order of the British Empire“. Erstaunlich, weil Bob Geldof Ire ist und demnach ebenfalls nicht als Sir bezeichnet werden dürfte. Jahre später wurde Midge erneut nach diesem einmaligen Spektakel gefragt. Er meinte dass es nach all den Jahren noch gewachsen und grösser geworden ist, als er sich jemals hätte vorstellen können. Noch heute kräuseln sich seine Nackenhaare, wenn er zur Weihnachtszeit im Supermarkt „Do They Know It’s Christmas“ hört.

Auch beim All-Star-Benefizkonzert Live Aid im Jahr 1985 überzeugte Midge mit Ultravox vor fast zwei Milliarden Menschen. Ultravox lieferte einen beeindruckenden Auftritt mit „One Small Day“ als erstem Song. Mit Blick auf die 72.000 Menschen, die das Londoner Wembley-Stadion besuchten, beobachtete er, wie sie zu „Vienna“ klatschen. „Dies war definitiv ein Highlight“, sagte Ure. „Wir hatten achtzehn Minuten für unseren Auftritt und wurden vorher gewarnt. An der Seite der Bühne stand eine Ampel. Grün zu Beginn und nach 16 Minuten stellte sie sich auf Gelb. Und wir hofften, dass alle es bemerken, wenn sie nach achtzehn Minuten auf Rot umspringt.“ sagte er lachend. „Dies war der einzige Weg, wie alle Künstler den Zeitplan einhalten konnten.“
Bis zum heutigen Tag ist Midge ein Treuhänder von Band Aid, die die laufenden Erlöse aus beiden Fond-Raisings weiter verteilen. Den ersten Ratschlag bekamen Ure und Geldof von George Harrison hinsichtlich dessen Erfahrungen mit dem bahnbrechenden „Rock 1971 Charity-Event - The Concert for Bangladesh“. Harrison sagte: “Holen Sie sich einen guten Buchhalter!“ Midge darauf. „Das haben wir dann getan und wir haben noch immer die gleichen Buchhalter. So sind wir auch nach 28 Jahren immer noch da“ (Ure und Geldof organisierten auch die Follow-up Mega-Show: Live 8 im Jahr 2005.)

 
 

BAND AID 20

Ebenfalls noch in 2004 widerspricht sich Ure selbst und beteiligt sich entgegen früherer Aussagen doch an der erneuten Veröffentlichung von „Do They Know It’s Christmas“ unter dem Projektnamen Band Aid 20+. Falls man von einer neuerlichen Teilnahme überhaupt sprechen kann, da er seit 1985 nie den Kontakt verloren hatte. Bereits 1989 gab es eine erste Neuauflage unter dem Namen Band Aid II u. a. mit Bananarama, Bros, Jason Donovan, Kevin Godley, Kylie Minogue, Chris Rea, Jimmy Sommerville, Lisa Stansfield und Wet Wet Wet. In Großbritannien auf Platz 1, scheiterte er aber aufgrund seiner zu poppigen Ausrichtung in allen anderen Ländern. Eigentlich hatte Midge nach wie vor nicht vor, den Song erneut aufzunehmen. Doch als Bob Geldof ihn anrief und das Ganze für eine sehr gute Idee hielt, stimmte er zu. Nur dass Geldof sich anschließend für eine Fernsehshow in den Kongo absetzte und die Studioarbeit Midge überließ.

Fran Healy von Travis und Chris Martin von Coldplay waren 2004 von Anfang an mit dabei und wie schon zwanzig Jahre zuvor meldeten sich die Künstler von selbst, um teilnehmen zu dürfen. Im Vergleich zum ersten Projekt musste jetzt aber kein neuer Song geschrieben, sondern der Klassiker von damals unter Verwendung neuer Sounds auf allen Ebenen dem aktuellen Zeitgeist angepasst werden. Es beteiligten sich Künstler u. a. wie Dido, die Sugarbabes, Robbie Williams, Katie Melua, Feeder, Thom Yorke und Johnny Greenwood (beide Radiohead), Keane, Justin Hawkins von The Darkness, Beverly Knight, Busted, Danny Goffey von Supergrass, Will Young, Natasha Bedingfield, Snow Patrol, Joss Stone, Rachel Stevens, The Thrills, Lemar, Estelle oder Dizzee Rascal. Die einzigen Künstler älteren Jahrgangs waren Paul McCartney, der den Bass einspielte und Bono. Jetzt war er der Superstar und niemand konnte sich vorstellen, dass jemand außer ihm selbst seinen Gesangspart anders oder besser singen würde. Insgesamt war es beabsichtigt, die Neuauflage des Songs der

Jugend zu überlassen, wobei der Einbau des Rap-Parts nicht überall positiv angenommen wurde. Für das Coverdesign der neuen Single zeigte sich Damien Hurst verantwortlich.Aufgenommen wurde der Song am 17. November 2004 in den Londoner Air Studios und am 29. November dann veröffentlicht. In Großbritannien reichte es natürlich wieder zum Spitzenplatz der Charts, in dem sich „Do They Know It’s Christmas“ jetzt elf Wochen hielt. In Deutschland reichte es zwar nur zu Platz 7, doch hielt sich der Song dafür einundzwanzig Wochen in den Charts.

 

LIVE8

Im Sommer 2005 folgt unter dem Motto Live8 das entsprechende Benefizkonzert, an dem zum größten Teil die Künstler beteiligt waren, die ein halbes Jahr zuvor auch „Do They Know It’s Christmas“ neu aufgenommen hatten. Auch Midge steht auf der Bühne und spielt wie schon 1985 „Vienna“. Allerdings ohne den Rest von Ultravox. Am Ende dann ein Bild mit Aussagekraft, als Bono, Bob Geldof und Midge Ure die Arme in den Himmel gestreckt zum zweiten Mal Geschichte schreiben. Derweil kommt Midge in Deutschland bei Hypertension unter. Als erste Amtshandlung wird die DVD „Sampled Looped And Trigger Happy“ unter dem Namen „Re*Live“ neu veröffentlicht.

 

BAND AID 30

Am 10. November 2014 gaben Bob Geldof und Midge Ure bekannt, dass kurz vor Weihnachten eine neue Version von „Do They Know It’s Christmas“ veröffentlicht werden wird. Einerseits aufgrund des 30jährigen Jubiläums des Songs an sich als auch des Band Aid-Trusts und andererseits, um die Bekämpfung der verheerenden Ebola-Epidemie in Teilen Westafrikas finanziell zu unterstützen.

Zu den teilnehmenden Künstlern gehören u. a. One Direction, Sam Smith, Ed Sheeran, Emeli Sandé, Ellie Goulding, Rita Ora. Bastille, Guy Garvey (Elbow), Chris Martin (Coldplay) und - als Einziger zum dritten Mal mit dabei - Bono von U2. Sowohl musikalisch als auch textlich bekam der Song - wie es auch schon bei Band Aid 20 der Fall war – ein Update. Den aktuellen Ereignissen entsprechend wurden die Textzeilen „Where a kiss of love can kill you“ („Wo ein Kuss der Liebe dich töten kann“) und „And there is death in every tear“ („Und es ist der Tod in jeder Träne“) eingefügt. Die sind ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass sich das Ebola-Virus durch die Übertragung von Körperflüssigkeiten verbreitet.

Auch in Deutschland kam es unter der Federführung von Campino sowie namhaften Künstlern (u. a. Philipp Poisel, Clueso, Seeed, Andreas Bourani, Jan Delay, Michi Beck, Max Herre, Cro, Sportfreunde Stiller, Silbermond, Max Raabe, Wolfgang Niedecken, Udo Lindenberg, Peter Maffay, Thees Uhlmann, Patrice, Adel Tawil, 2raumwohnung, Donots, Jennifer Rostock) erstmalig zu einer Veröffentlichung des Songs auf Deutsch. Allerdings sah sich das Projekt hier dem Vorwurf ausgesetzt, dass die Thematik „Ebola“ (auch aufgrund des Logos) auf den ganzen afrikanischen Kontinent ausgeweitet wird, obwohl eigentlich nur drei Länder im westlichen Bereich Afrikas betroffen seien. Außerdem würde Afrika durch die Art der Darstellung zu sehr in eine Art Opferrolle gedrängt. Campino machte in einem Interview deutlich, dass die eigenen Eitelkeiten weniger wichtig seien, als der Kampf gegen Ebola. Und er zeigt keinerlei Verständnis für die Menschen, die sich lediglich abfällig das Projekt äußern, statt den Blick auf das Wesentliche zu richten. Ungehalten reagierte er auch auf die Frage, was denn mir den Spendengeldern geschehen würde und stellte klar, dass die Wege sämtliche Spendengelder nachvollziehbar sind.

 
 

NELSON MANDELA 70TH BIRTHDAY TRIBUTE

Der Name hinter diesem am 11. Juni 1988 im Londoner Wembley Stadium stattfindendem Event lautet Tony Hollingsworth. Bereits 1986 setzte er sich mit Jerry Dammers, Sänger von The Specials („Free Nelson Mandela“ 1984) und Gründer der Artists Against Apartheid (AAA) in Verbindung. Zunächst wollte Hollingsworth in seiner Tätigkeit für das Greater London Council (GLC) eine Unterstützung für das AAA bewerkstelligen, was aber daran scheiterte, dass das AAA keine rechtlich anerkannte Organisation war. Und Dammers zeigte auch wenig Interesse, das zu ändern. Hollingsworth hatte vorher bereits einige Konzerte und Festivals auf die Beine gestellt. Und so schlug er Dammers vor, dass er ihm ein Anti-Apartheid Konzert organisieren würde, wenn Dammers ihm dafür einen oder mehrere namenhafte Künstler nennen könnte, die sich zur Teilnahme zur Verfügung stellen würden. Der Rückruf erfolgte dann sechzehn Monate später im Juni 1987, in dem Dammers die Simple Minds ins Spiel brachte. Allerdings schwebte denen Edinburgh als potenzieller Austragungsort vor, was nicht Hollingsworths Vorstellung entsprach.

1988 würde Mandela seinen 70. Geburtstag feiern und etwas anderes, als ein multimediales Spektakel im Londoner Wembley Stadium kam für ihn nicht in Frage. Es musste der Ort sein, an dem bereits fünf Jahre zuvor Live Aid stattgefunden hatte. Ab diesem Punkt begab sich Hollingsworth auf den schmalen Grat der Eitelkeiten derer Künstler, die er von seinem Vorhaben überzeugen wollte. So besuchte er Sting in der Schweiz, welcher ihn in Unterhose auf seinem Hotelzimmer empfing. Letztendlich eröffnete Sting das Konzert, für das er eigens seine Tour unterbrach. Bei der Festlegung der Reihenfolge und Auswahl der Künstler musste Hollingsworth schon fast diplomatische Eigenschaften an den Tag legen, um Ansprüchen und Bedenken der Künstler gerecht zu werden.

So traten auch damalige Größen wie die Dire Straits, George Michael, Whitney Houston, UB40 sowie Migde Ure mit seiner „All-Star-Band“ u. a. bestehend aus Mick Karn, Eric Clapton, Phil Collins und Tracy Chapman auf, die an diesem Tag unverhofft zu doppelten Ehren kam. Stevie Wonder wollte

unbedingt an diesem Event teilnehmen und flog extra aus den Staaten an. Die Instrumente standen bereits auf der Bühne, als das Fehlen einer Festplatte für sein Piano bemerkt wurde. Untröstlich musste sein Gig abgesagt werden und Tracy Chapman sprang nur mit ihrer akustischen Gitarre ein, um die Zeit für den Umbau zu überbrücken. Hinzu kam, dass das Publikum davon kaum etwas mitbekam, weil Wonders Auftritt als Überraschung geplant war. Immerhin gelang es noch, dass er vor dem finalen Auftritt der Dire Straits „I Just Call To Say I Love You“ performen konnte.

Das Konzert wurde weltweit - von Südafrika abgesehen - übertragen. Auch in den Staaten wurde es, wenn auch aufgrund der Zeitverschiebung zeitversetzt, weitestgehend komplett ausgestrahlt. Ausnahme war der US-Sender Fox mit Eigentümer Rupert Murdoch. Der sah sich in einem wirtschaftspolitischen Dilemma und fürchtete Konflikte mit Sponsoren. So kürzte der Sender die zumeist politischen Statements der auftretenden Künstler, unter ihnen auch US-Schauspieler wie Whoopie Goldberg oder Denzel Washington, oder schnitt gleich ganze Songs wie Steven van Zandts „Sun City“, der sich kritisch mit der südafrikanischen Vergnügungsstadt auseinandersetzte, heraus. So durfte auch Queen an dem Konzert nicht teilnehmen, weil sie selbst zuvor schon in Sun City aufgetreten waren. Letztendlich aber erreichte das Konzert sein Ziel, die Welt über die Apartheid in Südafrika und die Inhaftierung von Nelson Mandela zu informieren und wachzurütteln. Auch mit Erfolg für Nelson Mandela selbst, da er zwanzig Monate später nach siebenundzwanzig Jahren Haft entlassen und zum Präsidenten Südafrikas gewählt wurde.

 
 

IF I WAS - AN AUDIO AUTOBIOGRAPHY

Auf die Frage, ob er seine Biographie selbst geschrieben hätte, antwortete Midge in einem Interview einmal, dass diese dann vermutlich immer noch nicht fertig wäre.

So kam es 2004 zur Veröffentlichung von „If I Was“ als Buchversion mit Hardcover. Als Besonderheit bekamen die ersten hundert Besteller eine handsignierte Ausgabe mit entsprechender Wunschwidmung, die vorher zusammen mit der Bestellung verschickt wurde. Einige Jahre später erfolgte ein Update, welches aber „nur“ noch als Taschenbuch herausgebracht wurde. Das dritte „Update“ hingegen wurde gar nicht mehr gedruckt, sondern erschien in Form eines elektronischen Datenträgers. Dazu aber später mehr.

An dieser Stelle sei zunächst drauf hingewiesen, dass jetzt keine Rezension oder eine Inhaltsangabe des Buches folgt. Denn auf die Geschichte von Midge Ure ist bereits zuvor in seinem Kapitel - auch mit seiner Biographie als wertvolle Quelle - ausgiebig eingegangen worden. Der Vollständigkeit halber ist es natürlich Pflicht darauf einzugehen, zumal der Leser als Fan Ures komplette Geschichte von seiner Kindheit an bis zum Beginn seines musikalischen Werdegangs beginnend mit Salvation und Slik, den Rich Kids und Thin Lizzy erfährt. Mit der Fortsetzung bei Visage und Ultravox sowie seiner Solo-Karriere einschließlich der Projekte, an denen er mitwirkte. Sei es seine Tätigkeit als musikalischer Direktor der Prince’s Trust Benefizkonzerte 1986 bis 1988, Band Aid 1984, Live Aid 1985 oder das Konzert anlässlich des Geburtstages von Nelson Mandela 1988. Dazu beinhaltet das Buch ein paar Fotos aus dem Privat-Album der Familie Ure sowie einige aus der Anfangszeit seiner musikalischen Laufbahn.

Aber die Biographie beinhaltet natürlich wesentlich mehr als nur die Aufzählung seiner Erfolge. Wer einen Blick hinter die Kulissen aus Sicht von Midge Ure werfen möchte und seine Biographie noch nicht kennt, sei hiermit darauf verwiesen. Der Leser wird einige, wenn auch nicht alle Hintergründe erfahren, die zum Rauswurf von Warren Cann und zur fast schon zwangsläufigen Trennung von Ultravox

führten. Oder warum „Answers To Nothing“ aufgrund von opportunistischen Machtkämpfen innerhalb seiner Plattenfirma kein Erfolg werde konnte, warum „Pure“ auf einem Label erschien, der für die Art von Musik, wie Ure sie macht, eigentlich ungeeignet war und warum er Anfang der Neunziger mehr gezwungen als gewollt auf eine Singer-Songwriter-Tour ging. Wie er in finanzielle Schieflage geriet und sich aufgrund alter Songs aus der Zeit von Visage und Ultravox mit rechtlichen Ansprüchen Billy Curries konfrontiert sah. Wie er mit dem anfänglichen Misserfolg von „Breathe“ fertig werden musste, bevor die gleichnamige Single dank der Swatch-Werbung die europäischen Charts stürmte. Wie sich die Geschichte von „Pure“ mit „Move Me“ wiederholte und warum seine Überzeugung, weiterhin gute Musik zu machen, keine Anerkennung fand, der Erfolg ausblieb, den andere Künstler seiner Generation hatten und er in ein tiefes Motivationsloch fiel.

Auf fast schon tragische Weise dokumentiert Ure, wie er seit 1988 stetig gegen die Maschinerie des Musikbusiness ankämpfte und dabei zu der Erkenntnis gekommen ist, zu oft zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein. Als Opfer von Umständen, die er trotz eigener Interventionen nicht beeinflussen konnte. Und von denen er noch einige Jahre zuvor nie geglaubt hatte, sie als erfolgreicher Musiker jemals erleben zu müssen. Das alles führt den Leser zum Kapitel „My Brother Jack“, welches wohl so ziemlich jeden Fan mit einem hohen Maß von Unfassbarkeit gelesen haben wird. Denn nur die engsten Bekannten wussten von Ures enormen Alkoholproblemen, weshalb dieses öffentliche Outing wie eine Bombe einschlug. Ure öffnet seine Seele. Und er schreibt darüber, wie er tatsächlich glaubte, besser als andere Musiker zu sein und wie er lernen musste, mit diesem Irrtum umzugehen. Der Sturz vom Gipfel des Ruhms, um aus der Talsohle heraus wieder einen Punkt der Zufriedenheit inmitten objektiver Realität zu erreichen. Er spricht auch über seine Frau, seine Kinder, seine Eltern. Über sein Leben für und sein Leben neben der Musik.

Im November 2005 folgte das erste Update als Taschenbuch. Ausschlaggebend dafür waren in erster Linie die Ereignisse rund um Band Aid 20 sowie dem darauf folgendem Konzert Live 8. Im Februar 2014 stellte Midge Ure in einer Präsentationsveranstaltung der Presse und den Fans dann ein weiteres Update seiner Biographie mit dem Titel „If I Was-An Audio Autobiography“ vor. Wir es der Titel bereits ausdrückt, handelt es ich im Gegensatz zu den vorherigen Veröffentlichungen bei dieser Version um ein Hörbuch und nicht um eine Druckausgabe. Dabei ist es Ure selbst, der seine Geschichte erzählt, welcher er die Kapitel „New Beginnings“, „Return To Eden“, „Strings To My Bow“ sowie einen erweiterten „Epilog“ hinzugefügt hat.

Darin schildert er schildert aus seiner Sicht, wie die zuvor nie für möglich gehaltene Reunion von Ultravox doch Realität wurde, wie die ersten Treffen nach Jahren der Kontaktlosigkeit mit seinen ehemaligen Bandkollegen abliefen, was es für ihn bedeutete, mit dem Rest von Ultravox wieder Musik zu machen und gemeinsam auf der Bühne zu stehen. Und er spricht hinsichtlich seiner privaten Erlebnisse über den Tod seiner Eltern.
Es war zunächst angedacht, eine deutsche Übersetzung zu produzieren. Doch die wäre nur erschienen, wenn sich ausreichend Fans verbindlich zur Abnahme bereits erklärt hätten. Das Vorhaben scheiterte.

Außergewöhnlich und für Ure dann doch auch irgendwie typisch, ist das Medium des Hörbuchs. Denn der USB-Stick ist nicht nur wegen seines Inhalts, sondern insbesondere wegen seiner der Form einer Kreditkarte ein mehr als begehrtes Sammlerobjekt für die Fans. Wie schon bei der Veröffentlichung seines ersten Buches, wurde auch hier eine limitierte Anzahl der ersten Bestellungen signiert ausgeliefert. Neben dem eigentlichen Hörbuch gibt es auch Bonusmaterial: Die Bilder der Druckversion, Fan-Bilder, das Instrumentalstück „Bridges“ (später auch Bestandteil der „Fragile“), Live-Videos und noch ein paar andere Kleinigkeiten.

 
 
 
No Regrets

Im Juni 1982 veröffentlichte Midge Ure seine erste Solo-Single „No Regrets“. Ein Song der Walker Brothers aus dem Jahre 1976. Midge wollte diesen Song immer singen bzw. auf seine Art interpretieren, seitdem er dieVersion der Walker Brothers gehört hat. Midge arrangierte „No Regrets“ völlig alleine. So sang er, spielte alle Instrumente und produzierte den Track. In Großbritannien reichte es für Platz 9 in den Charts.

If I Was


Durch seine Aktivität rund um das Band- Aid Projekt musste Ure die Arbeit an seinem ersten Solo-Album hinten anstellen. Dem Erfolg stand diese Entwicklung aber nicht entgegen und die Single „If I Was“ erreichte am 14. September 1985 die Spitze der britischen Single-Charts. Insgesamt vierzehn Wochen hielt sich der Song unter den Top Einhundert. In Deutschland reichte es immerhin zum zweiten Platz der Verkaufsliste. Das entsprechende Video machte das Pinscreen (=Nagelbild) populär.

Plattenkritik “If I Was”: „Ein Sieger im ersten Rennen. Typischer Sound, den wir von Midge und Ultravox kennen. Mit Sicherheit wird dieser Track mit der Zeit zu einem Dauerbelagerer des Redaktions-plattenspielers werden. Warten wir aufs Album.“

The Gift

Kurze Zeit danach wurde das Album „The Gift“, unter anderem mit einem Coversong von Jethro Tulls „Living In The Past“ veröffentlicht. Auch das Album stieg am 19. Oktober bis auf Platz 2 der Albumcharts. Aufgenommen und produziert wurde das Album in Zusammenarbeit mit Danny Mitchell von den Messengers in Midge‘s Heimstudio in Chiswick.

 Er war in erster Linie auch für den Text von „If I Was“ verantwortlich. Allerdings hatte Ure als Solo-Künstler jetzt ein Problem, welches er als Band-Musiker bisher nicht kannte: Er benötigte Gastmusiker. So fand er neben Mitchell weitere musikalische Unterstützung in Kenny Hyslop an den Drums, den er noch aus seiner Zeit bei Slik kannte. Auch Mark King von Level 42 und Nigel Ross-Scott von Re-Flex sind auf dem Album am Bass zu hören. Ursprünglich strebte Ure eine neuerliche Zusammenarbeit mit Mick Karn an. Diese scheiterte jedoch daran, dass Karn schlichtweg nicht auffindbar war. „The Chieftain“ ist ein Stück, das bereits mit Visage veröffentlicht wurde. Das Titelstück „The Gift“ widmete Ure dabei dem in Glasgow geborenen Künstler und Architekten Charles Rennie Mackintosh. Der galt gegen Ende des 19. Jahrhunderts als eine der führenden Persönlichkeiten der Art-Nouveau-Bewegung und setzte dem modernen Design als Vorreiter des Modern Art seinen Stempel auf. Dem Album folgte Ende 1985 die Tour, wodurch sich die Arbeiten am neuen Ultravox-Album entsprechend verzögerten. Eine Entwicklung, die im weiteren Verlauf Auswirkungen auf die Band haben sollte.

Diverse Platten-Kritiken zum Album jedenfalls belegen das, was auch schon bei Ultravox an der Tagesordnung war: Uneinigkeit. Die Meinungen zu Ures Erstlingswerk waren doch sehr unterschiedlich und gespalten.

LP der Woche & Diverse Kritiken: „Sein zielsicheres Gefühl für das richtige Timing beweist Englands Keyboard-Klangzauberer Midge Ure beim jüngsten Soloprojekt: Während sich die Softballade ‚If I Was’ zum Tophit entwickelt, ist das dazugehörige Album - passend zur Vorweihnachtszeit - ‚The Gift’ betitelt. Midge Ure ‚beschert’ sechs weitere Balladen der bombastischen Art, teils fernöstlich angehaucht (‚She Cired’), teils mit avantgardistischen Schrägtönen versetzt (‚When The Winds Blow’). Interessant auch die raffinierten Instrumental-Klanggemälde ‚Antilles’ und ‚The Chieftain’. Einziges Minus ist die halbgare Neuversion des Jethro-Tull-Klassikers ‚Living In The Past’. Fazit: Traumsound mit kleinen Widerhaken.“
„Bandmitglied versucht sich als Solo-Künstler. 227. Folge: Ultravoxens Midge Ure. Wenn es stimmt, dass Bandmusiker gerne auch außerhalb mal auf Solo-Pfaden wandeln, weil sie dann Ideen verwirklichen können, die im Konzept ihrer Hausband keinen Platz haben, dann kann man Ures ‚Geschenk’ nur teilweise der Sparte ‚Soloprojekte’ zurechnen. Denn auf der ersten Seite dieser LP gibt es bis auf das gelungene Remake des Jethro-Tull-Klassikers ‚Living In The Past’ nichts zu hören, was nicht auch Ultravox so gespielt haben könnte. Hier werden dieselben musikalischen Floskeln, derselbe weinerliche Klagegesang, dieselbe schwülstige Endzeitstimmung und dasselbe kitschige Selbstmitleid strapaziert..

„Erst mit den vier Instrumentaltiteln der B-Seite erreicht Ure neue musikalische Ufer. ‚The Chieftain’ etwa lässt Techno-Funk- und Stimmungsbild-Elemente miteinander kontrastieren und stellt so die zerbrechliche Ultravox-Klangwelt auf ein kraftvolles Fundament. Letztlich hat Ures Solo-LP also doch eine größere stilistische Bandbreite als so manches Ultravox-Opus aufzuweisen.“

„Midge Ure ist ein begnadeter Musiker. Auch wenn auf den letzten Veröffentlichungen neben Genialem oft völliger Klang-Nonsens zu finden war; hier hat er endlich die Gelegenheit, all die musikalischen Dinge, die unter dem Namen Ultravox nicht machbar sind, zu realisieren. Und so erwartete niemand ein Ultravox-Album. Midge hat tief in die Studio-Trickkiste gegriffen und Klänge entstehen lassen, die einem nicht sofort ins Ohr gehen. Das benötigt schon etwas Zeit und Geduld. Da muss wirklich hingehört werden. Ungewöhnlich und reizvoll zugleich sind die Tracks und ein bisschen erstaunt es schon, dass die ausgekoppelte Single ‚If I Was’ bis an die Spitze der britischen Charts kommen konnte. Vielleicht der Live Aid/Band Aid-Bonus. Denn eigentlich finden sich auf ‚The Gift’ keine typischen Chartstürmer, eher Songs, die für den privaten Gebrauch bestimmt sind. Das erinnert stellenweise eher an einen Soundtrack zu einem imaginären Film, als an ein Pop-Album. Fast konzertant.“
„Ultravox-Leadsänger Midge Ure sicherte sich für sein Solo-Album die Dienste von Spitzenmusikern wie Mark King und Mark Brzezicki, womit er sich einen wertvollen rhythmischen Rückhalt schuf. Melodisch geschieht eigentlich nicht viel, doch geht von ‚The Gift’ eine eigenartige Atmosphäre aus. Am deutlichsten wird dies hörbar in der Uralt-Jethro Tull-Komposition ‚Living In The Past’, die Midge in einer brillant-unterkühlten Version bringt.“


„Ultravox-Leadsänger Midge Ure sicherte sich für sein Solo-Album die Dienste von Spitzenmusikern wie Mark King und Mark Brzezicki, womit er sich einen wertvollen rhythmischen Rückhalt schuf. Melodisch geschieht eigentlich nicht viel, doch geht von ‚The Gift’ eine eigenartige Atmosphäre aus. Am deutlichsten wird dies hörbar in der Uralt-Jethro Tull-Komposition ‚Living In The Past’, die Midge in einer brillant-unterkühlten Version bringt.“

„Migde Ure ist Ultravox. Das wird mit dieser Solo-LP deutlich. Und wir sehen an dieser Song-Kollektion auch, dass Ultravox in einer musikalischen Klemme steckt, die Midge nun durch diesen Alleingang umgehen will. ‚The Gift’ ist ein Album, das nicht durch einmaliges Hören entdeckt werden kann. Und es ist sicher nicht für die Tempel des nächtlichen Vergnügens oder fürs Autoradio.

‚The Gift’ beinhaltet ein erhebliches Klang-Kabinett, das durch Midge’s Charisma nicht zum bunten Sammelsurium von ‚Das wollte ich schon immer mal machen’-Songs verkommt. Natürlich klingt das dann doch stellenweise sehr nach Ultravox. Doch das muss nicht störend oder peinlich wirken. Midge hat seine musikalische Heimat längst gefunden. Und er versteht es mit jeder Veröffentlichung mehr und besser, eine seltsame Atmosphäre aus Zerbrechlichkeit, Melancholie und Pathos zu schaffen. ‚The Gift’ ist nicht bombastisch, eher ausgereift und ausgeklügelt - ein edles Geschenk.“

Weitere Auskopplungen aus dem Album sind „That Certain Smile“ und „Wastelands“. Das Video zu „That Certain Smile“ spielt in dem Theater, welches bereits auf dem Cover der Single „No Regrets“ abgelichtet war. In Großbritannien erreichte die Single am 16. November 1985 mit Platz 28 und in Deutschland am 27. Januar 1986 die jeweils höchsten Platzierungen. Zu „Wastelands“ wurde kein Video gedreht, doch konnte sich die Single mit Platz 46 am 8. Februar 1986 ebenfalls in den britischen Charts platzieren.

Plattenkritik „That Certain Smile“ „Das beste Stück aus der LP ‘The Gift’. Ebenso erfolgsträchtig wie ‚If I Was’. Midge Ure hat allerdings mit dem Problem zu kämpfen, dass er seit Ultravox‘ ‚Dancing With Tears In My Eyes’, zumindest seine Singles, immer nach demselben Sound-Strickmuster bastelt. Beim nächsten Mal also mehr Sorgfalt, bitte.“

 
 
Call Of The Wild und The Princes Trust
Neben der dann folgenden Arbeit am nächsten Album von Ultravox wurde Midge Ure 1986 erstmals als musikalischer Direktor für den „Prince’s Trust“ tätig. Im Rahmen seiner All-Star-Band, die u. a. aus Stars wie Elton John, Phil Collins, Mark King, Eric Clapton, Tina Turner, David Bowie und auch Mick Jagger bestand, trat er dabei auch selbst auf und spielte live seine im Juni 1986 veröffentlichte Single „Call Of The Wild“. Für acht Wochen hielt sich der Song in den Charts und erreichte dabei am 27. Juni 1986 mit Platz 27 die höchste Platzierung. Mit „When The Wind Blows“ und „After A Fashion” bei der Maxi-Single, sind auf der Rückseite Live-Versionen der „The Gift“-Tour. Auch in den Jahren 1987 (mit „If I Was“) und 1988 (mit „Dancing With Tears In My Eyes“) zeigte er sich für den musikalischen Teil der Benefizkonzerte verantwortlich. Alle drei Konzerte wurden als Kaufvideo, später auch als DVD veröffentlicht.
 
 

Answers (To Nothing)

„Answers“ ist für Midge bildlich gesehen das erste Soloalbum ohne Netz und doppelten Boden. Zur Zeit von „The Gift“ hatte er, für den Fall des Scheiterns, immer noch Ultravox als Sicherheit. Doch mit beendeter Tour Anfang 1987 war dieses Thema beendet. Er war auf sich alleine gestellt und wollte es der Welt zeigen. Emotional beeinflusst wurde er dabei durch die Diskrepanz seines eigenen Wohlstandes und der Armut, die ihm bei seinem Besuch in Afrika begegnete sowie der weltweiten ungerechten Verteilung von Macht und den draus entstehenden sozialen Schiefständen („Hell To Heaven“, „Dear God“, „Answers To Nothing“, „Remembrance Day“). Aber auch der Tod seines langjährigen Freundes Phil Lynott („Homeland“) und Beziehungsprobleme („Lied“) kamen zum Tragen. Mit „Just For You“ gibt es auch ein waschechtes Liebeslied und für „Sisters & Brothers“ konnte Midge sogar Kate Bush als Gesangspartnerin gewinnen.

Weitere musikalische Unterstützung erhielt er durch Gastmusiker wie Mark King, Mick Karn oder aber auch Mark Brzezicki. Entgegen „The Gift“ stammten aber dieses Mal fast alle Songs aus Ures Feder. Auch dahingehend trifft die Bezeichnung Solo-Album eher zu, als es beim Vorgänger unter tatkräftiger Mithilfe von Danny Mitchell eher noch eine Co-Produktion war. „Answers“ soll Missstände aufzeigen, ohne selbst Antworten geben zu können. Entsprechend auch der Titel des Albums.

Die erste Single war mit „Answers To Nothing“ der Titeltrack des Albums und erschien im August 1988. Doch zu mehr als Platz 49 in den britischen Charts mit vier Wochen Zugehörigkeit reichte es nicht. Dabei gestaltete sich bereits der Videodreh zu einem Desaster, weil vieles von dem, was gemacht werden sollte, aus diversen Gründen einfach nicht funktionierte.

Das Album selbst, veröffentlicht im September 1988, stieg bis auf Platz 30 in den britischen Album-Charts. Nach wie vor lag Midge viel daran, in den Staaten Fuß zu fassen. Tatsächlich hielt sich das

Album dort sechzehn Wochen in den Charts und erreichte dabei mit Platz 88 die höchste Platzierung. In Großbritannien war das Album zwar höher platziert, aber dafür auch nur drei Wochen unter den Top Einhundert. In Deutschland konnten sich weder Album noch Single durchsetzen. „Dear God“ ist die zweite Auskopplung. Obwohl der Titel einen religiösen Hintergrund vermuten lässt, ist er es nicht wirklich. Vielmehr ist es die unbeantwortete Frage nach dem Sinn für die vielen Ungerechtigkeiten dieser Erde. Live war Ure mit diesem Album lediglich in den Staaten als Support für Howard Jones unterwegs.

Anfangs wunderte sich die Presse dahingehend schon und fragte, warum denn der Meister vor dem Lehrling spielen würde. Derartige Kritiken galt es vor Howard Jones aber zu verbergen. Schließlich sei es unklug, den Headliner zu verärgern. Tatsächlich sorgte Ures Anwesenheit auf dem nordamerikanischen Kontinent und das entsprechende, in den USA gedrehte Video dafür, dass „Dear God“ sich im Januar 1989 ebenfalls in den dortigen Charts für fünf Wochen und mit Platz 95 als höchste Platzierung positionieren konnte. In Großbritannien reichte es für Platz 55. Dennoch zeigte sich Ure extrem verärgert darüber, dass seine Musik durch die Plattenbosse nicht die Berücksichtigung und Vermarktung erhielt, derer er sie für würdig hielt; auch aufgrund des Argumentes, dass der Titel das Wort „God“ beinhalten würde, was die Akzeptanz unter der amerikanischen Bevölkerung negativ beeinflussen würde. Trotz lokaler Unterstützung blieben die erhofften Verkaufszahlen aus und erstmals befand sich Midge Ure in einer Situation, mit der er in diesem Ausmaß bisher noch nicht konfrontiert wurde: Erfolglosigkeit. Nach Ausräumung vertragsrechtlicher Probleme trennten sich die Wege von Chrysalis und Midge Ure. Und nicht nur das: Sein Streben, die Stufe eines Sting, Peter Gabriel oder Phil Collins zu erreichen, rückte wieder in die Ferne. Was aufgrund der zumindest in Deutschland mitunter sehr positiven Kritik kaum nachvollziehbar war.

 

 

Pure

Während der Trennungsphase von Chrysalis nutzte Midge Ure die Zeit, die Arbeiten neuer Songs voranzutreiben. Thematisch gesehen sieht Midge Ure selbst den roten Faden des Albums im Auf und Ab zwischenmenschlicher Beziehungen. Dabei versucht er aber, sich vom Liebeslied im eigentlichen Sinne zu distanzieren und sich mit den schwereren Zeiten einer Partnerschaft zu befassen. Mitunter verarbeitet er dabei die eigene Trennung von seiner ersten Frau. Die unterschiedlichen Stimmungen spiegeln sich auch in der musikalischen Umsetzung wieder. So ist „Cold Cold Heart“ ein eher optimistischer und freundlich-hoffnungsvoller Popsong. „Pure Love“ ist - vom Tango - beeinflusst eher nachdenklich, während das keltisch angehauchte „Waiting Days“ schon fast düster und depressiv wirkt. Aber in den Songs, an denen Ure zwei Jahre im heimischen Studio und in seinem Exil auf Montserrat arbeitete, bevor das durch einen Wirbelsturm zerstört wurde, geht es nicht nur um das Thema Liebe. Nach wie vor beschäftigt Ure die Entwicklung auf dem afrikanischen Kontinent. Bei „I See Hope“ versucht er mit Gospelchören, afrikanischen Beats und keltischen Instrumenten, eine optimistische Stimmung zu verbreiten, ohne dabei einen religiösen Bezug herstellen zu wollen.

Der Bezug zur Realität bei „Tumbling Down“ ist da wesentlich prägnanter. Hier geht es um den Fall der

Berliner Mauer und die Wiedervereinigung Deutschlands. Wichtig ist ihm dabei primär der Stil, wie diese Thematik musikalisch umgesetzt wird, um nicht einem weiteren Klischee zum Opfer zu fallen. „Let It Go?“ ist ein weiterer Song mit Tiefgang, der in jedem Hörer die Frage aufkommen lassen soll, was jeder selbst für sich machen kann oder auch sollte, um etwas zu bewegen. Mache ich genug? Kann ich überhaupt etwas erreichen? Oder wird sich irgendjemand Anderer darum kümmern? Zufall oder nicht, aber zur gleichen Zeit schrieb sein Freund und Weggefährte aus Zeiten von Band Aid Bob Geldof mit „The Great Song Of Indifference“ ein Stück mit identischer Botschaft. Insgesamt ist „Pure“ ein Album voller Harmonien, auch weil Midge selbst sich für einen strukturverliebten und melodie-orientierten Musiker mit Hang zum Altmodischen sieht. Neben Stücken für ein nächstes Album schrieb er mit “Come The Day“ den Titelsong für den Film „Die Klasse von 1999“. Leider wurde der Film selbst der Qualität des Songs nicht gerecht.

Über Heinz Henn kam der Kontakt zu BMG Deutschland zustande, der dort in seiner Funktion als A&R Manager tätig war. Er war ein Anhänger von Ures Musik und so hörte er sich mit ihm zusammen in dessen Studio das neue Material an, was Ure seit „Answers“ geschrieben hatte. Es waren fast ausreichend genug Songs für ein neues Album und Henn gefielen die Stücke auch. Doch die potenzielle Hit-Single fehlte ihm. Also sang Ure ihm den Rough-Mix von „Cold Cold Heart“ vor, woraufhin Ure und Henn sich auf einen Künstlervertrag einigten. Ure sah die Möglichkeit, auf diese Weise auch in Großbritannien und den USA Einfluss nehmen zu können. Während in Großbritannien die Arista ansässig ist, ist es unter dem Deckmantel BMG International in New York die Arista und RCA. Henn überredete Midge zu einem Plattenvertrag mit der BMG, wobei der davon ausging, dass sich die Major Label in jedem der länderspezifischen Sparten seinen Bedürfnissen anpassen würden.

Die Wirklichkeit sah aber anders aus. In den USA sollte Ure zunächst bei Arista unterkommen. Doch dort sollte seine Musik nach Wunsch des hiesigen Bosses Clive Davis musikalisch angepasst werden. Damit war Midge aber nicht einverstanden und so landete er bei RCA, der in den Staaten weit weniger Einfluss als Arista hatte. In Großbritannien lief es auch nicht besser, weil Arista dort eher ein Black Label ist und musikalisch eher dem R&B zugetan.

Nach eigener Einschätzung fühlte Midge sich wie ein Fisch auf dem Trockenen. „Cold Cold Heart“ erschien im August 1991. In Großbritannien stieg der Song bis auf Platz 17 der Charts und hielt sich dort für sieben Wochen. In Deutschland reichte es lediglich für Platz 47, dafür aber zehn Wochen in den Top Einhundert. Das Video wurde unter der Regie von Ure selbst in Los Angeles und Mexiko gedreht. Für eine Platzierung in den USA reichte es nicht. Dennoch war „Cold Cold Heart“ fester Bestandteil der dortigen Programms unabhängiger Radiosender. Das Album „Pure“ erschien im September 1991 und hielt sich mit Platz 36 nur zwei Wochen in den britischen Charts. In Deutschland war Midge im November 1991 live unterwegs.

Für Ure war es absolut unverständlich, dass der erwartete Erfolg ausblieb. Mittlerweile stufte er seinen Umgang mit „Answers“ als seinen eigenen Fehler ein. Aber „Pure“ hielt er für ein gutes Album. Nichts spräche dagegen, dem Vergleich mit den Alben anderer erfolgreicher Künstler standzuhalten. Doch während die Millionen verdienten, schien er neuerlich sein Ziel verfehlt zu haben. „Pure“ friste ein unspektakuläres Dasein. Auch „I See Hope“ war für Midge ein ähnlich starker Song wie “Cold Cold Heart”. Er erschien zwar als Single, doch bekam er aufgrund fehlender Unterstützung keine Chance. Entsprechend reichte es nicht für Platzierungen; auch nicht für „Let It Go?“, der letzte Auskopplung des Albums.

Midges Frustration gipfelte darin, dass BMG die eigenen Entscheidungen in Zweifel stellte und Midge wieder in die Zuständigkeit „Artist And Repertoire“ (A&R) verwies. Fallengelassen werden konnte er aufgrund seines gültigen Vertrages nicht. Er wurde aber schlichtweg ignoriert. So ahnte Ure bereits, dass auch ihn das Schicksal ereilen würde, welches bereits anderen einstmals großen Künstlern widerfuhr, die bei BMG untergekommen waren. Unrühmlicher Höhepunkt war wohl, dass beim einzigen Weihnachtsgeschenk, welches er von BMG erhalten hat, mit „Mitch“ sein Name auch noch falsch geschrieben wurde.

Den Grund für die aus Ures Sicht katastrophale Entwicklung erfuhr er bei einem internationalen Treffen der BMG durch ein Streitgespräch zwischen Heinz Henn als Vertreter der Deutschen BMG und seinem britischem Pendant heraus. Da verstand er, dass die verschiedenen Niederlassungen nicht miteinander, sondern gegeneinander arbeiteten. Aufgrund kontraproduktiver Mentalitäten stand sich das Unternehmen selbst im Weg. Und somit sah Midge kaum Hoffnung, auf dem britischen und amerikanischen Markt eine weitere Chance zu bekommen, sollte er nicht neuerlich einen Hit schreiben. Doch auch das gestaltete sich als schwierig, weil er vertraglich gesehen eigentlich als starker Musiker in Sachen Komposition und Produktion autonom handeln durfte. Während seine Versuche der direkten Kontaktaufnahme mit den USA und Großbritannien nahezu gänzlich ins Leere liefen, legte ihm die BMG in Form von Heinz Henn bei jedem seiner Demos nahe, die an sich guten Ideen doch mit einem Produzenten zu bearbeiten. So auch mit einem bereits 1991 entstandenem Stück, das ursprünglich instrumental war. Chris O’Donnell war ausschlaggebend, dass auch ein Text hinzukam, da ihn die Stille des Songs an Ein- und Ausatmen erinnert. Bis zur Veröffentichung des Songs dauerte es aber noch eine Weile.

 
 

Breathe

Auch bei „Breathe“ blockte die BMG das schon fertige Master mit der Begründung ab, es sei zu elektronisch. Tatsächlich war Midge davon überzeugt, dass es an seiner komplett von ihm selbst durchgeführten Produktion lag. Eben genau das widersprach der damaligen Ideologie der Plattenindustrie, welche die unbedingte Zusammenarbeit mit einem namhaften Produzenten vorsah. Auf Heinz Henn konnte er nicht mehr zählen, und der britische Zweig der BMG reagierte überhaupt nicht mehr auf seine Anrufe. Mehr gezwungen als aus freiwilligen Stücken begab sich Ure mit einigen anderen Musikern auf eine Songwriter-Tour quer durch die USA.

Er tauschte seine elektrische Gitarre gegen eine akustische aus und präsentierte seine Songs musikalisch minimalistisch. Doch während die anderen Musiker während der Ruhephasen neue Songs schrieben, verbrachte er seine Zeit eher mit anderen Dingen. Erst nach und nach konnte er auch durch die Anwesenheit geballter Kreativität überzeugt werden, zum Wesentlichen zurückzukehren: Zur Musik. Und was er sich kaum vorstellen konnte, einen Song wie „Vienna“ unplugged zu spielen, funktionierte tatsächlich. Und so begann auch er mit dem Schreiben neuer Songs.

Dass er 1992 das Thema zur „Playboy Late Night Show“ beisteuerte, sei an dieser Stelle nur am Rande erwähnt. Im Februar 1993 erschien das Video “Answers - A Musical Biography”. Neben diversen TV-Ausschnitten und Musikvideos gibt es auch zahlreiche Interviews mit Leuten, die Midge auf seinem Weg begleitet haben. U. a. sind neben Ure selbst auch Kenny Hyslop, Rusty Egan, Bob Geldof, Chris Cross, Phil Collins, George Martin und auch Scott Gorham (Thin Lizzy) zu sehen und zu hören. In chronologischer Reihenfolge werden die Station seines Werdegangs aufgezeigt und mit Geschichten und Erzählungen aufgefüllt. Im gleichen Jahr kam die entsprechende CD zum Video in Großbritannien bis auf Platz 10 der Albumcharts. Nach seiner Rückkehr von der Songwriter-Tour ging Ure


gewissermaßen einen Kompromiss ein, indem er sich selbst auf die Suche nach einem Produzenten machte. Über Richard Beck gelangte er an The Comedy Divine von Milla Jovovich. Zunächst war Midge irritiert, da er sie eher als Schauspielerin denn als Sängerin kannte. Doch von der Qualität der Aufnahme war er begeistert, da sie genau die lebendigen und kraftvollen Eigenschaften in sich trug, die er wollte. Der Produzent war Richard Feldman, ein Gitarrist und Songwriter aus Texas, der in Los Angeles wohnte. Midge war sich sicher, seinen Mann gefunden zu haben. Der Kontakt über die BMG wurde hergestellt. In den USA traf er auf viele neue Musiker und unter anderem auch auf Sally Dworsky, mit der er das Duett „Guns And Arrows“ interpretierte.

Die Zusammenarbeit mit Feldman gestaltete sich produktiv, aber auch anstrengend. Nicht selten kam es zu hitzigen Diskussionen darüber, wie etwas zu klingen habe und musikalisch umgesetzt werden sollte. Aber auf diese Art und Weise entstanden Dinge, die Midge so eher nicht gemacht hätte. Aber an die Zusammenarbeit mit einem Produzenten musste sich Midge nach „Quartet“ erst wieder gewöhnen. Auch die Entstehung des neuen Albums hatte im Vergleich zu „Pure“ den gravierenden Unterschied, dass statt ein paar Musikern jetzt viele unterschiedliche Sounds und Instrumente mit irisch-keltischem Einfluss durch an die zwanzig unterschiedliche Musiker eingespielt wurden. Hervorzuheben wären da Robert Fripp und Paddy Moloney von den Chieftains, Ofra Harnoy am Cello und Eleanor McAvoy von Hothouse Flowers als Sängerin.

Für den orientalischen Touch bei „Live Forever“ zeigte sich Shankar verantwortlich. Midge stuft das Album im Vergleich zu den Vorgängen als viel persönlicher ein, weil er aufgrund der Zusammenarbeit mit den vielen Gastmusikern selbst kaum ein Instrument eingespielt hat und hauptsächlich gesungen hat. Da er auch der Produktion eher beiwohnte, als diese selbst vorzunehmen, fühlt er sich den Songs mehr verbunden und sieht in ihnen somit eine gesteigerte Ehrlichkeit und Offenheit. Trotz aller akustischen Instrumente vertraut er dennoch auf den Einsatz von Samples und Synthesizern, um auf diese Art den klanglichen roten Faden von „Breathe“ mit einer Mischung aus Technik und Tradition zu finden.

Nach Fertigstellung schickte Ure das Album nach New York. Doch aufgrund der Tatsache, dass die dortige RCA gerade führungslos war, wurde die Veröffentlichung auf Eis gelegt. Als sechs Monate später immer noch nichts geschah, fragten Midge und Chris O’Donnell selbst nach und erfuhren, dass auch die Arista in Großbritannien auf der Suche nach einer Leitung der Führungsetage war. Und solange diese Positionen nicht neu besetzt waren, würde trotz eines fertigen Albums auch nichts passieren. Mit „Trail of Tears“ wurde 1995 dennoch ein Song des Albums bereits veröffentlicht. Und zwar als Soundtrack des US-Films „Die Sache mit den Frauen“. Und mit „My Wonderful Friends” tauchte ein weiterer Song, der woanders nicht veröffentlicht wurde, kurz im Zeichentrickfilm “The Adventures of Mole” auf.

Es dauerte letztendlich bis 1996, bevor „Breathe“ veröffentlicht wurde. Für die gleichnamige Single wurde in Südengland nahe des Westbury White Horse, einem 1778 entstandenen Scharrbild, das entsprechende Video gedreht. Auf Promotion-Auftritte und diverse One-Off- Gigs, insbesondere in Osteuropa, gab es durchaus positive Resonanz. Nur in Großbritannien nicht. In den fünf Jahren, die es bis zur Veröffentlichung dauerte, hatte sich die Musikszene verändert. Brit-Pop mit Bands wie Blur oder Oasis waren angesagt. Die Aufmerksamkeit für „Breathe“ hielt sich in Grenzen, und so landete die Single für gerade mal eine Woche mit Platz 70 in den britischen Charts. Daran änderte auch die zweite Single „Guns & Arrows“ nichts, die im November 1996 noch veröffentlicht wurde. Midge war völlig desillusioniert und unfähig, sich weiter musikalisch kreativ zu betätigen. Er sah seine Karriere am Boden zerstört.

How Long Is A Swatch Minute? Wie lang diese ist, hängt laut des Werbespots von der entsprechenden Situation ab. Doch zumindest kann behauptet werden, dass für Midges letztes Album in Italien eine neue Zeitrechnung begonnen hat. Decam, ein italienisches, auf Musik für Werbespots spezialisiertes Unternehmen, mochte „Breathe“. Einige der dort beschäftigten Mitarbeiter liebten diesen Song und fanden es nahezu tragisch, dass ihn kaum jemand kannte. Sie warteten auf die passende Gelegenheit und präsentierten ihn zusammen mit fünf anderen Songs als potenzielle Untermalung einer neuen Werbekampagne des Schweizer Uhren-Herstellers Swatch. Nicolas Hayek, Eigentümer des Unternehmens, verliebte sich sofort in „Breathe“ und wollte diesen unbedingt für die Werbekampagne haben.

Midge war zunächst skeptisch, weil es schließlich ein eigenständiger Song war und nicht für eine Werbung geschrieben wurde. Er wollte sich irgendwie nicht unter Wert verkaufen. Andererseits war er sich des Wandels im Musikgeschäft bewusst und fragte sich, was er schon zu verlieren habe. Nachdem er den Werbespot sah, stimmte er schließlich zu. Große Hoffnungen machte er sich aber nicht, bis Heinz Henn ihn im Herbst 1997 anrief und darüber informierte, dass in Italien „etwas passiere“. Bei den Radiosendern liefen die Telefone heiß, weil jeder wissen wollte, was denn das für ein Song sei. Paradox, dass niemand die Antwort wusste, obwohl das Album bereits seit zwei Jahren in deren Archiven stand. Allerdings riefen wohl auch genug Hörer an, die den Song kannten und die Unwissenden entsprechend ins Bild setzen konnten.

Die Ereignisse überschlugen sich, als „Breathe“ bis an die Spitze der italienischen Charts stürmte. Eine Tour musste her. Über Josh Phillips, mit dem Midge bereits früher arbeitete, und seiner neuen Tour-Managerin Berenice Hardman ließ er eine Band zusammenstellen. Diese musste aber besondere Fähigkeiten besitzen, da auch die keltisch anspruchsvollen Stücke der „Breathe“ umgesetzt werden mussten. Neben Josh Philips selbst bestand diese aus Russell Field (Drums), Dave Williamson (Bass) und Troy Donockly, der neben der Gitarre auch die Palette irischer Instrumenten abdeckte.

Gleich die erste Probe empfand Midge als derart atemberaubend, dass er nach nur zwei Stunden die zuvor für ihn fremden Menschen bereits als beste Freude ansah. So ging es durch Italien und Midge fühlte, wie das Leben und der Spaß in den musikalischen Bereich seines Lebens zurückkehrten. Und nicht nur das. Viel wichtiger war ihm, dass er mit der Einschätzung seiner eigenen Fähigkeiten richtig lag. Er konnte noch immer gute Musik schreiben. Und diese Bestätigung gab ihm das Gefühl von Zufriedenheit und auch Genugtuung. Der Erfolg weitete sich aus und auch in anderen Ländern ging es mit „Breathe“ weiter nach oben. Während das Album in Deutschland im März 1998 bis auf Platz 63 stieg, ging es in der Schweiz bis auf Platz 22 und in Österreich sogar bis auf Platz 10. Die Single war hingegen erfolgreicher (D12, AT1, CH17). Und auch in anderen Ländern Europas reichte es für gute Platzierungen in den jeweiligen Charts.

Die große Ausnahme war erneut Großbritannien, weil dort der Werbespot nicht allen Fernsehzuschauern zugänglich war. Außerdem weigerte sich die dortige Vertretung der BMG, die Single erneut zu veröffentlichen. An den Differenzen zwischen den Ländervertretungen hat sich nichts geändert und obwohl der Erfolg des Songs offensichtlich war, ignorierten sie ihn einfach.

 
 

 Move Me

Durch die ungeplante Tour 1998 mussten die Arbeiten für das Folge-Album entsprechend nach hinten verschoben werden. Mit „Move Me“ kehrte Midge Ure von seiner folkloristischen Exkursion, auf die er sich mit „Breathe“ begeben hatte, stilistisch wieder zu dem Sound zurück, den man vom ehemaligen Ultravox-Frontmann kennt. Sein Anteil an den von ihm selbst eingespielten Passagen hat sich entsprechend wieder vergrößert, wodurch er die Rolle des Zuschauers abgibt und die Musik wieder wesentlich gitarrenorientierter ist. Außerdem hat er den Synthesizer für sich wiederentdeckt, um mithilfe neuer Technologien und Klangfarben die passende Atmosphäre zu schaffen. Zwar klingt das Album völlig anders als „Breathe“, doch der prägende Stempel Ures ist eindeutig, wobei „Move Me“ im Vergleich zu seinen vorherigen Alben eine Spur mystischer und dunkler zu sein scheint. Die Grundstimmung scheint irgendwo zwischen ernster Traurigkeit und optimistischer Melancholie zu liegen. Dafür verantwortlich ist Midge selbst, da er die Rolle des Produzenten wieder selbst ausfüllt und sich hinsichtlich neuer Ideen sehr experimentierfreudig zeigt.

Seine Absicht lag darin, einen Unterschied zu seinen früheren Werken zu erlangen. Auch auf die Gefahr hin, dass die Fans, welche erst aufgrund der Single „Breathe“ und des entsprechenden Albums auf den Geschmack gekommen sind, jetzt aufgrund des doch etwas anderen Sounds überrascht gewesen sein dürften. Für die Fans allerdings, die Midge und seinen musikalischen Werdegang schon länger verfolgten, war es lediglich eine Rückkehr zur Normalität. Nach wie vor handeln seine Songs von dem, was das Leben bietet. Seien es Bücher, TV-Sendungen, Nachrichten, Erfahrungen oder Ereignisse. Es geht in erster Linie um das Auf und Ab des Lebens. Das Album ist thematisch weit gefächert, aber durchaus mit dem erforderlichen Roten Faden. Dabei sieht Midge den Vorgang des Songwritings durchaus als eine Art von persönlicher Therapie, um sich auf diese Art seine Ängste, Sorgen, Gedanken von der Seele zu schreiben. Erfolg bedeutet dann für ihn, wenn er von seinen Fans

ein positives Feedback bekommt und diese sich inhaltlich mit seinen Texten identifizieren können. Entsprechend sieht er seine Vorgehensweise als harte Arbeit an. Die Produktivität einiger Hitmaschinen, die nach einem Besuch der Toilette nach fünf Minuten scheinbar mit einem halben Album zurückkommen, hält er auf eine absurde Art für lächerlich. Sein Anspruch an sich selbst ist auch ein völlig anderer. Denn er möchte nicht versuchen, vielleicht einen interessante-ren Song als jemand anderes zu schreiben. Er möchte es, ohne sich um des Erfolges Willen verbiegen zu müssen, interessanter machen als das, was er selbst in der Vergangenheit geschrieben hat. Es sollte mindestens gleichwertig, im Optimalfall aber besser sein. Und darin liegt auch die Schwere der Arbeit. Es dauert mitunter sehr lange, bis er mit etwas zufrieden ist und für albumtauglich hält. Immerhin ist das Niederschreiben von Gefühlen und Gedanken ein sehr persönlicher und intimer Akt, mit dem er sich anschließend seinen Fans und der Öffentlichkeit präsentiert.

„Move Me“ als Song handelt davon, sich sowohl physisch als auch psychisch zu bewegen, sich spirituell zu betätigen und sich von Eindrücken und den entsprechenden Emotionen inspirieren zu lassen. „Alone“ klingt beim ersten Eindruck nach Selbstmitleid, was auch zutrifft, wenn man sich nicht um Gesellschaft bemüht und sich somit selbst zur Einsamkeit verurteilt. Ähnliches beinhaltet „Somebody“, der zum Ausdruck bringen will, dass jeder Mensch eine Schulter zum Anlehnen braucht. Sei es nun mental oder auch körperlich. Etwas drastischer ist da schon „Beneath A Spielberg Sky“. Der Name des Regisseurs dient dabei als Metapher für das ganz große Kino. Leuchtende Farben, tiefe Gefühle und beeindruckende Bilder. Tatsächlich geht es dabei um Krieg und den Wandel der Zeit. Alles wird realistischer und die Technik macht es möglich, über alles informiert zu sein mit dem Empfinden, sich selbst mitten im Geschehen zu befinden. Und sollte eines Tages die Welt für immer untergehen, erfährt der Zuschauer alles aus erster Hand mit „Beneath A Spielberg Sky“. Die Idee zum „Refugee Song“ entstand während Ures Aufenthalt im Kosovo, als die Spuren des dortigen Bürgerkrieges bei ihm nachhaltigen Eindruck hinterließen. Er versuchte sich in die Lage der Flüchtlinge zu versetzen und zu verstehen, wie er mit dieser Situation umgehen würde. Das instrumentale Stück „Monster“ war eigentlich für das Fernsehen gedacht und eine Dokumentation über Frauen im Gefängnis. Doch als sich das Stück aus einer Mischung zwischen Led Zeppelin und Fatboy Slim entwickelte, entschied er sich anders und behielt es für sich, um es auf das Album zu packen.

Nach Fertigstellung von „Move Me“ legte Midge sehr großen Wert darauf, den Schwung des unverhofften Erfolges mit in die Zukunft zu nehmen. Er hatte dafür gesorgt, dass die Konzerte der Tour mitgeschnitten wurden und bot der BMG in Form von Firmenchef Rudi Gassner kostenfrei an, die fertig abgemischte Aufnahmen zur Veröffentlichung eines Live-Albums als Überbrückung bis zum neuem Album zu verwenden. Doch der lehnte ab, weil das nächste Album von Midge Ure seiner Meinung nach kein Live-Album sein sollte.
Als „Move Me“ Ende 1999 fast fertig war, gab es noch immer keine Veröffentlichung. Und das Schicksal meinte es mal wieder nicht gut mit Midge. Gassner starb kurz vor Weihnachten unerwartet beim Jogging. Schon tragisch genug, war Gassner einer der letzten Fürsprecher bei BMG International, die er noch hatte. Als kurz danach auch Heinz Henn noch das Unternehmen verließ, hatte er in der Österreicherin Gaby Sappington nur noch eine Verbündete. Sie setzte sich dafür ein, das Midge zumindest bei BMG Entertainment unterkam.


Midge unternahm selbst etwas in Sachen Promotion und bekam auch durchaus positive Resonanz. Doch sein Album erschien wieder mal zum falschen Zeitpunkt und versank ohne Promotion jenseits der öffentlichen Wahrnehmung in der Versenkung. Weder das Album noch die Singles „You Move Me“ sowie „Beneath A Spielberg Sky“ schafften es in die Charts. Selbst Videos, die er selbst produzierte und seinem Label zur Verfügung stellte, konnten nicht verhindern, sich neuerlich damit abfinden zu müssen, sein Ziel verfehlt zu haben. Dabei war er nach wie vor fest davon überzeugt, weitere Hits schreiben zu können. Er muss nur für den richtigen Song den optimalen Zeitpunkt der Veröffentlichung finden. So wie es bei „Vienna“ und „If I Was“ passierte. Doch mittlerweile wurde ihm mehr und mehr bewusst, dass er auch ein ganz anderes Probleme zu lösen hatte: Die Überwindung seiner Alkoholsucht. Schon mit „Let Me Go“ deutete er auf dem Album an, welche Dämonen er zu bekämpfen hatte. In einem Interview zum neuen Album meinte Midge, dass er sich für die Zukunft einen guten Verkauf der „Move Me“ wünsche und dass es nicht wieder sechs Jahre bis zum nächsten Album dauern würde. Zu diesem Zeitpunkt konnte er nicht ahnen, dass keiner seiner Wünsche in Erfüllung gehen würde.

 
 

TEN

2008 erfüllte sich Midge einen anderen langersehnten Traum, als er „Ten“ aufnahm. Schon seit Jahren sprach er davon, eine Compilation mit Coversongs zu veröffentlichen. Dabei handelt es sich um Songs, die ihm persönlich viel bedeuten und die ihn musikalisch geprägt haben. Für ihn ist es eine Reise in seine eigene Vergangenheit, und jeder der Songs hat für ihn eine ganz besondere Bedeutung. Hierzu Midge selbst zu seinen Tracks:

ALFIE: War der Soundtrack zum Familienurlaub in Largs am Fluss Clyde. Obwohl es nur dreissig Meilen von unserem Heimatort entfernt war, war es der Himmel für mich. In der frühen Morgensonne spazieren mit diesem Lied in der Luft, das aus tausend Radios schallte. Ich hatte die Version von Dion Warwick noch nicht gehört, denn die von Cilla Black war im Vereinten Königreich ein Hit. Die brillante Melodie und die Produktion von George Martin war alles, was man brauchte, damit Familienurlaube märchenhaft wurden.

MAN OF THE WORLD: Irgendetwas passierte, was ich immer noch nicht erklären kann, mit Gitarristen und Gitarren-Sounds in der Mitte der 60er Jahre. Anscheinend gab es eine Entwicklung vom besonders makellosen Hank Marvin zu schmutzigem, sexy, bluesigem Zeug von Leuten wie Clapton, Hendrix und dem Mann, der das hier sang, Peter Green. Ich zähle dies immer noch zu einem der schönsten Lieder, das jemals geschrieben wurde.


GOODBYE TO LOVE: Als ich in Glasgow lebte, hatte ich das unglaubliche Glück, dass mein Management das Apollo erwarb und betrieb, so dass es mir möglich war, jede Show zu besuchen, die sie durchführten. Ich sah sie alle, von Led Zeppelin bis Emmylou Harris, Black Sabbath bis The Carpenters. Dieses Stück war ein außergewöhnlicher Moment in deren Konzert, und trotz ihres uncoolen Durchschnitts-Images haben sie ein paar phänomenale Stücke geschrieben und aufgenommen.

DAY AFTER DAY: Badfinger wurden in den frühen 70ern angekündigt als die ‚neuen’ Beatles, was wohl für jede Band das Todesurteil bedeutet und fast unmöglich ist, diese Erwartung zu erfüllen. Trotzdem lieferten die beiden Songschreiber einige der unvergesslichsten Lieder, die jemals geschrieben wurden. „Day After Day“ ist in jeder Hinsicht ein großartiges Lied. Leider lebten die Jungs nicht lang genug, um den Beifall zu bekommen, den sie so sehr verdient hätten.

LET THE HEARTACHES BEGIN: Ich hatte diese Platte von meinen Tanten als Weihnachtsgeschenk bekommen. Es war die Zeit, in der die Menschen alles kauften, was Nummer 1 war, egal ob Du es mochtest oder nicht. Glücklicherweise war dies etwas, was ich mochte.

MY MINDS EYE: Die Small Faces waren ohne Zweifel meine Lieblingsband als junger Teenager. Sie hatten alles, was eine Band haben sollte: Charakter, Stil und großartige Songscheiber wie Steve Marriott und Ronny Lane. Zu der Zeit hielt ich „My Minds Eye“ nur für einen einfachen Popsong, aber über die Jahre hallte es viel tiefer nach, als ich es mir jemals ausgemalt hatte.

SONG FOR WHILE I‘M AWAY: Phillip Lynott war ein Poet, ein großartiger Songschreiber, der ultimative Rockstar und ein Freund. Als ich Thin Lizzy das erste Mal sah, spielten sie in einem winzigen Club in Glasgow, aber sie waren wie Dynamit, was nur darauf wartete, zu explodieren. Sie kombinierten Kraft mit Melodie, Romantik und Rock. ‚Song For While I’m Away’ ist aus diesen frühen Jahren, als der Poet noch wuchs und bevor der Rockstar übernahm. Die sensible Seite eines Vagabunden.

NEVERMORE: Freddie Mercury hatte nicht nur eine großartige Bühnenpräsenz, er war auch ein besonderer Songschreiber. Ich hörte Queen zum erstem Mal im Radio mit ‚Seven Seas Of Rye’ und der Sound und die Produktion hatten mich umgehauen. Sie klangen anders als alles, was ich bislang jemals mochte. ‚Nevermore’ tauchte auf dem zweiten Album der Band ‚Queen 2’ auf und hatte bereits nach wenigen Sekunden Eindruck bei mir gemacht. Das gesamte Album erinnerte an Tolkin und ich versuchte, diesem Thema auch bei meiner Version gerecht zu werden.

TO SIR WITH LOVE: Obwohl dieses Stück von einer weiblichen Studentin an einen männlichen Lehrer gerichtet ist, wollte ich es auf „Ten“ haben. Es hat so eine großartige Lyrik und beneidenswerte Melodie. Im Original von Lulu aus Glasgow aufgenommen und hier von einem anderen ruhmreichen Sprössling der Stadt.

LADY STARDUST: Wenn ich jemals meine CD für eine einsame Insel aussuchen müsste, glaube ich, dass das Ziggy Stardust-Album allem anderen um Längen voraus sein würde. Ich denke, dieses Album war für so viele Veränderungen in meiner Generation auf so vielen verschiedenen Ebenen verantwortlich. Musikalisch und modisch. Damals kamen Lieder und Symbolik zusammen und zeigten den Weg, dem alle folgten. Es besteht kein Zweifel, dass ohne dieses Album die Welt ein wesentlich weniger interessanter Platz wäre. ‚Lady Stardust’ sagt alles.

Bei den Fans schieden sich an „Ten“ jedoch die Geister. Die Umsetzung trifft nicht den musikalischen Nerv eines jeden Fans, was nicht zwangsläufig etwas mit der Auswahl der Songs zu tun hat. Natürlich hat sich jeder, der sich Fan von Midge Ure nennt, das Album zugelegt. Doch möglicherweise befindet es sich hier und da nur der Vollständigkeit halber im CD-Regal. Ein paar Rezensionen:

„Bei vielen Menschen gehört der eine oder andere Midge Ure Song zum Soundtrack ihres Lebens. Sei es nun der Solo-Hit ‚If I Was’, einer der unzähligen Hits von Ultravox wie z.B. ‚Dancing With Tears In My Eyes“, Hymn’, ‚Vienna’ oder auch das ewig junge ‚Fade To Grey’ von Visage. Mit seinem neuen Album ‚Ten’ legt Midge Ure nun den Soundtrack seines Lebens vor. Zehn Songperlen, die es wahrlich verdienen, im neuen Gewand präsentiert zu werden. ‚Ich bin gespannt, ob die Hörer die große Qualität der Orginal-Songs heraushören“, sagt Midge Ure zu seiner Songauswahl. Es sind beim ersten Hören sicher ungewohnte Töne vom ehemaligen Ultravox-Sänger. Wenn man aber auf die Texte achtet und die Musik dann auf sich wirken lässt, spürt man die Klasse der Songs. Midge covert keine Verkaufsklassiker, sondern Songs, die zum großen Teil zu ihrer Zeit untergingen. Queen’s ‚Nevermore’ z.B., angereichert mit einer Prise ‚Herr der Ringe’, oder auch ‚Day After Day’ von Badfinger. Beide Songs haben auch heute noch das Potenzial zum Radio-Hit. Dafür antreten wird aber zunächst ‚To Sir With Love’, im Orginal von Lulu. Einige der Songs hat Midge schon über Jahre live gespielt, so z.B. ‚My Mind‘s Eye’ von den Small Faces, ‚Song For While I‘m Away’ von Phil Lynott oder den Peter Greens Klassiker ‚Man Of The World’. Midge Ure hatte schon nach dem Erfolg seines ersten Coversongs ‚No Regrets’ 1982 ein Cover-Album angekündigt. Erst jetzt legt er es uns vor. Das Warten hat sich definitiv gelohnt.“


„So sehr seine Musik in der Vergangenheit - zu Zeiten von Ultravox und ‚The Gift’ - vor eingängigen Innovationen strotzte, so sehr mangelt es diesem Album an fast allem, was Midge Ure in den letzten ca. dreissig Jahren zu einem überragenden Pop-Musiker machte. Es ist nett anzuhören, weil die Lieder gut ausgewählt wurden und Midge sie singt und sie melodisch arrangiert hat - aber ohne Biss. ‚Let The Heartaches Begin“ ist für mich die einzige Ausnahme - mit Hingabe gesungen und mit typischem Midge-Gesang. Diese kraftvolle Stimme fehlt mir bei ‚Alfie’ und ‚Goodbye To Love’ total - was hätte er in früheren Zeiten daraus gemacht! Ruhiger, gefühlvoller Einstieg, ansteigende Dramatik, Crescendo! Auf dieser Scheibe reicht es nur für den Chill-Out! ‚Nevermore’ - toll ausgewählt, aber das Falsett geht in die Hose. Trotz meiner Enttäuschung bin ich froh über dieses Album, da jede Platte von Midge für mich ein Highlight darstellt, auch wenn er nur 50% seiner Leistung bringt.“

„Nachdem ca. acht Jahre seit seiner letzten CD ‚Move Me’ vergangen sind, habe ich mir sofort am 10. Oktober 2008 (Midge`s Geburtstag) sein neues Werk ‚Ten’ zugelegt und bin enttäuscht. Mir war durchaus bekannt, dass es sich hier ausschließlich um Coverversionen handelt, aber Midge hat in der guten alten Vergangenheit öfter bewiesen, dass er zu guten Coversongs fähig ist, z.B. ‚No Regrets’ oder ‚The Man Who Sold The World’. Seine zehn Songs gestalten sich jedoch sehr langweilig und monoton. Seine Stimme ist oftmals nicht zu erkennen. Besonders scheitert er an dem Queen-Song ‚Nevermore’. Die beiden Titel ‚Goodbye To Love’ und ‚Let The Heartaches Begin’ erinnern an alte Qualitäten, der Rest ist belanglos. Scha­de, da er mit ‚Personal Heaven’ in 2008 bereits einen schönen Ansatz hatte. Das Ganze ist nicht ganz verständlich. Und sehr schade.“
„Die Songs auf ‚Ten’ wurden im Winter 2007/2008 in Kanada aufgenommen und klingen leider auch so, als wären sie fern jeder Zivilisation in einer verschneiten Berghütte aus reiner Langeweile heraus entstanden. Entsprechend verschnarcht kommen die zumeist in akustischen Gewändern gehaltenen Interpretationen daher. Mit Midge Ures Wave-Pop-Vergangenheit hat dieses Album jedenfalls rein gar nichts zu tun, was auch nicht zwingend erwartet wird. Nichtsdestotrotz erinnern Songs wie ‚Alfie’ oder ‚Nevermore’ mehr an einen musikalischen Altherrenabend als an ambitionierte Singer/Songwriter-Kost. Dennoch muss man Midge Ure zugutehalten, dass er sich nicht wie die meisten anderen an bekannte Verkaufsschlager herangemacht und die Originalversionen komplett auseinandergenommen und auf ungewohnte Weise wieder zusammengesetzt hat. Das verdient Respekt. Dass das Ergebnis am Ende trotzdem etwas dröge klingt, ist deshalb besonders schade.“

 

 

Fragile

Vierzehn Jahre benötigte Midge Ure, um nach „Move Me“ (2000) ein neues Solo-Album („Little Orphans“ und „Ten“ unberücksichtigt) zu veröffentlichen. Immer wieder hat er seitdem betont, dass die Zeit für ein neues Album gekommen sei. Doch erst 2014 wurde die Absicht auch in die Tat umgesetzt. Scheinbar unter dem Mantel der Verschwiegenheit wurde „Fragile“ aufgenommen. Etwas überraschend, denn die Fans rechneten eigentlich eher damit, dass es ein weiteres Album von Ultravox geben würde.

Hypertension zum neuen Album: “Fragile ist das erste, brandneue Studio-Album des Grammy- und Brit Award Gewinners Midge Ure seit zehn Jahren. ‘I have recorded various things over that period’ sagt Ure. ‘A covers album of favourite songs, a few live CD‘s and of course the latest Ultravox album Brilliant, so I haven‘t been slacking. I just never felt the need to write and release an album just for the sake of it’. Fragile ist eine kongeniale Kombination der musikalischen Einflüsse aus dem Leben eines Musikveteranen und präsentiert Elemente Ures musikalischer Reise in seiner vollendeten Gitarrenarbeit (Rich Kids, Thin Lizzy) und der Elektronik-und Technologiephase, die er seit den späten 1970er Jahren (Visage, Ultravox) nutzt. Diese Elemente verbinden und verschmelzen mit Leichtigkeit dank seiner produktions- und soundtechnischen Kompetenz.

‚Fragile‘ ist im wahrsten Sinne des Wortes ein ‚Solo-album‘. Midge hat die Songs geschrieben, arrangiert und spielte fast alles selber in seinem Studio in Bath, England ein. Ein Album voll wunderbar produzierter, atmosphärischer Songs eines großartig, talentierten Songwriters. Er spannt den Bogen von ‚Become‘ und ‚Dark Dark Night‘, die aus der Zusammenarbeit mit dem Musikerfreund Moby stammen, und die zeigen, dass seine Elektro-Wuzeln mehr als nur eine vorübergehende Phase waren, zu dem berauschenden und an Kinosoundkulissen erinnernden Song ‚Fragile‘, der als ‚moderner Prog-Rock‘ bezeichnet werden kann. Auf Fragile sitzen Elektro- und Prog-Rock Songs bequem zusammen und ergänzen sich in dem einmaligen Spätwerk des Ultravox Masterminds.“


Was sofort auffällt: Unter den ersten vier Songs befinden sich sogleich drei Songs, welche zumindest den Fans von Midge Ure bereits bekannt sein dürften. „I Survived“ spielte Ure schon auf einen seinen Out-Alone-Touren. Allerdings nur mit Gitarre, weshalb der Song als Studio-Version mit nichts verglichen werden kann. Was aber auffällt: Der Gesang ist sehr hoch, wie es Ure sehr gerne in den letzten Jahren gemacht hat. Auch auf dem letzten Album von Ultravox. Vielleicht ist es daher kein Zufall, dass die musikalische Umsetzung sich von der Stimmung her der „Ten“ annähert und auch gewisse Parallelen zu „Contact“ bestehen. Von „Become“ und „Let It Rise“ hingegen existieren bereits Studioversionen. Und von „Let It Rise“, aufgenommen mit Schiller alias Christopher von Deylen, sogar eine Live-Version. Den Song ohne Schiller, bekannt für seine atmosphärischen und emotionalen Soundflächen, neu aufzunehmen, beinhaltet schon ein gewisses Risiko. Zumal Ure selbst die Version von Schiller schon als extrem gelungen einstuft. Auf die Idee, den Song alleine nochmals neu aufzunehmen, ist er während seiner Solo-Tour gekommen, als er ihn nur auf der Gitarre ohne die ganzen Synthesizer spielte. Viele Zuschauer fragten sich da, was das denn überhaupt für ein Stück sei. Fans, die ihn natürlich kannten, waren von der einfachen Interpretation begeistert. So sah Ure die Zeit als gekommen, seine eigene Interpretation des Songs aufzunehmen. Vielleicht ist diese Version eine Spur weniger spektakulär als das Original. Aber auf seine eigene Art transportiert er dennoch genau diese tragische Melancholie, für die der Song steht.

Etwas anders verhält es sich mit „Become“, der bereits im Rahmen der Nachwuchsförderung Tunited aufgenommen, aber nicht veröffentlich wurde. Eine eingängige Pop-Uptempo-Nummer, die in dieser Version ein musikalisches Facelift erhalten hat und durch zusätzliche Gesangslinien wesentlich reifer klingt. Ein Song, der sich durchaus in den Charts durchsetzen könnte. Dass er allerdings schon über ein Jahrzehnt alt ist und Midge es nie geschafft hat, diesen Song schon früher zu veröffentlichen, verrät er ebenfalls in einer seiner Videobotschaften. „Become“ steht in seiner Entwicklung dafür, dass er seit der „Move Me“ Zweifel daran hatte, ob überhaupt jemand noch Interesse an neunen Songs von ihm haben würde. Immer wieder bastelte er an dem Stück herum und probierte unterschiedliche Dinge aus, die ihm gefielen und dann wieder nicht. Ganz am Ende ist „Become“ für Ure die Rückkehr zu der Zeit Anfang der Achtziger, als er mit Visage in Sachen Synthesizer Maßstäbe setzte und bei Ultravox diesem Sound noch seine Gitarre hinzufügte. Das Quartett der ersten Songs vervollständigt „Are We Connected“. Wer versucht, etwas Vergleichbares in Ures Historie zu finden, wird möglicherweise scheitern. „Are We Connected“ würde vermutlich auf keines seiner vorherigen Alben passen. Eine groovender Bass, unter die Haut gehende Harmonien und eine Stimme, die den Hörer im wahrsten Sinne des Wortes ‚erreicht‘. Ure selbst sieht darin die Fortsetzung von „Contact“, dem letzten Stück der „Brilliant“. Die Menschen leben in einer Welt mit allen Möglichkeiten der Kommunikation. Aber sie kommunizieren nicht wirklich miteinander. Sie sind immer noch getrennt durch Hautfarbe, Rasse, Religion und durch Grenzen, die durch kleine Linien auf einer Landkarte festgelegt werden. Statt sich gegenseitig zu bekriegen, sollte miteinander gesprochen werden.

„Star Crossed“ hingegen würde jeder Fan sofort als Werk von Midge Ure erkennen. Die Gitarre verrät sofort den Komponisten und gemeinsam mit der Stimme könnte der Song - und das eine Tatsache und keine Kritik - der bisher unveröffentlichte Bonus-Track der „Move Me“ sein.

Mit dem Instrumentalstück „Wire And Wood“ (in Anlehnung an den Draht der Gitarrensaiten und das Holz des Gitarrenkorpus) beginnt die zweite Hälfte des Albums. Midge Ure war schon immer bekannt dafür, dass er gerne Instrumentalstücke schreibt, womit er auch die Frage beantwortet, ob ihm die Texte ausgegangen seien. Schon auf „The Gift“ hat das mit Stücken wie „Antilles“, „Edo“ oder auch „The Chieftain“ hervorragend funktioniert. Und mit „Wire And Wood“ scheint sich der Kreis hin „zurück zu den Anfängen“ zu schließen, weil er sich aufgrund seiner orchestralen Umsetzung eben diesen Klassikern annähert ohne Gefahr zu laufen, als Kopie bezeichnet werden zu müssen. Der Song überzeugt durch schöne Melodien und sorgt unbestreitbar für emotionale Momente.

„Dark Dark Night“ entspricht von der Stimmung her dem Titel und könnte der musikalische Bruder von „Are We Connected“ sein. Ein eher melancholischer Song, bei dem aber eher der Drum-Beat den Parts des Grooves übernimmt. Dazu wieder eine leichte und leicht rauchige Stimme im tieferen Bereich. Entstanden ist er durch die Anfrage von Moby, ob Midge mit ihm nicht eine Zusammenarbeit starten wolle. Der stimmte zu, Moby schickte ihm einige Keyboard-Spuren via Mail zu und Midge fügte seine Parts ein. Allerdings brauchte er zur Fertigstellung des einen Songs so lange, dass Moby zwischenzeitlich ein ganzes Album veröffentlichte. So taucht der Song letztendlich nicht auf Mobys, sondern auf Ures Album auf.

Auch „For All You Know“ ist ein sehr ruhiges Stück und erinnert ein wenig an „Tor“, dem Bonus-Track der Single „Fields Of Fire“. Mit einfachen Mittel wie Drum-Loop und Bass zusammen mit der Klarheit seiner Stimme und einer unter die Haut gehenden Melodie schafft es Ure wie kein anderer, die Gefühle des Hörers zu erreichen und Bilder zu erschaffen, die ihn Jenseits vom Alltag durch die Fantasie der Gedanken reisen lassen. „Bridges“ ist der zweite Instrumentalsong auf „Fragile“. Wesentlich gitarrenorientierter könnte er auch zur Zeit der „Answers To Nothing“ entstanden sein. Eine kurze Passage zumindest erinnert durchaus an „Homeland“. Den Abschluss des Albums bildet der Titelsong „Fragile“. Wie überhaupt das ganze Album, auch ein sehr ruhiger, aber auch eingängiger Song mit dem typischen Sound von Ures Gitarre. Dabei soll der Titel wohl genau das ausdrücken, was der Mensch mit seinen Hoffnungen, Erwartungen und Ängsten ist: Zerbrechlich.