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Der Ausstieg von Robin Simon war ein weiterer
Rückschlag für Chris, Billy und Warren. Es sah zunächst nach einer
Auflösung der Band aus. Doch die Besinnung erfolgte anhand der
Betrachtung der eigenen Geschichte. Sie hatten doch einiges erreicht,
und es wäre töricht gewesen, nicht zumindest einen Neustart zu
versuchen. Zudem stellte ihnen John Foxx frei, den Bandnamen auch
weiterhin zu verwenden. Also begab man sich auf die Suche nach einem
neuen Sänger und einem neuen Gitarristen. Die Idealvorstellung lag
darin, jemand zu finden, der beide Aufgaben gleichzeitig übernehmen
könnte. Denn wenn schon die markante Stelle des Frontmanns besetzt
werden soll, dann bevorzugt durch jemanden, der selbst Musiker ist und
nicht ein weiterer Sänger mit Sonderstatus. Zu der Zeit arbeitete Billy
an einem anderen Projekt namens
Visage, bei dem unter anderem auch Rusty
Egan und Midge Ure beteiligt waren. Egan hielt Ure für die ideale
Besetzung für Ultravox, da er sowohl singen als auch Gitarre spielen
kann. Also bedrängte er Billy dahingehend aktiv zu werden, da er auch
wusste, dass Midge großes Interesse daran hatte, die markante Stelle bei
Ultravox zu besetzen.
Doch Midge selbst wollte sich nicht selbst ins
Spiel bringen und wartete darauf, gefragt zu werden. Immerhin hatte
Ultravox zu diesem Zeitpunkt bereits drei Alben veröffentlicht und er
hielt deren letztes, Systems of Romance, für das beste Werk. Als Billy
sich endlich der sich bietenden Möglichkeit bewusst wurde, arrangierte
er ein Treffen mit Warren und Chris. Dabei waren die Verbliebenen von
Ultravox skeptisch, da er nach seinen bisherigen Engagements bei Slik
und den Rich Kids aus einer musikalischen doch eher anders orientierten
Ecke kam. Aber sie trafen sich, und Warrens größte Sorge, dass es sich
um einen humorlosen Zeitgenossen handeln könnte, zerschlug sich nach ein
paar gemeinsamen Stunden im Pub. Auch deshalb, weil er sich nicht
sträubte, sich an den obligatorischen Runden zu beteiligen. Nach einigen
Proben stellte sich heraus, dass Rusty Egan Wohl daran getan hatte,
Midge nachhaltig in die Band zu drängen. Denn er entpuppte sich nicht
nur als guter Gitarrist, sondern auch, so Warren, als guter Sänger und
nicht jemand, der seine Meinung einfach herausschreit. So war man sich
sicher, auf der Suche nach der richtigen Person fündig geworden zu sein,
um das neue Line-Up der Band zu vervollständigen und die ersten
gemeinsamen Proben in Angriff zu nehmen. Um sich während dieser
Übergangsphase aber auch finanziell über Wasser halten zu können, waren
alle drei mit anderen Projekten unterwegs. |
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Billy, mit Midge immer noch bei Visage aktiv, tourte mit Gary Numan.
Midge ersetzte auf der Bühne Gary Moore nach dessen Ausstieg bei Thin
Lizzy, während Warren mit der Zaine Griff Band tourte, dort Hans Zimmer
kennen lernte und sich plötzlich bei Pop Of The Tops auf der Bühne
wiederfand, um dort Video Killed The RadioStar zu performen. Auch Chris
Cross war nicht untätig und arbeitete eine Zeit lang mit James
Honeyman-Scott von The Pretenders, Barrie Masters von Eddie And The Hot
Rods und Steve Nicols von The Rods zusammen. Somit waren alle
Bandmitglieder sehr erfolgreich unterwegs. Leider nicht mit der eigenen
Musik.
ALTLASTEN
Ganz ohne Schwierigkeiten verlief Midge’s Einstieg bei Ultravox dann
doch nicht. Denn bevor die Nachricht, dass Ultravox noch existierte und
einen neuen Gitarristen und Sänger hatte, publik gemacht werden durfte,
gab es noch rechtliche Probleme zu lösen. Zu dem Zeitpunkt war Midge
noch an seinen alten
Vertrag mit der EMI gebunden, der aus seiner Zeit bei den Rich Kids
resultierte. Um aus seinem Deal mit Martin-Coulter zu kommen,
verzichtete er auf seine Rechte an allen Songs der Band. Dass er
inoffiziell bereits bei Ultravox eingestiegen war, musste auch weitere
sechs Monate verheimlicht werden, bis sein Vertrag bei der EMI enden
würde. Zu diesem Zeitpunkt hatte Ultravox bereits Kontakt zu Chris
O’Donnell und Chris Morrison, die sich unter anderem auch für das
Management von Thin Lizzy verantwortlich zeigten. Insbesondere Chris
Morrison war schwer beeindruckt davon zu hören, dass eine Band ohne
Manager durch die USA touren und dabei noch einen Gewinn erzielen
können. Er kündigte an, eine künftige Tour durch die Staaten finanziell
unterstützen zu wollen. Zuvor sprachen Morrison und O’Donnell mit Brian
Shepard von der EMI über einen möglichen Ausstieg von Midge aus seinem
Vertrag. Der zeigte sich diesem alles andere als willig, vermutete
Profit und verlangte plötzlich eine prozentuale Beteiligung.
Letztendlich lenkten er und EMI aber doch ein, als juristische Schritte
angedroht wurden unter dem Aspekt, dass Rusty Egan als Schlagzeuger auch
gehen durfte. Wie die meisten anderen Plattenfirmen glaubten auch sie,
dass sich Ultravox sowieso in einer Sackgasse befand. So konnte am 01.
November 1979 Midge Ure offiziell als neues Bandmitglied von Ultravox
vorgestellt werden. Mit neuer Besetzung wurden auch wesentliche
Bestandteile festgelegt, die in der alten Besetzung immer wieder zu
Streitigkeiten geführt haben: Die finanzielle Beteiligung jedes
Bandmitglieds. Die Rechnung schien einfach. Vier Leute gleich
fünfundzwanzig Prozent für jeden. Jeder Song hatte vier Autoren,
unabhängig, welchen Anteil jeder mit eingebrachte und wer für was
verantwortlich war. Es sollte so sein, dass über alles diskutiert werden
konnte. Nur über eines nicht: Geld. Eine unübliches Agreement innerhalb
einer Band.

Doch man erhoffte sich, ihr auf diese Weise eine überdurchschnittliche
Lebensdauer zu bescheren. So entwickelte sich das zunächst auch
musikalisch in Sachen Songwriting. Jeder brachte Ideen ein, welche
aufgegriffen und kollektiv bearbeitet wurden, bis ein befriedigendes
Resultat vorhanden war. Zu den bereits im Stillen entstandenen Songs
kamen weitere hinzu, bevor es in die USA auf Tour ging. Aber der Punkt,
mit komplett neuem Material an den Start zu gehen, war noch nicht
erreicht. Zwar gab es Songs von Ultravox, doch eben nur die, die mit
John Foxx als Sänger performed wurden. Außerdem hatte die Band bereits
eine Fangemeinde. Es galt den Grat zu finden, diese nicht gänzlich zu
verlieren, um gleichzeitig aber auch neue Anhänger zu gewinnen; um
deutlich zu machen, dass Midge kein Ersatz für John Foxx war, sondern
dass ein neues Kapitel der Bandgeschichte begann. Ultravox haben sich
entwickelt. Dennoch; Midge mochte von der Systems of Romance
insbesondere die Songs „Hiroshima-Mon Amour“, „Quiet Man“ und „Slow
Motion“, und so wurden diese Songs Bestandteil der ersten Konzerte in
England. Die Akzeptanz war überraschend gut und unter dieser
Voraussetzung ging er rüber in die Staaten. Der Vorsatz war, etwas Geld
zu verdienen und aus einer Position der Aufmerksamkeit heraus nicht
gleich die erste Möglichkeit, einen Vertrag abzuschließen, nutzen zu
müssen. Außerdem war die Band vor kurzem erst dort und man hatte sich
auch dort einen Namen gemacht. Und Midge Ure konnte ebenfalls mit den
Rich Kids in Verbindung gebracht werden, die in den USA nicht gänzlich
unbekannt waren. Doch es lief nicht wie erwartet. Finanziell war die
Tour ein Verlustgeschäft und der Versuch, die Plattenfirmen auf sich
aufmerksam zu machen, scheiterte. Wieder zurück in Großbritannien hatte
Chrysalis zwar Interesse, war aber noch nicht gänzlich überzeugt. Auch
die Vortäuschung der (falschen) Tatsache, dass A&M ein Angebot vorgelegt
hätte, zog nicht. Die Arbeiten im Proberaum während der
Konstruktionsphase von „Vienna“ ließen das Interesse von Chrysalis
weiter sinken und das Fehlen von Demobändern entpuppte sich als
Nachteil. Ultravox verzichtete bewusst auf Demos, weil eine Aufnahme
eine bestimme Stimmung und Atmosphäre enthalten sollte. Diese ist
entweder auf den Demos nicht enthalten oder sie ist da, kann aber später
bei der richtigen Aufnahme nicht wieder erzeugt werden. |
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Die allgemeine Ansicht der Labels, nur in einem gut eingerichteten
Tonstudio für viel Geld gute Aufnahmen machen zu können, wurde als
Unsinn angesehen. Also beharrte die Band darauf, dass man während der
Proben anwesend sein oder sich die Aufnahmen, welche Warren ständig mit
Kassette machte, ausleihen und anhören könnte. Chrysalis gab dahingehend nach, als dass ein
Ultimatum gestellt wurde. Ultravox bekam für zwei Tage ein Studio zur
Verfügung gestellt. Statt aber zwei bis drei Demos aufzunehmen, holte
man sich Conny Plank mit ins Studio und nahm „Sleepwalk“
als fertige und
als single-taugliche Aufnahme auf. Aufgrund dieser einen Produktion
konnte endlich der Plattenvertrag unterzeichnet werden, und die
Aufnahmen für das Album beginnen. „Astradyne“, was aus dem lateinischen
„Per ardua ad astra“ (dem Motto „Through Adversity To The Stars“
der
Royal Air Force) und „Rocketdyne“, einer Luftfahrtgesellschaft,
entstanden ist. Und die markante Ähnlichkeit zwischen „Mr. X“, einem der
ersten Songs des neuen Besetzung, und dem Intro von „Touch & Go“
von
John Foxx auf dessen Debütalbum „Metamatic“ soll zwar keine Absicht
sein, ist aber eindeutig. Etwa die Hälfte der Texte stammen aus der
Feder von Warren. Zwangsläufig orientierte sich der schriftliche Teil
der Songs auch in eine andere Richtung. Inhaltlich blieben
gesellschaftliche Themen zwar Grundlage der Texte, doch die Sichtweise
verschob sich vom Beobachter zum Betroffenen. Dass der Titel „Vienna“
aus einem Kommunikationsproblem resultiert, ist ebenso unglaublich, wie
wahr. Ihr solltet einen Song wie dieses „Vienna“ schreiben, so Brenda,
die Frau seines ehemaligen Managers Gerry Hempstead zu Zeiten der Rich
Kids. Midge verstand nicht und sie wiederholte: Vienna. So wie das von
Fleetwood Mac. Da erst machte es Klick. Sie meinte „Rhiannon“. Aber
„Vienna“ ging nicht mehr aus seinem Kopf und er erzählte den anderen von
seinem Ohrwurm und der entsprechenden Textzeile: This Means Nothing To
Me, Vienna.

Die Sache nahm ihren Lauf. „New Europeans“ war einer der
wenigen Songs, bei denen der Titel vor der Musik existierte. Die Drums
von „Western Promise“ wurden unter Protest der Anwohner abends in der
Eingangshalle der RAK Studios aufgenommen, und „Private Lives“ hatte
laut Warren als Originaltitel „Hollywoodämmerung“. Wie bei fast allen
Songs des Albums war auch „All Stood Still“ spieltechnisch eine absolute
Herausforderung. Insbesondere live, weil das Tempo nicht von den Drums,
sondern von dem synthetischen Bass vorgegeben wurde, welchen Chris Cross
über den Mini-Moog spielte. Zu der Zeit war Midi noch nicht geboren, um
die unterschiedlichen Tempi der Geräte untereinander zu synchronisieren.
Also entwickelte man durch die Impulsmessung des Stroms eine Art
Tempoerkennung mit LED-Beleuchtung, um die Geräte aufeinander abstimmen
zu können. Dabei wurde vorher bei jedem Song die Stromstärke beim
erwünschten Tempo gemessen. Nebenbei empfand es Midge dabei als äußerst
amüsant, dass insbesondere die Journalisten nicht in der Lage waren, den
Unterschied zwischen seiner Gitarre und Billys verzerrtem ARP zu hören.
Viele glaubten irrtümlich, dass er die ganze Zeit nur Keyboard spielen
würde. Und genau das war es auch, was Ultravox von anderen Bands dieser
Zeit (wie Depeche Mode oder Human League) unterschied, da diese
ausschließlich Synthesizer verwendeten. Da die Songs weitestgehend
fertig waren, zuvor bereits ausgiebig geprobt und mitunter auch schon
live gespielt wurden, dauerte der Prozess der eigentlichen Aufnahme
nicht mehr als zehn Tage. So war genug Zeit, um sich auf Experimente
einzulassen. Mitunter spielte Billy Currie seine Violine sogar auf der
Herrentoilette ein. Kompliziert wurde es, als der Song „Vienna“
aufgenommen wurde. Der instrumentale Soloteil hatte im Gegensatz zum
Rest des Songs ein schnelleres Tempo. Doch selbst das Schneiden der
Bänder, um die getrennt voneinander aufgenommen Teile zusammenzufügen,
brachte Conny Plank nicht aus der Ruhe. Die bisherigen Erfahrungen,
welche die Vier auf ihren Wegen gesammelt haben, spiegeln sich im
Ergebnis wieder.

Aus Kostengründen erfolgte die eigentliche Aufnahme des
Albums in London, das Mischen aber wieder in Planks Studio. Nach zwei
weiteren Wochen in entspannter Atmosphäre war das Album fertig. Doch
einen Namen hatte es noch nicht. Warren erinnert sich, dass schon
während der Abmischphase an einem Küchentisch in Planks Studio über
mögliche Namen nachgedacht wurde. Doch die Eingebungen blieben aus und
lediglich Warren brachte den Vorschlag „Torque Point“ ein. Billy fand
die Idee ganz gut, während Chris und Midge dem Vorschlag eher
distanziert betrachteten. Da aber niemand einen besseren Vorschlag
machte, entwickelte sich „Torque Point“ zu einer Art Arbeitstitel, der
somit auch bis zu Chrysalis durchdrang. Eine ernsthafte Verwendung wurde
aber nie in Erwägung gezogen, doch landete der Titel dennoch auf dem
Cover einiger Testpressungen. Es dauerte eine Zeit, bis sich das
Offensichtliche im Bewusstsein aller Beteiligten manifestierte und
„Vienna“ als der perfekte Titel für das Album erkannt wurde.

THREE INTO ONE -
Island Records bemerkte, dass sich bei Chrysalis in Sachen Ultravox
etwas bewegte. Um noch auf den finanziellen Zug aufzuspringen,
entschloss man sich dort zur Veröffentlichung eines Best-of-Albums mit
zehn Songs aus der John- Foxx-Ära, das am 6. Juni 1980 mit dem Titel „Three
Into One“ erschien. Auf diesem Weg gelang es Chris und Warren, sich
nachträglich für den Rauswurf an sich, insbesondere aber für die Art und
Weise der Umstände, unter denen die Trennung vollzogen wurde, zu
revanchieren. So wurden beide in der künstlerischen Abteilung von Island
Records vorstellig, um bei der Gestaltung des Covers mitzuwirken.
Zunächst lehnten sie alle Vorschläge des Grafikers ab. Als er dann aber
die Idee hatte, seine Freundin in einer Art Kostüm von Autoscheinwerfern
bestrahlen zu lassen, gaben Chris und Warren vor, davon begeistert zu
sein. Das fertige Cover zeigt auf, dass ihnen ihre kleine Vergeltung
geglückt ist.
SLEEPWALK - PASSING STRANGERS
Am 05. Juli 1980 wurde „Sleepwalk“ mit der B-Seite „Waiting“ als erste
Single veröffentlicht. Ein Video dazu gab es nicht und es wurde zur
visuellen Umsetzung ein Liveauftritt in St. Albans verwendet. Doch mit
Platz 29 in den Charts bleibt „Sleepwalk“ hinter den Erwartungen zurück.
Das Album selbst erschien am 11. Juli 1980 und überzeugte zwar nicht
alle komplett, aber weitestgehend doch die musikalische Fachpresse auf
der Insel. Einige sahen den Weggang von John Foxx als nicht
kompensierbar an. Andere hingegen sahen darin eine Entwicklung, sogar
eine Art der Befreiung von der allgegenwärtigen Präsenz des einstigen
Frontmanns. Während der New Musical Express von atmosphärischer
Elektronik sprach, ließ der Sounds keinen Zweifel an der musikalischen
Meisterschaft. Die Musik sein ein mutiger Schritt, die eine gewisse Zeit
der Akzeptanz abwarten müsse, so David Jeffries von Allmusic. Besonders
die neue Kombination aus dem typischen Sound von Ultravox in Verbindung
mit Ures Stimme und seinen präzisen Gitarrenriffs verliehen der Band ein
einzigartiges Klangbild mit extrem hohen Wiedererkennungswert.

Aber auch
in Deutschland kam das Album trotz Skepsis hinsichtlich der
musikalischen Neuausrichtung gut an. „Vienna ist ihr viertes Album und
vermittelt das Gefühl eines ersten und hat für Ultravox eine
ungewöhnliche Konsistenz“, so der Musikexpress im Dezember 1980. „Wer
nach John Foxx Abgang auf Ultravox Ende getippt hatte, lag gründlich
daneben. Die neuen Ultravox warten mit einem strikten, fetten Rhythmus
auf, der auf Synthi-Wände prallt. Verspielte Keyboardklänge und
psychedelisch rockende Gitarren umschwirren diesen Gesamteindruck, der
durch kühlen, aber keinesfalls gefühllosen Gesang abgerundet wird.“ Die
Fachwelt war aufmerksam geworden, was durch Platz 3 in den britischen
Album-Charts deutlich unterstrichen wurde.
Derweil drängten zumindest Midge, Chris und Warren vehement darauf, als
nächstes „Vienna“ zu veröffentlichen. Doch Chrysalis sträubte sich, da
es mit sechs Minuten nach wie vor als zu lang, zu langsam und zu
kompliziert angesehen wurde. Dem Song wurde fehlende Radiotauglichkeit
vorgeworfen, weil es dem damaligen Konzept von Musik völlig widersprach.
So entschieden sie sich für „Passing Strangers“ mit der
Vereinbarung, „Vienna“ dann als dritte Auskopplung zu
veröffentlichen. |
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So erschien die
zweite Single am 18. Oktober 1980 mit „Face To Face“ (während der
US-Tour 1979 noch „Sound To Sound“) als B-Seite der Single-Version und
zusätzlich „Kings Lead Head“, einem nur live gespielten Song (mit Billy Currie an der Gitarre) von Brian Eno, auf der Maxi-Single. Unter der
Regie von Russell Mulcahy wurde dazu auf dem stillgelegtem
Industriegelände von Beckton Gas Works (diente 1987 auch als Kulisse zu
Full Metal Jacket) im Londoner East End auch das erste Video der
Bandgeschichte gedreht, in dem neben den Bandmitgliedern selbst auch
Barbie Wilde und Sean Crawford von Shock (später Tik & Tok) mitspielten.
Der Kontakt kam über Russell Mulcay und Peta Lily, einem ehemaligen
Mitglied von Shok, zustande. „Ich habe mir durch die ganze Rennerei ein
gutes Paar Schuhe ruiniert“, so Barbie Wilde nach dem Dreh. Ihr war wohl
nicht klar, wie viel sie an dem Drehtag laufen mussten. Dazu kam, dass
sie als Asthmatikerin ihr Spray vergessen hatte. „Ich kann kaum glauben,
dass wir die Explosion unbeschadet überstanden haben“, setzte sie fort. Tatsächlich entsprach der erste Versuch nicht den Vorstellungen und
beim zweiten meinte es der Pyrotechniker etwas zu gut mit der
verwendeten Menge an Petroleum. „Wir haben deutlich die Druckwelle auf
unseren Rücken spüren können.“ Auch die letzte Szene des Videos, in der
die beiden im Boden versinken, entpuppte sich als körperliche
Herausforderung.

Um den gewünschten Effekt zu erzielen, sollte die Szene
nachher rückwärts abgespielt werden, weshalb sie stundenlang mit
Granulat zugeschüttet warten mussten, bis endlich gedreht wurde. „Bis
dahin waren meine Beine längst eingeschlafen und ich musste anschließend
aufgefangen werden.“ Gedreht wurde das Video zwar nicht im
Breitbildformat, doch wurde dieser Effekt durch die nachträgliche
Einblendung der dafür charakteristischen schwarzen Balken erzielt. Die
Verbindung mit der schnellen Bildfolge unter Verwendung von Pyrotechnik
und Trockeneis lässt das Video wie einen kurzen Kinofilm wirken. Obwohl
auch das Video nicht dafür sorgen konnte, dass mehr als Platz 57 in den
Charts heraussprang, hatte Ultravox mit dem Medium Video ein neues
Terrain betreten. Neue Ideen und Gedanken reiften bereits heran, auf
diesem Gebiet weiter tätig zu werden. Endlich stimmte auch Chrysalis zu,
„Vienna“ als dritte Auskopplung des Albums zu veröffentlichen. Zunächst
sollte der Song dafür jedoch gekürzt werden. Dieser Standpunkt änderte
sich, nachdem Labelboss Chris Wright bei einem Konzert der Band
persönlich zugegen war. Er hatte mitbekommen, wie das Publikum während
des Songs aufstand und sich nicht wieder hinsetzte. Er erlebte hautnah
die Stimmung, welche der Song live transportiert. Anschließend sagte er
nur: „Ihr habt recht. Macht es.“ Doch zunächst musste der Dezember
abgewartet werden, da die Playlisten der Radiostationen bereits
feststanden und eine Veröffentlichung kurz vor Weihnachten keinen Sinn
machte, da der Song nicht gespielt werde würde.
VIENNA
„Vienna“ wurde den Sendern zugesandt und im Januar bereits gespielt,
bevor er am 15. Januar 1981 als Single veröffentlicht wurde. Es stieg in
die Charts
ein, weshalb Chrysalis nicht mehr die Notwendigkeit sah, die Kosten für
eine weitere Videoproduktion zu übernehmen. Insbesondere nach den
mäßigen Erfolgen der bisherigen Auskopplungen. Aber es wurde der Band
freigestellt, die Produktion auf eigene Kosten vorzunehmen, womit sie
sich auch einverstanden erklärte. Die B-Seite der Single enthielt mit „Passionate
Reply“ einen Song, der erst kurz zuvor während einer kleinen Tour in den
USA aufgenommen wurde. Chrysalis rief an und sagte, dass noch ein Track
für die B-Seite von „Vienna“ benötigt werden würde. Da man keine Songs
auf Abruf parat hatte und sich die aufgenommen Stücke alle auf dem Album
befanden, wurde kurzfristig in Miami ein Tonstudio („Criterion“)
aufgesucht, in denen bereits die Bee Gees einige ihrer Hits aufgenommen
hatten. „Passionate Reply“ existierte bereits als Song, befand sich aber
noch in der Entstehungsphase. Innerhalb von zwei Tagen, mehr ließ der
Terminplan nicht zu, wurde der Song aufgenommen. Die Maxi-Single
enthielt zusätzlich „Herr X“, die deutsche Version von „Mr. X“
als
Tribut an die zahlreichen deutschen Fans der Band. Eines Abends während
der Arbeiten in Conny Planks Studio kam er auf diese Idee. Er schlug sie
den anderen Bandmitgliedern vor, die sich auch sofort einverstanden
zeigten. Also nahm er an einem Nachmittag, nachdem Connys Frau Christa
den Text überprüft hatte, die deutsche Tonspur auf. Dabei half Conny
Plank ihm bei der korrekten Aussprache. Inhaltlich sind die beiden Texte
so identisch wie die Musik selbst. So taucht auf beiden Versionen an
einer Stelle das leise Geräusch eines ausgelösten Fotoapparats auf. Die
Ideen für eine visuelle Umsetzung von „Vienna“ waren gereift und man sah
das Video zu „Passing Strangers“ bereits als Probedurchgang an. An die
Umsetzung wagte man sich mit Lexi Godfrey als Produzentin und erneut mit
Russell Mulcahy. Godfrey und Mulcahy hatten zusammen mit David Mallet
die Firma MGM gegründet, welche zu der Zeit nur eine von drei
Unternehmen war, die sich mit dem Filmen von Musikvideos befasste.
Peinlich verlegen gestaltete sich dabei, dass MGM den Song von Chrysalis
erhalten hatte und nach der Präsentation erster Ideen
feststellen musste, dass sie Wien mit Venedig verwechselten und
Gondeln definitiv nicht benötigt wurden. |
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Aufgrund der Vorstellungen der Band, wie das
Video werden sollte, war die Rollenverteilung bereits im Vorfeld darauf
ausgerichtet, die vielen Ideen entsprechend umzusetzen. „Vienna“
war das
erste Video, was in 16mm gedreht wurde. Die teilweise in schwarzweiß
gedrehten Sequenzen sollten in Anlehnung an die „Film-noir-Epoche“
insbesondere dafür sorgen, dass sich Ultravox visuell von anderen Bands
absetzte. Die dadurch erzeugte Stimmung hatte - zwar unbeabsichtigt,
aber dennoch berechtigt - den Vergleich mit Orson Wells Klassiker „Der
Dritte Mann“ zur Folge. Trotz der Eindeutigkeit des Titels wurden die
meisten Außenszenen und alle Innenszenen aber nicht in Wien, sondern im
nächtlichen Covent Garden und im Kilburn Gaumont Theatre mitten in
London gedreht. Die weibliche Hauptrolle spielte dabei Peta Lily selbst.
Für die Aufnahmen der „Party“ mietete man eine Art Club in der Nähe des
Harrods. Da die Vorbereitungen der Filmcrew länger dauerten, musste man
sich in Geduld üben. Zur Überbrückung der Wartezeit vergriff man sich
bereits vor Drehbeginn an den alkoholischen Getränken, in erster Linie
Wein, die zur Verköstigung nach Beendigung der Arbeiten bereit standen.
Als es dann endlich soweit war und mit dem Dreh begonnen werden konnte,
waren alle Beteiligten bereits mehr oder minder betrunken. Somit wäre
auch das Rätsel gelöst, warum es in dieser einen Szene nicht geschafft
wurde, dass alle gleichzeitig den Kopf in Richtung Kamera drehen. Aus
der eigentlichen Absicht, eine Party für das Video nachzustellen, war
schon längst eine richtige Party geworden. Aber auch in Wien selbst
wurde gedreht. Mit einer minimalen Besatzung brach man für einen
Tagestrip per Flugzeug von London in die Hauptstadt Österreichs auf. Mit
dabei waren neben der Band Kameramann Nic Knowland, Russell Mulcahy,
Lexi Godfrey, Fotograf Anton Corbijn und Paula Yates in ihrer Funktion
als Journalistin für den Record Mirror. Allerdings entwickelte sich der
Trip zu einer Odyssee der besonderen Art.

Viele der auserwählen Drehorte
waren während der Wintermonate entweder geschlossen oder wurden
renoviert. Per Taxi durchquerten sie die Stadt, um zumindest vor dem
Stephansdom und auf dem Zentralfriedhof die notwendigen Aufnahmen zu
machen. Das Grab des kaiserlichen Klavierbauers Carl Schweighofer kommt
dabei sowohl im Video selbst vor als auch auf dem Cover zur Single. Die
Abschlussszene zeigt die Band, wie sie bei untergehender Sonne in
Richtung der Karl-Borromäus-Kirche läuft. Anschließend ging es wieder
zurück nach London. Auf dem Rückflug begann Warrens Mythos, der von
einer Tse-Tse-Fliege gestochene Mann zu sein, weil er immer und in jeder
Situation schlafen konnte. Zurück in London wurde das Video geschnitten,
wobei aus demokratischen Gründen die Szene, in der die Band herzhaft
lachend in einem Café sitzt und die mit dem eigentlichen Video nichts zu
tun hat, nicht herausgeschnitten wurde. Midge mochte diese Szene nicht.
Doch der Rest, einschließlich Mulcahy und Godfrey, hielt es für eine
gute Idee. Auf diesem Weg wollte der Öffentlichkeit gezeigt werden, dass
Ultravox durchaus Humor und Lachen kann; dass sie nicht nur in langen,
grauen Mänteln in der regnerischen Tristesse der Dunkelheit voller
Ernsthaftigkeit durch das Leben schreiten. Während die Dreharbeiten zum
Video noch liefen, stieg „Vienna“ bis auf den zweiten Platz der
britischen Charts. Zu der Zeit hatte Top Of The Pops die Regel, dass
eine Band nur in bestimmter Anzahl in einem bestimmten Format auftreten
durfte. Entweder live oder per Video. Da die Band bereits live in der
Sendung aufgetreten war, durfte nur noch ein Video gezeigt werden. Und
da zeigte Chrysalis dann doch plötzlich reges Interesse daran und
informierte sich zwischenzeitlich über den Stand der Dinge, was Ultravox
natürlich mit großer Genugtuung vernahm. Und je höher die Single in den
Charts stieg, desto mehr drängte Chrysalis darauf, das Video auch zu
bekommen. So wurde es rechtzeitig fertig, um bei Tops of the Pops
gesendet zu werden,
wobei das Management der Band Chrysalis davon überzeugte, die Kosten für
die Produktion dann doch zu übernehmen.

„Vienna“ schaffte es auf Platz
Drei der deutschen und Platz zwei der britischen Charts. Dort
verhinderten erst „Imagine“ und „Woman“ des kurz zuvor ermordete John
Lennon und anschließend Joe Dolces „Shaddap Your Face“ den Sprung auf
Platz Eins. Dennoch sollte „Vienna“ die erfolgreichsten Single des
Jahres 1981 werden. Zeitgleich waren Midge Ure und Billy Currie aber
auch noch anderweitig präsent, da sich ihr Projekt
Visage mit „Fade To Grey“ ebenfalls in den Spitzengruppen der europäischen Charts
etablierte. Zu dieser Zeit veröffentlichte Island Records neuerlich die
Single „Slow Motion“ mit „Hiroshima-Mon Amour“,
„Dislocation“ und „Quiet
Man“ als zusätzliche Tracks, um die Verkaufszahlen der ersten drei Alben
nachträglich doch noch anzuheben. Immerhin erreichte die Single am 28.
März 1981 Platz 33 der britischen Charts.
ALL STOOD STILL
„All Stood Still“ wurde am 26. Mai 1981 als vierte Single des Albums
ausgekoppelt. Auf die Produktion eines weiteren Videos wird allerdings
verzichtet. Stattdessen dient wie schon bei „Sleepwalk“
eine
Live-Performance zur visuellen Präsentation. Bei der 7-Inch
Singleversion handelt sich um eine gekürzte Albumversion. Beim Schreiben
achtete Ultravox nicht darauf, ob die Länge eines Songs radiotauglich
war. Erst nach Fertigstellung wurde geprüft, ob eine nachträgliche
Editierung möglich ist, ohne dabei die Charakteristik des Songs
nachhaltig zu verändern oder zu verfälschen. Die B-Seite wird mit „Alles
Klar“ ein weiteres Instrumentalstück. Der Titel entstand dadurch, dass
Planks Mitarbeiter seine Anweisungen immer mit „Alles Klar“
bestätigten,
was für Ultravox alles andere als „klar“ war, da sie den Ausdruck
anfangs nicht verstanden. „Alles Klar“ entwickelte sich rasch zum Running Gag und letztendlich auch zu einem würdigen Titel. Zum Song
selbst bleibt anzumerken, dass das Atmen auf der Aufnahme echt ist und
Warren nach Beendigung der fünfminütigen Aufnahme versuchte, weder
ohnmächtig zu werden noch zu hyperventilieren. Die Maxi-Singe enthält
neben der Albumversion von „All Stood Still“ und „Alles Klar“ mit „Keep
Talking“ noch einen zusätzlichen Instrumentalsong. Dabei wurde dieser
nie wirklich aufgenommen. Warren ließ bei den Proben immer eine Art
Diktiergerät von Panasonic mit einem eingebauten Mikrofon mitlaufen, um
die Ergebnisse von Jam-Sessions festhalten zu können. Eines dieser
Ergebnisse ist „Keep Talking“, obwohl es zur Zeit der Entdeckung als
potenzielle B-Seite noch keinen Titel hatte. Warren fand es früher
selbst schon immer interessant, sich auch der B-Seiten der Singles zu
widmen, die mitunter besseres Material als die eigentliche A-Seite
hatten, aufgrund kommerzieller Aspekte jedoch auf die Rückseite verbannt
wurden. Da sich Ultravox mittlerweile in der Position befand, diesen Weg
ebenfalls zu bestreiten, wurden somit auf die Rückseiten der Singles
Stücke gebracht, die aus Sicht der Band zwar nicht auf ein Album
gehörten, aber es doch wert seien, veröffentlicht zu werden. Leider
schlug bei diesem Stück im Studio von Conny Plank der Versuch fehl, die
Stimmung und grundlegende Sounds der Probeaufnahme zu rekonstruieren.
Doch da man es unbedingt verwenden wollte, ließ man sich Warrens
Aufnahmegerät zuschicken, um in bestmöglicher Qualität die
Übertragung der Probeaufnahme auf Mehrspurband vornehmen zu
können.
Zwar wurde das Ergebnis von Plank noch weitestgehend bereinigt und
überarbeitet, doch letztendlich ist der Song auf der Platte keine
24-Spur-Aufnahme, sondern das Ergebnis der Jam-Session.
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Passend dazu ist auch der Name entstanden,
der noch immer nicht existierte, als Chrysalis zwecks Labeldruck und
Pressung darauf drängte. Als während einer dieser Anrufe im Hintergrund
jemand „Keep Talking … Keep Talking“ rief, war die Suche beendet. Somit
ist der Titel nicht mehr als ein Zufall, wobei er aber nach Einschätzung
der Band perfekter nicht sein könnte. Dass bei einigen Pressungen auf
dem Label „Keep Torqe-ing“ statt „Keep Talking“ steht, ist ähnlich wie
schon bei „Torque-Point“ einer Mischung aus bandinternem Humor und
undeutlicher Beschriftung zuzuordnen. „New Europans“ wurde zwar auch als
Single veröffentlich, allerdings nur in Japan aufgrund der Tatsache,
dass der Song dort zur musikalischen Untermalung für eine Whisky-Werbung
benutzt wurde. Dafür allerdings wurde der Song auch ausgezeichnet und
hatte wesentlichen Anteil am Erfolg von Ultravox in Japan.
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RAGE IN EDEN |
Mit Beginn der Aufnahme von „Rage In Eden“
im Juni 1981 betrat Ultravox
Neuland. Denn bei allen bisherigen Produktionen, auch schon während der
Ära John Foxx, waren die aufzunehmenden Songs für ein Album zum
Zeitpunkt, als das Studio aufgesucht wurde, bereits fertig und wurden
mitunter zuvor auch schon live gespielt. So konnte kostbare Studiozeit
auf ein Minimum reduziert werden. Der Erfolg von „Vienna“
als Album und
Single in Verbindung mit den Einnahmen, die Billy und Midge durch Visage
mit einbrachten, stand Ultravox plötzlich vor der luxuriösen
Möglichkeit, neue Songs erst im Studio zu schreiben. So zog es sie ohne
Songideen wieder nach Deutschland in das Studio von Conny Plank, um dort
der experimentellen Kreativität freien Lauf zu lassen. Eine ziemliche
mutige und drastische Vorgehensweise, um den legitimen Nachfolger von
„Vienna“ zu schaffen. Vielleicht lag dieser Schritt zu neuen Ufern aber
auch darin begründet, entgegen der Wunschvorstellung von Chrysalis eben
nicht so klingen, wie ein zweites „Vienna“. Der Klang sollte mehr Tiefe
haben und so zeitlos sein, dass es im Idealfall auch viele Jahre später
noch Frische und Aktualität ausstrahlen würde. Mithilfe neuer
Instrumente, wie den polyphonen Synthesizern CS-80 von Yamaha und dem
OB-X von Oberheim, stellte man sich der Aufgabe, den legitimen
Nachfolger von „Vienna“ zu schaffen. Mit dem Linn LM-1 Drumcomputer
standen Warren Cann dabei neue Möglichkeiten in Sachen Rhythmik zur
Verfügung. Er konnte sein eigenes Schlagzeug aufnehmen und somit
digitalisierte Rhythmusmuster erzeugen, wie sie zum Beispiel in „The
Thin Wall“ Verwendung faden. Der LM-1 sollte auch später auf der Bühne
zum Einsatz kommen, um die Sounds des Albums auch live dem Publikum
präsentieren zu können.

Ein typisches Merkmal von „Rage In Eden“ ist die experimentelle
Gestaltung von Sounds, indem mit Nachhalleffekten und auch rückwärts
laufenden Aufnahmen von Gitarren- und Gesangsparts gearbeitet wurde.
Typisch hierfür der Refrain des Titelstücks „Rage In Eden“, in dem die
Refrainzeile aus „I Remember (Death In The Afternoon)“ rückwärts
abgespielt und mit Hall neu aufgenommen wurde. Um auch diesen Effekt
später live verwenden zu können, waren Synthesizer mit Wavetable-Funktion notwendig, damit die entsprechenden Passagen während
der Konzerte bei Bedarf abgerufen werden konnten. |
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THE THIN WALL

Noch während der Studioarbeit wurde am 10. August die Single „The Thin
Wall“ mit der B-Seite „I Never Wanted To Begin“
veröffentlicht und
schaffte es in Großbritannien auf Platz Vierzehn der Charts. Die düstere
Grundstimmung vom fertigen Album ist von der Band durchaus beabsichtigt
und laut deren Einschätzung das Ergebnis des dreimonatigen
Entstehungsprozesses in einer eher ereignislosen Landschaft. Zwar
entstand „Rage In Eden“ vom Prozess her auf andere Art als „Vienna“,
doch waren es immer noch die gleichen Kreativkräfte einschließlich des
Produzenten. Ultravox selbst war mit dem atmosphärischen Sound von „Rage
In Eden“ sehr zufrieden, obwohl es ihrer eigenen Ansicht nach keine
potenziellen Hits enthielt und hielt es selbst für das bisher beste
Album der Band. Dem Wunsch der Plattenfirma, charttaugliche Songs wie
Orchestral Manoeuvres In The Dark oder Soft Cell zu schreiben, wurde in
diesem Sinne dabei eher nicht entsprochen. Wieder einmal wusste die
Plattenfirma nichts mit Ultravox anzufangen. Dabei wollten Chrysalis
kein Popalbum, aber zumindest etwas, was an „Vienna“ anknüpfte. Doch
„Rage In Eden“ war anders. Es knüpfte zwar an „Vienna“
an, aber eher als
Weiterentwicklung denn als Kopie. Es hatte eher etwas von einem
Konzeptalbum, welches sich dem Hörer nicht sofort beim ersten Mal
erschließt, wofür unter anderem auch Songs wie „Stranger Within“
verantwortlich sind. „The Voice“ mit den mystischen Chören wurde das
erste Stück des Albums, auch um vom Titel her (“Die Stimme”) einen Bezug
zum Bandnamen herzustellen und den Funken überspringen zu lassen. Dabei
ist beim Ende der Extended Version von „The Voice“, welches später so
auch live gespielt wurde, Neu! mit „e-music“ als der eigentliche Urheber
dieses Parts nicht zu verleugnen und eine weitere Hommage an den
Krautrock der späten Siebziger. „I Remember (Death In The Afternoon”
ist ein Tribut an die Unglaublichkeit des Todes von Persönlichkeiten wie
John Lennon oder aber Marilyn Monroe. Man hört davon in den Nachrichten,
glaubt es aber nicht und lacht drüber, weil es eigentlich nicht sein
kann. „Accent On Youth“, „The Ascent“ und „Your Name (Has Slipped My
Mind Away)“ sind während der gleichen Arbeitsphase entstanden und sollen
die Lebenszyklen eines Menschen mit den damit verbundenen Höhen und
Tiefen darstellen. Ursprünglich waren es nur zwei Songs, doch das
amerikanische Abrechnungssystem, welches sich an der Anzahl der Songs
auf einem Album orientiert, ließ „The Ascent“ zu einem separaten Stück
werden. Ein weiterer, elementarer Unterschied zum vorherigen Album ist
die Tatsache, dass die Texte nur noch aus der Feder von Midge Ure mit
Unterstützung von Chris Cross stammen. Das hängt damit zusammen, dass er
seine eigenen Texte singen wollte, was ihm aufgrund der Umstände seines
Einstiegs bei Ultravox mangels Alternativen zunächst noch nicht möglich
war. Auch Warrens gesangliche Aktivität beschränkt sich als Folge dessen
auf „Paths And Angles“ als die B-Seite von „The Voice“.
ERSTE SPANNUNGEN - THE VOICE

Ein extrem wichtiger Sachverhalt, der den Wiedererkennungswert und den
charakteristischen Sound von Ultravox ausmacht, ist auch verantwortlich
dafür, dass nicht immer alles so reibungslos verlief, wie es der
Öffentlichkeit gegenüber vermittelt wurde. Musikalisch gesehen begegnen
sich Midge und Billy in der Mitte zwischen klassischer Ausbildung und
autodidaktisch erlerntem Pop. Das war auch der Grund dafür, dass sich
Billy den Einstieg von Midge bei Ultravox anfangs nicht vorstellen
konnte. Letztendlich klappte es, aber nach dem Einstiegserfolg mit
„Vienna“ und zunächst bedächtiger Zurückhaltung individueller Ansichten,
kamen mit der Zeit und gemeinsamer Arbeit mehr und mehr die
individuellen Charakterzüge in Verbindung mit dem Wunsch, die eigenen
Vorstellungen zu verwirklichen, zum Tragen. Und die Schwelle der eigenen
Zurückhaltung begann sich bereits langsam zu senken. Dabei orientierte
sich Chris eher in Richtung Midge und Warren in Billys Richtung. Ein
kleines, aber noch wenig dramatisches Beispiel dafür war die Entstehung
von „The Voice“ und „We Stand Alone“.
Die Grundidee brachten Midge und
Chris ein. Doch waren es nur Ideen und keine fertigen Songs. Es lag an
Billy, den Stücken die musikalische Raffinesse zu geben, dessen es eines
klassisch ausgebildeten Musikers bedurfte, es aber dennoch wie Popmusik
klingen sollte. Die Songs entstanden demnach nicht zwangsläufig aus
kollektiver Zusammenarbeit, sondern auch unter dem Druck eines
unterschwelligen Konkurrenzkampfes. Dabei waren sich beide Seiten nicht
immer bewusst, wer denn eigentlich das musikalische Zepter schwingt und
wer für die Entscheidung, was genommen und verworfen wird,
verantwortlich Ultravox war. Denn letztendlich saßen am Ende alle im
Studio zusammen, um die Songs nach Findung eines gemeinsamen Nenners
aufzunehmen. Billy nutzte dabei die sich bietende Gelegenheit und
schrieb in seinem eigenen Interesse die ausgiebigen Soloparts, während
der er sich sowohl am Synthesizer als auch an der Violine austobte.
Midge und Chis waren dafür auf einem anderen Gebiet tätig. So zeigten
sie weiterhin gesteigertes Interesse an der Produktion eigener
Videos.
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Auch zur visuellen Umsetzung von „The Thin Wall“ arbeiteten sie wieder
mit Lexi Godfrey und Russell Mulcahy zusammen. Sie schufen dabei ein
bedrückendes und surreal wirkendes Video zwischen Traum und
Wirklichkeit, um mit Hilfe einer geschickten Kameraführung und
perspektivischen Einstellungen das Gefühl von Hysterie und Paranoia zu
vermitteln.Szenen, wie das sich mit Wasser füllende Auto, dem instabilen
Boden mit Schachbrettmuster, der entgegen der Schwerkraft
fließenden Flüssigkeit und den im Sand zur Hälfte eingegrabenen
Schwimmern, bleiben dem Betrachter nachhaltig in Erinnerung. Die
schnelle Überblendung von Großaufnahmen der einzelnen
Bandmitglieder sollte später auch im Video „Cry“ von Godley & Creme Anwendung finden.
Ebenfalls im Video findet sich das Thema des Covers wieder, als Midge
durch die Arme, welche aus den Wänden in einen Gang hineinragen,
aufgehalten wird. Nach diesem Video zog sich Mulcahy auch zurück, da er
merkte, dass sein Mitwirken nicht länger benötigt wurde. So waren Midge
und Chris neben Lexi Godfrey als Produzent für die künstlerische
Umsetzung von „The Voice“ erstmals selbst zuständig. Und sie schufen ein
weiteres Video, das der anspruchsvollen Musik der Band in nichts
nachsteht. Aufgeteilt in unterschiedliche Kapitel, wird in jedem das
entsprechende Schlagwort wie Radio, Presse, Fernsehen, Militär und
Justiz eingeblendet, um dann in bewegten Bildern dem Bezug zwischen
Macht, Autorität und Mitspracherecht des Volkes Nachdruck zu verleihen.
Die Single wurde am 29. Oktober 1981 veröffentlicht und erreichte in den
britischen Charts Platz 16. Die Fähigkeit der beiden auf diesem Gebiet
sprach sich herum, was ihnen unter anderem auch Engagements für
Bananarama bescherte. |
PETER SAVILLE

Für das Coverdesign zeigte sich Peter Saville verantwortlich, der auch
schon für Joy Division, OMD, Roxy Music oder aber New Order tätig war.
Chris Cross stellte den Kontakt her, weil er fasziniert von dessen
Arbeiten war. Und Saville hatte großes Interesse an einer
Zusammenarbeit, weil für ihn die Verpackung so wichtig war wie dessen
Inhalt. So stellte er gleich fest, dass das Cover von „Vienna“ große
Ähnlichkeit zu Joy Divisions „Closer“ aufweist, für das er
verantwortlich war. Sein Design für „Rage In Eden“ (Rage Face) lehnte an
die Arbeit der Künstlers Claus Hausmann und Hervé Morvan an und so kam
es, dass kurz nach Veröffentlichung Diskussionen wegen der Verletzung
des Urheberrechts hinsichtlich Morvans Werk Cinémonde aufkamen. Die Frau
des Künstlers entdeckte in Frankreich das Album und machte die Rechte
ihres Mannes als geistiger Vater des Designs geltend. Die Plattenfirma
reagierte und tauschte das Cover entsprechend aus. Spätere Alben hatten
das perspektivische Bild mit den Fluchtlinien, die sich in dem Punkt
treffen, an dem eine stilisierte Figur steht. Zusammen mit den anderen
Elementen hatte es etwas von Salvatore Dali. Das Bild wurde dann auch
als Cover für die Single „The Voice“ verwendet. Weiterhin entwickelte Saville das
Ultravox-Logo mit den drei Pferden, welches im Video zum
Song am Mikrofon auftaucht, in das Billy als Radiokommentator spricht.
QUARTET

Nach Beendigung der „Rage In Eden“- Tour richtete sich der Blick schon
wieder in Richtung des nächsten Albums. Neue Songs existierten noch
nicht, da aufgrund der Strapazen während der vergangenen Tour einfach
die Konzentration dafür nicht vorhanden war. So überlegten sie sich eine
Mischung aus den Vorgehensweisen zur Erstellung der beiden vorherigen
Alben. Während „Vienna“ quasi schon vorhanden bzw. On Tour entstanden
ist und „Rage In Eden“ komplett im Studio, wählte man für „Quartet“
einen Mittelweg, um beide Produktionsarten zu vereinen. Dabei wurden
erstmals Instrumente mit digitaler Klangsynthese verwendet. Neben dem PPG Wave 2.2 mit Wavetables und Sequenzer, kam auch der E-MU Emulator,
einer der ersten kommerziell erhältlichen Sampler, zum Einsatz. Von
Yamaha wurde dem vorhandenem Equipment noch der GS1 zugeführt. Drei
Monate setzten sie sich zusammen und probten ohne Zeitdruck und dem
laufendem Gebührenzähler einer Studionutzung. Außerdem konnten sie sich
so bereits im Vorfeld überlegen, was sie später im Studio ausprobieren
und umsetzen können. Dabei mangelte es ihnen nicht an Ideen, doch an der
Findung der jeweiligen gemeinsamen Nenner. Denn nach wie vor wurden alle
Songs gemeinsam geschrieben. Und jeder hatte seine Vorstellung, wie
etwas zu spielen war und wie etwas zu klingen hatte. Die Kunst bestand
also darin, einen Kompromiss zu finden, mit dem sich jedes Bandmitglied
arrangieren konnte. Hugh Fielder vom Sounds sollte es später in einem
Interview präzisieren: „Es sind so unterschiedliche Personen, da ist es
kaum zu glauben, dass sie überhaupt etwas verbindet.“ Entsprechend
anstrengend war demnach die Findung der gemeinsamen Schnittmenge des
Materials für acht Songs, mit dem es dann für vier Wochen in den
Londoner Air Studios zur eigentlichen Aufnahme ging.

GEORGE MARTIN -
Zeitgleich wurde auch über die Besetzung der Position des Produzenten
nachgedacht. Zwar hatte die Band mit Conny Plank in der Vergangenheit
gute Erfahrungen gemacht, doch blieben sie ihrer Linie treu, in der
Stillstand auch Rückschritt bedeutet und neue Wege eingeschlagen werden
sollten. Man war sich einig, dass das neue Album wesentlich härter
werden sollte und überlegte, wie dieses erreicht werden könnte. |
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Als potenzielle Produzenten tauchten Namen wie Chris Hughes und
Chris Thomas auf, welche schon Bands wie Adam Ant, Sex Pistols oder aber Roxy Music
produzierten. Dann wurde der Name George Martin eingeworfen. Midge hatte
während der Prince’s Trust Rock Gala 1982 bereits Kontakt zu ihm und
alle hielten es für eine gute Idee, zumal er als Produzent der Beatles
mit deren „St. Pepper“-Album bereits zur lebenden Legende geworden ist.
Auch wenn sich keiner sicher war, was er in den letzten zehn Jahren
eigentlich gemacht hatte.
Tatsächlich hat er unter anderem mit Cheap Trick und UFO gearbeitet. Sie
fragten ihn einfach und bekamen zunächst eine Absage. Vermutlich, weil
er seinen Ohren obschon dieser Anfrage nicht traute. Dabei kannte er die
Musik der Band, da er von seiner Tochter bereits auf eines ihrer
Konzerte mitgenommen wurde. Er kannte „Vienna“, ihm gefiel die Musik und
letztendlich gab er dem Drängen der Band nach. Die Presse interpretierte
aus dieser Kombination zugleich, dass sich Ultravox jetzt völlig dem
Kommerz verschreiben würde. Vielleicht nicht ganz unbegründet. Primär
waren sie aber darauf aus, eine Symbiose aus der kommerziellen Erfahrung
Martins und den eigenen experimentellen und innovativen Tendenzen zu
schaffen. Wer, wenn nicht Ultravox, sollte einen derart ungewöhnlichen
Schritt wagen.

Sie legten dabei aber auch großen Wert darauf, die
eigenen künstlerischen Interessen zu wahren und einzubringen. Insgeheim
setzte man durch die Zusammenarbeit mit Martin auch darauf, endlich in
den Vereinigten Staaten den Durchbruch zu schaffen. Er arbeitete mit
seinen Tontechnikern Geoff Emerick und Jon Jacobs zusammen, ohne dabei
selbst an den Reglern tätig zu werden. Im Gegensatz zu Conny Plank, der
sein Mischpult zwar in tüftlerischer Akribie selbst bediente, sich dabei
aber auf den Klang der Songs konzentrierte, brachte sich Martin auch auf
dem Gebiet der Harmonien und des Gesangs ein. So unterstützte er Midge
dabei, sich gesanglich zu entwickeln und zu verbessern. Dabei ließ er
ihn jeden Song mehrmals singen, um aus der unterschiedlichen Spuren die
jeweils besten Segmente auszuwählen. Diese Vorgehensweise war Midge bis
dahin unbekannt. Darauf war man aber auch vorbereitet und es war auch
erwünscht, um aus dieser Merkwürdigkeit der Konstellation das Besondere
zu ermitteln. Der eigentlichen Aufnahme folgte, als angenehmer
Nebeneffekt, der Umzug auf die Karibikinsel Montserrat, wo in den
dortigen Studios innerhalb der nächsten sieben Wochen das Abmischen und
der Feinschliff erfolgte. Musikalisch nahm Martin insoweit Einfluss, als
dass er eine Art leitende Funktion übernahm und unterstützend eingriff,
der Band aber auch in der Entwicklung völlige Freiheit gestattete. Trotz
der vielen Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung, welche die Insel bot,
war es erneut eine anstrengende Zeit. Dabei hätte Midge auf die
unangenehme Begegnung mit einem Hai vermutlich gerne verzichtet.

Eine
von Warrens Hauptbeschäftigungen war Schlafen. Er lag nicht gerne in der
Sonne und nahm lieber Bräunungspillen, die ihn aber, laut Midges
Einschätzung, eher wie eine Orange aussehen ließ. Ein Eklat kurz vor dem
Abschluss der Arbeiten konnte gerade noch verhindert werden, als Warren
nach Beendigung einer seiner letzten Schlafzyklen zu verstehen gab, dass
er möglicherweise mit dem Drumsound nicht zufrieden sei. Einer kurzen
Stille angesichts dieses Statements folgte die kollektive und lautstarke
Darlegung, dass er dann auch vorher beim Vorgang des Abmischens hätte
anwesend sein müssen. Denn eine Änderung des Drums hätte zur Folge
gehabt, dass auch alles andere hätte überarbeitet werden müssen. So sei
sein Vetorecht verwirkt und der Einspruch abgelehnt. Durch Martins
Anteil und seinem musikalischen Hintergrund
wurde „Quartet“ ein stark arrangiertes Album, welches sich deutlich von
seinem Vorgänger unterscheidet. Diese Anforderung an das neue Album
wurde
im Vergleich mit „Rage In Eden“ also erfüllt. Und ganz am Ende steht
„produziert von George Martin“ auf dem Album, was auf jeden Fall ein
sehr wertvolles Gütesiegel war. |
SELBSTEINSCHÄTZUNG

Ob der Grad der Zufriedenheit, welcher nach Fertigstellung in diversen
Interviews seitens der Band kommuniziert wurde, auch der tatsächlichen
Einschätzung entsprach, darf zumindest hinterfragt. „Er ist ein
Gentlemen durch und durch. Immer freundlich und hilfsbereit“, so Midge
Ure. „Kein Leuteschinder, wie man es sich bei einem Produzenten der
alten Schule vorstellt.“ Ferner bezeichnete man die Zusammenarbeit als
eine Mischung aus Vater und Schullehrer. Er habe weitergeholfen, wenn
sie festsaßen und keine Einigung erzielen konnten. Dann fungierte er
auch als eine Art Schiedsrichter, der bei den häufigen
Meinungsverschiedenheiten als Außenstehender seine objektive
Einschätzung abgab. Man bezeichnete die Ergebnisse als gut und mitunter
auch als merkwürdig und kurios. Aber von wirklicher Euphorie sprach nach
Beendigung der Produktion niemand. Insgeheim hatte man sich in der Summe
vielleicht mehr von der Zusammenarbeit mit George Martin versprochen. Es
war nicht die akustische Reise, die sie wir uns erhofft hatten, so
Warren Cann später. Möglicherweise lag es an falschen Vorstellungen,
unter denen diese Kooperation angegangen wurde. Trotzdem würde keiner
von Ultravox diese Erfahrung gegen etwas anderes eintauschen wollen.
Entsprechend diverser Ansichten und Einschätzungen der Sachlage waren
auch die Lieblingstitel der Bandmitglieder unterschiedlich. Billy hatte
in „When The Scream Subsides“ seinen Favoriten.

Mit „Serenade“ hingegen
war er nicht so zufrieden, weil seine Vorstellung als geistiger Vater des
Songs nicht umgesetzt wurde. Es geht ihm zu sehr in die Richtung von „Sleepwalk“
und „Passing Strangers“. Warren hingegen mochte
„Serenade“, was nicht
verwundert, wenn man bedenkt, dass er „Sleepwalk“ geschrieben hat.
Außerdem zählt er „Visions In Blue“ zu seinen Lieblingen und stuft den
Song dabei sogar stärker als „Vienna“ ein. „We Came To Dance“ hingegen
hätte seiner Meinung nach besser sein können. Zusammen mit „Hymn“ und „Visions
In Blue“ findet Chris ausgerechnet „We Came To Dance“ interessant, weil
es sich von den anderen Songs unterscheidet. Midge bevorzugt “Visions In
Blue” und “Hymn”. Insgesamt ist er mit einigen Sounds auf dem Album und
der Art, wie Dinge gelaufen sind, aber nicht zufrieden. Doch aufgrund
der Tatsache, dass er Teil einer Band ist, musste er sich, wie alle
anderen auch, damit arrangieren. Aber es zeigt auch die Spannungen, die
unter den Bandmitgliedern vorhanden waren, um am Ende mit „Quartet“
ein
Album präsentieren zu können, das insgesamt gesehen zu einhundert
Prozent Ultravox ist. Auch wenn jeder für sich einige Dinge anders
gemacht hätte. Somit kann die Frage nach der Zufriedenheit
nichtvollständig beantwortet werden, da jedes Bandmitglied diese
vermutlich anders beantwortet hätte. Durch die Art, wie George Martin
arbeitete und die Vorstellungen, die Ultravox hatte, mündete die
gemeinsame Zeit irgendwie in einem musikalischen Zwischenraum. |
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REAP THE
WILD WIND

Für das Design zeigte sich erneut Peter Saville verantwortlich. Auf der
am 16. September 1982 vorab veröffentlichen Single „Reap The Wild Wind“
(Bibelvers aus Hosea 8, 7: „Den Sturm ernten“) sind Teile von
Strukturelementen in Anlehnung an die altitalienische Baukunst
abgebildet. Der rote Faden in Sachen Design setzt findet im Cover zum
Album seine Auflösung, da dort die komplette Frontansicht des Bauwerks -
wie später auch als Bühnendekoration - zu sehen ist. Dabei basiert der
Schriftzug des Titels auf der Schriftart Perpetua Titling Light, die den
klassischen Architekturansatz unterstützen soll. Das Album erschien auch
als Picture Disc, wobei auf der transparenten Hülle sowohl Bandname und
Albumtitel stehen und die Schallplatte selbst grünlich marmoriert und
die entsprechende Symbolik ebenfalls vorzufinden ist. Der Bezeichnung
des Bauwerk als Monument setzt sich immer mehr als Leitbegriff dieser
Bandepoche durch. Dieses Monument taucht sich auch im Video zu „Reap The
Wild Wind“ auf, als die Bandmitglieder am Beachy Head, Eastburne das
Design vom Cover in der Wirklichkeit der Steilküste nachbauen. Das
teuerste am Video, welches wieder in Eigenregie gedreht wurde, war dabei
noch die Anmietung der Spitfire aus dem zweiten Weltkrieg, die im
Elstree Flying Club, Berkshire über die Köpfe der Bandmitglieder
hinwegfliegt. Midge Ure weist bei diesem Song ausdrücklich darauf hin,
dass der Text eigentlich keine besondere Bedeutung hat. Der Betrachter
soll die Bilder in Verbindung mit der Musik selbst zusammenfügen.
Ansonsten sei dieses Video eher die freudige Verwirklichung der
Phantasien von vier großen Kindern. Die Single mit der instrumentalen
B-Seite „Hosanna (In Excelsis Deo)“ erreichte Platz 12 der britischen
Charts. Mittlerweile ist es keine Überraschung, dass die Presse erneut
bevorzugt negativ äußert. „Es scheint, als gäbe es kein Schwarz und kein
Weiß. Entweder man mag Ultravox oder man mag sie nicht. „Reap The Wild
Wind ist eine seichte Nachahmung von Kraftwerk“ oder „wie ein
unglaubwürdiger Bowie-Schmierkäse“, so die britische Presse. Auch das
Album selbst, welches am 15. Oktober 1982 veröffentlich wird, besteht
den Test der musikalischen Fachpresse nur selten. Christopher Hill: „Das
Problem ist George Martin’s klarer Sound, der keinen Platz für die
notwendigen dunklen Nischen lässt, welche Ultravox aber benötigt.“
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Noch heftiger äußert sich Roy Trakin im Creem: „Quartet versucht modisch und
exotisch zu klingen, doch sind die Einflüsse dafür zu bodenständig und
banal.“ Chris Cross hat seine eigene Meinung dazu und übte seinerseits
Kritik: „Die englische Presse ist ganz generell ziemlich schlecht. Wenn
die wüssten, wovon sie eigentlich reden, nähmen wir sie vielleicht
ernst. Die europäische und amerikanische Presse ist wenigstens an
unserer Musik interessiert. Die einheimische Presse hingegen nimmt zum
größten Teil nur sich selbst wichtig.“ Warren Cann setzt noch einen
drauf: „Die britische Presse hasst uns für unser Selbstvertrauen. Die
Journalisten zu Hause konnten uns nie und zu keiner Zeit unserer
Karriere leiden.“ Da können sie mit einer Spur Genugtuung vernehmen,
dass sich das Album bereits am 23. Oktober 1982 auf Platz 6 der
Albumcharts wiederfindet und sich dort auch über ein halbes Jahr halten
soll. In den USA schaffte das Album mit Platz 61 die bisher höchste
Platzierung. Wenn auch nicht so hoch, als das man es als Durchbruch in
Amerika bezeichnen könnte. Auf dem europäischen Festland sind im
Gegensatz zur britischen Presse zwar auch nicht alle Kritiken positiv,
aber doch ausgewogener und nicht ganz so extrem. „Herrlich. Selten so
eine kuschelweiche Stimme und so einen flaumigen Synthesizer gehört wie
auf der neuen Ultravox- Single. Was Bass und Schlagzeug dagegen
anstellen, erinnert mehr an ein kleines Erdbeben. Die Melodie allein ist
schon nicht übel, aber seinen eigentlichen Reiz bezieht der Song aus dem
scharfen Gegensatz von Rhythmus- und Melodieelementen. Tanzen oder nur
fasziniert zuhören, beides ist möglich, denn der Fuchs aller Füchse,
Beatles-Produzent George Martin, hat hier alles bis aufs I-Tüpfelchen
ausgefeilt und – balanciert.“ So eine deutsche Kritik zu „Reap The Wild
Wind“.

Die Süddeutsche Zeitung sah „Ultravox als führende Vertreter der
elektronisch aufbereiteten Rockmusik.“ Frank Erdle ist weniger
euphorisch: „Lohnt es sich, die Vorratsregale der Plattenläden im Sturm
zu nehmen? Die Antwort lautet Jein. In der Tat kann ich an Quartet rein
gar nichts aufregendes entdecken. Viele nette Melodien für das
Autoradio. Auch George Martins Einfluss bleibt gering. Somit hat Midge
Ure bewiesen, dass er eingängige Pop-Songs schreiben kann und seine
Begleittruppe beweist, dass sie diese spielen kann.“ Da taucht
unterschwellig wieder ein Problem in der Wahrnehmung auf, das mit dem
Weggang von John Foxx eigentlich behoben sein sollte. Wieder wird der
Sänger nicht als Bestandteil der Band, sondern auch als schöpferischer
Kopf gesehen. Eine Tendenz, welche zumindest in der Öffentlichkeit von
der Band regelmäßig dementiert wurde. Dave Thompson von Allmusic
attestierte dem Album eine gewisse Bedeutungsschwere zwischen Nostalgie
(„Reap The Wild Wind“), Glauben („Hymn“) und Angst („When The Scream
Subsides“, „Cut And Run“). In einer von Modeopfern und Oberflächlichkeit
geprägten Bewegung pralle Ultravox an dem von ihnen selbst erschaffenen
Frankenstein ab. Die Musikszene besitze am Beispiel von „Serenade“
und „We
Came To Dance“ die erschreckende Eigenschaft, sowohl ekstatischer
Hingabe als auch militärische Konformität freizusetzen. Andererseits
bestünde durch einladende Rhythmen, wabernde Synthesizer und aufweckende
Melodien auch die Möglichkeit, der Düsternis der behandelten Themen zu
vergessen. |
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HYMN

Überhaupt lassen die Texte von Ultravox viel Spielraum für
Interpretationen. Es liegt gewollt nicht in der Absicht von Midge Ure
und Chris Cross als Verantwortliche für diesen Part, eindeutige Aussagen
zu treffen. Im optimalen Fall erstellt sich der Hörer selbst durch Text
und Musik in Verbindung mit den eigenen Erfahrungen die passenden
Bilder. Wenn jemand bestimmte Situationen oder Emotionen mit einem Song
von Ultravox in Verbindung bringt, haben sie ihr Ziel erreicht. Das galt
auch für die zweite Single „Hymn“, die am 19. November 1982 erschien.
Und auch hier war in Sachen Design wieder Peter Saville am Werk. Der
Bezug zu den architektonischen Elementen der beiden vorherigen
Veröffentlichungen wird durch die Verwendung von Freimauersymbolen, wie
unter anderem Winkel, Zirkel, Sonne, Mond und einem angedeutetem
Strahlenkranz, hergestellt. Das Video dazu beginnt mit den letzten
Szenen von „Reap The Wild Wind“ und zeigt die vier Bandmitglieder in
ihren jeweils erfolglosen Tätigkeiten, die erst nach der Unterzeichnung
eines mittelalterlichen Vertrages in die Erfolgsspur geraten. Während in
Verbindung mit dem Titel und dem Text anscheinend religiöse Aspekte
behandelt werden, lässt es zusammen mit dem Video eher darauf schließen,
dass vom Pakt mit dem Teufel die Rede ist, der zunächst zum Ruhm und
dann zum Untergang führt. Eindrucksvoll wird dieser „Teufel“ durch den
Schauspieler Oliver Tobias dargestellt, wobei die Entfernung der grünen,
leuchtenden Kontaktlinsen nach Beendigung der Dreharbeiten größer
Probleme machten, als die Arbeit selbst. „Hymn“ ereichte in
Großbritannien Platz 11 und in Deutschland Platz 9.
Oft wird Ultravox auch mit dem Thema Mode in Verbindung gebracht.
Insbesondere, weil sich Ihr Outfit während „Vienna“ und „Rage im Eden“
am beginnenden zwanzigsten Jahrhundert orientierte. Mit Beginn der „Quartet“-Ära
wurde bevorzugt dunklere Kleidung mit militärischem Einfluss gewählt.
Anhand dessen will die Band auch deutlich machen, dass es ihr nicht um
Mode geht. Wenn sich Ultravox modisch orientieren würde, bestünde die
Gefahr, einer gerade aktuellen Epoche zugeteilt zu werden und in
absehbarer Zeit wieder zu verschwinden, sobald auch die Mode der
Vergangenheit angehörte. Der Band ginge es eher um Stil. Stil sei
zeitlos und könne bei Bedarf das gesamte Konzept eines Albums
ausmachen. So geschehen bei „Rage In Eden“ mit dem Gefühl der dreißiger Jahre und
„Quartet“ mithilfe des Designs von Peter Saville. Mode kommt und geht,
so Ultravox. Doch der Stil bleibt als prägendes Element erhalten. |
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LIVE

Mit der beginnenden Tour Ende 1982 wurde das konzeptionelle Design von
„Quartet“ und Peter Saville fortgesetzt. Die Bühnenkonstruktion bildete
dabei das Cover des Albums. Zunächst war angedacht, das Design des
monumentalen Bauwerks aus Pappe nachzubilden. Doch entschied man sich
für einen Holzbau, weshalb die Kosten entsprechend explodierten. Da
jedoch bereits ein Punkt erreicht war, an dem ein Verzicht keinen Sinn
mehr machte, wurde das Konzept trotz immenser Folgekosten für den
Transport durchgezogen. Letztendlich setzte sich die Philosophie der
Band durch, das Beste an Sound zu bieten, was möglich ist. Selbst wenn
es eine Materialschlacht auf allen Ebenen wurde. Zusammen mit der grau
angestrichenen Bühnendekoration, die sich der jeweiligen Beleuchtung
anpasste, sollte eine Atmosphäre geschaffen werden, die dem
Konzertbesucher und Fan ein besonderes Erlebnis bescherten. Lautsprecher
und Scheinwerfer wurden dabei in das Bühnenbild integriert, um der
mystischen Stimmung nachhaltig Ausdruck zu verleihen. Zusätzlich wurden
die Instrumente entsprechend der Fassadenfarbe ebenfalls komplett Grau
gestrichen. Dabei fiel ein Konzert in Deutschland der enormen
Bühnengröße zum Opfer, weil die Höhenangaben des Veranstalters falsch
waren und die Bühnendekoration nicht in die Halle passte. Eine weitere
Problematik stellte der mittlerweile sehr voluminöse Bandsound dar, der
live mit nur vier Musikern nicht mehr zu bewerkstelligen war. Also
entschied man sich, die eigene Vorband zur gesanglichen und
instrumentellen Unterstützung in das eigene Set einzubauen. Dabei
handelte es sich um das Duo „The Messengers“ bestehend aus Colin King
und Danny Mitchell. Und dennoch sah sich Ultravox immer noch dem Vorwurf
ausgesetzt, die Songs nicht komplett live gespielt zu haben, was
entsprechend heftig dementiert wurde. Höhepunkt der Tour waren sicher
die vier Shows im Londoner Hammersmith Odeon, die auch aufgezeichnet
wurden. Doch es wäre nicht Ultravox, wenn die Presse auch hier nichts zu
nörgeln gehabt hätte und die Protagonisten |
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VISIONS IN BLUE & WE CAME TO DANCE
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Die dritte Singleauskopplung „Visions In Blue“
erfolgte am 11.März 1983
mit der B-Seite „Break Your Back“ auf der Single und einer zusätzlichen
Live-Aufnahme auf der Maxi-Single von „Reap The Wild Wind“ als Teil der
im Dezember aufgezeichneten Shows. Dabei sorgte das zugehörige Video zu
„Visions in Blue“ für einen kleinen Skandal im britischen Fernsehen.
Aufgrund nackter Tatsachen wurde es zensiert und lediglich in einer
gekürzten Version gezeigt. Einerseits wurde der entblößte Oberkörper
einer jungen Frau gezeigt und zusätzlich im schnellen Mittelteil des
Songs ein Tanzpaar, wobei der männliche Part auch von einer Frau
dargestellt wird und dabei lediglich eine unverschlossene Jacke trägt.
Das war zuviel der Freizügigkeit für die britische Moral. Ungeachtet
dieser „Differenzen“ erreichte die Single am 26. März 1983 Platz 15 der
britischen Single-Charts. Erwähnt sei noch, dass im Video bereits
Einspielungen vorkommen, in denen Midge diesen Song live auf der Bühne
singt. Ein erster öffentlicher Hinweis, dass es zur Aufzeichnung von
Konzerten gekommen ist und für Gesprächsstoff unter den Fans sorgte.
Fünf Wochen nach „Visions In Blue“ wurde als vierte und letzte
Auskopplung am 18. April 1982 noch „We Came To Dance“ ausgekoppelt. Das
Video dazu spielt in einem kommunistisch regierten Land Asiens, sendet
anhand einer tragisch endenden Liebe unterschwellig die Botschaft von
Unterdrückung und dem Drang nach Freiheit aus. Die Fahne, die
zwischendurch von Midge in die Luft geworfen wird, deutet darauf hin,
dass es sich um China handeln soll. Auch diese Single schaffte es, mehr
als ein halbes Jahr nach Veröffentlichung des Albums, am 4. Juni 1983
auf Platz 18 der Charts. Somit waren alle vier Auskopplungen unter den
Top 20. Hinsichtlich der Frage, ob es sich bei „Quartet“
demnach um ein
kommerzielles Album handelt, dürften diese Zahlen die Antwort geben und
sämtliche Kritiken am Charisma der Band abprallen. Ungeachtet der Frage,
wie zufrieden Ultravox selbst mit dem Album war. Diverse
Fernsehauftritte unterstrichen die allgegenwärtige Präsenz und den damit
verbundenen Erfolg der Band. In Deutschland war einer der Höhepunkte ein
Auftritt in der Dortmunder Westfalenhalle, welcher im Rahmen von Rockpop
in Concert ebenfalls im Fernsehen übertragen wurde. Besonders „The Song
(We Go)“ bleibt wegen Warrens Solo auf den synthetischen Drums in
bleibender Erinnerung. |
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MONUMENT THE SOUNDTRACK

Um sich von den Strapazen eine Auszeit zu nehmen, nutzten einige der
Bandmitglieder nach der Tour die Gelegenheit, durch diverse Projekte die
angestauten Emotionen abzubauen. Denn es war auch anderen Leuten aus dem
Einzugsbereich der Band, wie zum Beispiel Danny Mitchell, aufgefallen,
dass die Spannungen untereinander zunahmen, und sich mit Warren und
Billy auf der einen sowie Chris und Midge auf der anderen Seite zwei
Lager gebildet hatten. Mitunter reisten sie sogar getrennt voneinander
zum Veranstaltungsort des nächsten Konzertes. In Sachen Entspannung
hatte dabei jeder seine eigene Methode, und bei Midge hieß diese immer
noch Musik. Zusammen mit Mick Karn von Japan nahm er die Single
„After A
Fashion“ auf, um zusammen anschließend nach Ägypten zu reisen, um dort
in Kairo das entsprechende Video zu drehen. Außerdem kam über Karn und
seine Verbindung zu Japan der Kontakt zu David Sylvian zustande, für den
er ein Video produzierte. In dieser Phase entstand auch „The Bloodied
Sword“, eine Art Hörspiel, in Zusammenarbeit zwischen Midge und Chris,
die für die Musik zuständig waren sowie Maxwell Langdown als Erzähler.
Chris selbst bezeichnete das Ergebnis als Shakespeare mit musikalischer
Untermalung. Warren hingegen arbeitete, wenn er nicht gerade mit seinem
Motorrad unterwegs war, zusammen mit Hans Zimmer als Helden am Album
„Spies“. Zwar konnte das Resultat in zwei Shows live im The London
Planetarium gezeigt werden, doch reichte es nicht für einen
Plattenvertrag. Um die Zeit für die Fans von Ultravox bis zum nächsten
Album zu überbrücken, wurde im Oktober ein Teil der in London
aufgezeichneten Show unter dem Titel „Monument - The Soundtrack“
als
Video und Album veröffentlicht. Neben dem instrumentalen Intro „Monument“ beinhaltete es die Mitschnitte von
„Reap The Wild Wind“, „The
Voice“, „Vienna“, „Mine For Life“ sowie
„Hymn“. „Visions In Blue“ war
zur Überraschung der Fans aber nicht mit dabei, obwohl das entsprechende
Video dahingehende Andeutungen gemacht hatte. Überhaupt handelte es sich
bei „Monument“ nicht um ein reines Live-Video, weshalb der Zusatz
„The
Soundtrack“ zum Tragen kam. Denn der Bühnenshow wurden
Sequenzen aus den entsprechenden Videos zugefügt, da die Band ein reines
Live-Video als zu langweilig ansah und abwechslungsreicher gestalten
wollte. Das war aber auch nicht ganz unproblematisch, weil die Videos
vom Tempo her den Studioaufnahmen entsprachen. Live wurden die Songs
aber etwas schneller gespielt, weshalb die Videos von der
Geschwindigkeit angepasst werden mussten. Dabei hatte „Mine For Life“
als reiner Albumtitel dieser Auswahl überhaupt kein eigenes Video,
weshalb es mit Szenen von „Passing Strangers“ unterlegt wurde. Legendär
ist dabei sicher der Einstieg in diesen Song mit dem verzerrt
quietschenden Sound, den Midge aus seiner Gitarre quält. Und natürlich
das Drumsolo am Ende von „The Voice“. Trotz seiner limitierten Länge von
gerade mal dreißig Minuten, konnte sich das Album mit Platz 9 in die Top
Ten der britischen Albumcharts schieben und schaffte es in Deutschland
sogar zum LP-Tip der Woche: „Es war schon immer ein unvergleichliches
Ereignis, Ultravox in ihren Konzerten zu erleben. Wer es trotz allem
bisher versäumt hat, dem sei dieses Album wärmstens empfohlen. Die
absoluten Höhepunkte der letzten Europa-Tour werden jetzt im astreinen
Sound live serviert. Ultravox live - eines der spektakulärsten
Rockereignisse des Jahres.“ Und im Vereinigten Königreich? Chris Bohn
kontert: „Jungs, Ihr habt Euch ein Mausoleum gebaut. Geht und legt Euch
hinein.“ |
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LAMENT

Derweil begann Midge nach seinem Soloprojekt damit, in seinem Haus in
Chiswick ein Studio einzurichten und gründete mit Music Fest sein
eigenes Label. Denn im der zweiten Jahreshälfte sollten die Arbeiten am
vierten Studioalbum in dieser Besetzung beginnen. Und auch für dieses
Vorhaben hatten sich Ultravox schon eine neue Strategie überlegt: Sie
wollten es alleine machen. Man äußerte sich dahingehend, dass die
Notwendigkeit eines fünften Bandmitgliedes, das sich in Sachen
Strukturierung mit einbringt, nicht mehr gesehen wurde und ein Punkt
erreicht war, an dem man selbst wusste, wohin der Weg führen sollte.
Diese Entscheidung bietet natürlich auch viel Platz für Spekulationen.
Möglicherweise wurde sie aus der Erkenntnis heraus getroffen, dass
„Quartet“ zwar die kommerziellen Erwartungen erfüllte, aber nicht die
eigenen. Vielleicht hatte es aber auch finanzielle Aspekte. Denn George
Martin als Produzenten zu haben und das Album auf Montserrat
abzumischen, war sicher nicht weniger kostspielig als die komplette
„Monument-Tour“. Daher wurde die gesamte Bühnenkonstruktion nach dem
letzten Konzert in Japan auch nicht wieder mit nach Hause genommen,
sondern gleich vor Ort entsorgt. Vielleicht wurden diese Gründe aber
auch intern als Vorwand genutzt, um im intimen Kreis die jeweils eigenen
musikalischen Interessen in eine stärkere Position zu bringen. Denn
einen Schiedsrichter, wie ihn George Martin mitunter abgegeben hatte,
würde es dann nicht mehr geben und Differenzen müssten endgültig
untereinander und ohne äußeren Einfluss ausgeräumt werden. Eine nicht
unwichtige Betrachtungsweise auch unter dem Aspekt, dass nach wie vor
alle finanziellen Erträge, welche die Band erzielte, zu gleichen
Anteilen aufgeteilt wurden. Unabhängig davon, wie groß die eingebrachte
Eigenleistung eines jeden in die Bandarbeit war. Das Auftreten als
Kollektiv und die Auffassung, alle Fäden in musikalischer und
wirtschaftlicher Hinsicht selbst in den eigenen Händen zu halten, mag
hinsichtlich der Präsentierung des Produktes Ultravox verständlich sein.
Es barg aber auch die Gefahr, sich untereinander zusätzliche
Reibungspunkte zu schaffen. So ganz ohne fremde Hilfe kam man dann aber
doch nicht aus, denn die neue Technik wollte auch bedient werden, ohne
mit der Bedienungsanleitung in der Hand die Funktion eines jeden Reglers
überprüfen zu müssen. |
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Also wurde Rik Walton als Toningenieur engagiert,
und im Spätsommer 1983 konnte mit den Arbeiten am neuen Album begonnen
werden. Grundsätzlich änderte sich nichts an der Arbeitsweise daran, wie
die Songs von Ultravox entstanden. Jedes Bandmitglied warf Ideen ein,
und sobald etwas Brauchbares abfiel, wurde diese Idee aufgegriffen und
weiter verfeinert oder mit anderen Ideen kombiniert, um so einen neuen
Song zu kreieren. Der Unterschied zu den bisherigen Alben lag jedoch
darin, dass bei diesen immer erst alle Songs geschrieben wurden, um sie
dann anschließend im Studio aufzunehmen. Aber aufgrund der Tatsache,
dass Ultravox in Form von Midge Ure der Eigentümer des Studios war, bot
sich eine andere Möglichkeit. Eine zu einem Song gereifte Idee konnte
schon im Studio aufgenommen werden, obwohl noch längst nicht alle Titel
des Albums fertig waren. So boten sich mehr Freiräume zur kreativen
Entfaltung. Dabei entzog sich Ultravox auch nicht dem Fortschritt und
nutzte die neue Midi- Technologie. Einige der älteren Instrumente wurden
durch neue mit Midi-Funktion ersetzt und mit Gesangs-Samples
programmiert. So wie dem Palm PPG Wave 2.2 oder aber dem Yamaha GS-1,
welche unter anderem bei „Lament“ oder „White China“ zum Einsatz kamen.
Zum Streichquartett bei „Heart Of The Country“ bestehend aus Amanda & Jacky Woods, Margaret Roseberry und Robert Woollard gesellte sich Billy
Currie mit einer Violectra des amerikanischen Herstellers Barcus-Berry.

Zwischendurch gönnte man sich eine Pause, um der Mischung aus
Anstrengung und Langeweile, die Studioaufenthalte zwangsläufig mit sich
bringen, zu entkommen. Als ein Ventil, um angestaute Emotionen und Ärger
anderweitig ablassen zu können. Dass das nicht immer gelang, lassen
diverse Interviews nach Fertigstellung des Albums durchblicken. Der Grat
zwischen konstruktiver Kritik und Schuldzuweisungen im kreativen Bereich
wurde mitunter sehr schmal. Vielleicht schmaler, als es die Band vorher
dachte. Es kam vor, dass Diskussionen im Streit mündeten und der
Zusammenhalt untereinander auf harte Proben gestellt wurde.
Nicht unerheblich beteiligt an einer latent unterschwelligen
Unzufriedenheit war die Presse. Die Gleichheit der jeweiligen
Bandmitglieder untereinander wurde von den Fachzeitschriften
nicht reflektiert.
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Insbesondere Midge Ure wurde als Frontmann immer wieder als Kopf der
Band und kreative Kraft bezeichnet. Folglich wurde bevorzugt auch Midge
Ure auf den Titelblättern der Musikpresse abgelichtet und zu Interviews
eingeladen, was insbesondere Billy ärgerte. Zwar kamen sie in
Fachzeitschriften rund um ihre Spezialgebiete zu entsprechenden Ehren,
doch was die Medien für die breite Öffentlichkeit anging, so mussten sie
sich deren starren Konzepten fügen. Im Studio übernahm primär Midge Ure
die Arbeit am Mischpult, um die Ergebnisse anschließend mit den anderen
Bandmitgliedern im allgemeinen Interesse zu bearbeiten. Nach
Einschätzung der Band selbst ist das Album im Sound stärker und
aggressiver, da auch mehr mit Gitarre gearbeitet wurde. Eine
musikalische Note der besonderen Art bekamen dabei „Man Of Two Worlds“
und „A Friend I CallDesire“. Die Texte zu den Songs wurden erst nach
deren Fertigstellung verfasst. Während der Aufnahmen, in denen die
Bausteine zu Songs zusammengefügt wurden, entstanden erste Emotionen,
Gedanken, Empfindungen, welche sich in erste Bilder zu manifestieren.
Nach Beendigung der grundlegenden Aufnahmen machten sich Midge und Chris
im September 1983 in Richtung Schottland auf, um dort diese Bilder in
Worte zu fassen. Dabei gab hauptsächlich Midge seine Ideen an Chris
weiter, der eventuelle Korrekturen vornahm oder alternative Vorschläge
machte. Ihre Reise führte sie auf die Inneren und Äußeren Hebriden, und
sie trafen dort auf Mae McKenna, der Schwester von Schlagzeuger Ted
McKenna, der unter anderem auch mit Rory Gallagher und The Michael
Schenker Group arbeitete. Jedenfalls gefiel den beiden ihre „aufregende“
Stimme so gut, dass sie ins Studio eingeladen wurde und den gälischen
Gesangspart bei „Man Of Two Worlds“ übernahm. Shirley Roden und Debbie Doss, ehemals Sängerin bei The Buggles und deren Hit „Video Killed The
Radio Star“ (mit Warren Cann) zeigten sich für die Backup Vocals zu
„A Friend I Call Desire“ verantwortlich. |
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ONE
SMALL DAY

Die erste Single des Albums erschien am 26. Januar 1984 mit dem erneut
instrumentalen Song „Easterly“ auf der Rückseite. Es war der erste Song,
der fertig gestellt wurde, und Ultravox selbst zeigte sich mit ihm sehr
zufrieden, da sie bereits beim Schreiben ein gutes Gefühl hatten.
Vielleicht war es der für Ultravox eher unübliche Sound mit schweren
Gitarren, so dass es lediglich für Platz 27 der britischen Singlecharts
reichte. So wurde schon in den Raum gestellt, ob das die neue
Stilrichtung von Ultravox wäre. „Es ist nicht die schlechteste Platte im
Universum“, so der Record Mirror. „Aber sie ist auch nicht weit davon
entfernt.“ Chris hatte seine eigene Meinung von den Rezensionen.
Mittlerweile hegte er die Vermutung, dass Chris die neuen Platten
überhaupt nicht mehr angehört werden würden und einfach die Kritik der
vorherigen genommen wird. Darum interessierte er sich auch nicht mehr
dafür. Plattitüden wie „kalt“ und „emotionslos“ oder „bombastisch“ und
„pompös“ gehörten für ihn zum medialen Repertoire hinsichtlich Ultravox
wie Milch zu Cornflakes. Entgegen der allgemeinen Tendenz, den Videos
mittlerweile einen höheren Stellenwert als der Musik selbst einzuräumen,
entschloss man sich für eine eher unkompliziertere Produktion. Sie
wollten einfach nur sich selbst zeigen, allerdings nicht auf der Bühne.
Midge und Chris entsannen sich der Callanish Standing Stones auf der
Isle of Lewis, einer mehr als fünftausend Jahre alten
Steinkreisformation, welche sie für einen geeigneten Drehort ansahen.
Die Steine seien voller Symbolgehalt und mystischer Geheimnisse. Also
entschlossen sie sich, das Video dort zu drehen. Allerdings kalkulierten
sie nicht ein, dass es dort im Januar wesentlich kälter ist, als im
spätsommerlichen September. Zwar passten sich die von der letzten Tour
noch Grau angestrichenen Instrumente der kargen Landschaft inmitten des
Steinkreises an, doch sorgten die Temperaturen deutlich unter dem
Gefrierpunkt für körperliches Unbehagen. Und nach Beendigung der
Dreharbeiten schaffte es nur die Band, vor dem einsetzenden Schnee
rechtzeitig abzureisen. Die restliche Crew wurde zur Verlängerung des
Aufenthaltes gezwungen. |
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DAS ALBUM

Erst drei Monate nach „One Small Day“
erschien am 19. April 1984 das
Album „Lament“, was auf Deutsch so viel wie „Wehklage“
bedeutet. Doch
der Titel solle dabei aber keineswegs Traurigkeit zum Ausdruck bringen,
sondern vielmehr Emotionen. Schon früher hatte man als Albumtitel Worte
mit nur zwei Silben und einem schweren Vokal am Anfang verwendet.
Außerdem war aufgefallen, dass beim Vorspielen der Songs der
gleichnamige Song den Hörern nachhaltig in Erinnerung blieb. Ein Sound
sollte sich mit den eigenen Empfindungen verbinden und in Erinnerung
bleiben. Und das schien bei „Lament“ funktioniert zu haben. Außerdem
würde es einfach gut klingen. Insgesamt sah Ultravox im Sound mehr Härte
und Aggressivität, da auch mehr mit der Gitarre gearbeitet wurde. Der
Sound der Band sei dabei mehr als die Summe der Einzelteile und die
Demokratie innerhalb der Band letztendlich der Schlüssel. Billy war
froh, seiner experimentellen Ader wieder freien Lauf lassen zu dürfen,
denn die Arbeit mit George Martin empfand er rückblickend als zu bieder
an. Solchen Aussagen kann demnach schon entnommen werden, dass das
Ergebnis, welches mit „Quartet“ erzielt wurde, nicht den eigenen
Vorstellungen entsprach. Den Aufnahmen zu „Lament“ sprechen sie hingegen
einen anderen Geist zu. Da ist von gesteigerter Spontaneität und mehr
Gewalt im Sound die Rede und vom Verzicht auf schöngeistige
Effekthascherei und weniger Manipulation durch Studioeffekte. Das
Mischen des Albums selbst wurde in den Mayfair Studios in Zusammenarbeit
mit John Hudson durchgeführt. Wie alle Alben seit „Vienna“
schaffte auch
„Lament“ mit Platz 8 den Sprung in die britischen Top Ten. In
Deutschland allerdings langte es nur zu Platz 25. Und auch der ewige
Kampf mit der Presse ging in die nächste Runde. Im Stereoplay sprach
Dorothea Wessel davon, dass Ultravox als einstmalige Speerspitze
zukunftsorientierter Rockmusik mittlerweile von Dutzender anderer Bands
überholt worden sei und damit begonnen hätte, sich selbst zu kopieren.
Dabei hätte die Band durchaus das Potenzial zu mehr. Und wieder war vom
bekannten „englischen Kathedralensound“ die Rede und viele der anderen
Floskeln, die Chris Cross bereits nach „One Small Day“
und vor
Veröffentlichung des Albums angesprochen hatte.
Dem wiederum entgegnet Eleanore Levy: „Ultravox machen keine
tiefdenkende Musik. |

Sie sind nicht angesagt und nicht modisch und sie
versuchen nicht, die Welt zu ändern. Aber sie machen elegante Musik mit
Humor und Stil. Was kann man mehr verlangen?“ Und Dave Thompson von Allmusic bescheinigte der Band: „.. ein perfektes musikalisches
Vermächtnis, verschwenderisch in musikalischer und trostlos in
thematischer Hinsicht“. Der düstere Gemütszustand äußere sich sowohl
menschlich in schläfriger Melancholie und emotionalem Schmerz („Lament“,
„One Small Day“, „A Friend I Call Desire“) als auch in Form politisch
gefärbter Texte, die die globalen Gefahren der modernen Welt
heraufbeschwören („White China“, „Heart of the Country“, „Dancing with
Tears in My Eyes“). Bei aller Kritik sprechen die Verkaufszahlen eine
deutliche und vor allem eindeutige Sprache. Demnach gehörte Ultravox
neben Bands wie Depeche Mode oder The Cure zu den erfolgreichsten Bands
der sogenannten New- Wave-Ära, weshalb sie der jahrelangen Aversion
durch die Presse durchaus entspannt mit einer Spur der Genugtuung
entgegnen könnten. Außerdem hatten sich Midge Ure und Chris Cross soweit
in Szene setzen können, dass sie auch für andere Projekte gebucht
wurden. So schrieben sie mit „Rivets“ die Musik für einen
Werbespot von
Levi’s und außerdem den Soundtrack zum Pilotfilm von Max Headroom.

Das
Design wurde erneut in Zusammenarbeit mit Peter Saville entworfen. Dabei
hatten Midge Ure und Chris Cross anfangs die Vorstellung, dass Album
komplett schwarz sein sollte ohne einen Hinweis darauf, von wem das
Album sei. Aber Bandmanager Chris Morrison sprach sich aus praktischen
Gründen dagegen aus, weil es dem Käufer nur schwer vermittelbar sein
würde. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass Spinal Tap diesen
Gedanken wenige Monate später aufgriff und ihr Album „This Is Spiral“
mit diesem schlichten Design veröffentlichte. Der endgültige Entwurf von
„Lament“ hatte eine mattschwarze Oberfläche mit kleinen, im Raster
angeordneten schwarzglänzenden Quadraten. Diese waren erst sichtbar,
wenn die Oberfläche aus einem bestimmten Winkel betrachtet wurde. Oben
rechts befand sich ein Bild der Callanish Standing Stones, die auch ein
wenig den roten Faden bildeten, da sie bereits im Video zu „One Small
Day“ als Kulisse dienten. Midge hegte den Wunsch, dadurch eine
Verbindung zu seiner schottischen Heimat herzustellen, was hinsichtlich
der mystisch anmutenden Klänge von „Lament“ oder auch „Man of Two
Worlds“ gerechtfertigt war. Bands wie die Simple Minds oder aber Big
Country hatten diesen Weg auch mit großem Erfolgt eingeschlagen. Die
erste Auflage des Albums war allerdings auf zehntausend Stück limitiert,
da der Druck des Covers kostspielig war. Der Charterfolg des Longplayers
erforderte aber Nachschub, nachdem die Erstauflage schnell vergriffen
war. Die Nachfolgeserie war qualitativ anspruchsvoll und entsprechend
kostengünstiger. Dabei begab sich Ultravox mit „Lament“
textlich
zumindest teilweise auf neues Terrain. Das mystische „Man Of Two Worlds“
lässt durchaus religiöse Tendenzen erahnen und „White China“
mutet
politisch an hinsichtlich der damals nicht mehr in weiter Ferne
liegenden Rückgabe Hongkongs an China. Dass „Dancing With Tears In My
Eyes“ nur kurze Zeit später den Nerv der Menschheit in Bezug auf die
Angst einer nuklearen Katastrophe treffen würde, konnte damals niemand
ahnen. |
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DANCING WITH TEARS IN MY
EYES

Dabei wäre der Song, wenn es nach Ansicht der Band gegangen wäre,
überhaupt nicht als Single erschienen. Aufgebaut auf Billy Curries
Melodie und Akkordstruktur, wurde er als zu poppig eingestuft und man
war sich einig, dass es ein sehr guter Albumsong sein würde. Eher waren
sie darauf aus, „White China“ zu veröffentlichen, da es sowohl
musikalisch als auch inhaltlich als innovativer und visionärer angesehen
wurde. Es gab in Musikzeitschriften sogar schon vereinzelte Anzeigen,
dass die Single in Kürze veröffentlicht werden würde. Doch Chrysalis war
sich sicher, dass „Dancing With Tears In My Eyes“ die perfekte
Auskopplung war und man zugunsten von „White China“ Gefahr laufen würde,
auf einen potenziellen Hit zu verzichten. So kam es in einem finalen
Showdown zur telefonischen Intervention zwischen dem Label und Chris
Morrison an einem Ende der Leitung und Midge und Ultravox am anderen
Ende. Schließlich beugte sich die Band dem Druck der Plattenfirma.
Vielleicht auch deshalb, weil „One Small Day“ wenig erfolgreich war, und die Verantwortung aus Angst vor einem weiteren Flop somit in den
Zuständigkeitsbereich der Plattenfirma transferiert worden wäre. Doch
anders als es noch bei „Vienna“ der Fall war, sollte in diesem Fall Chrysalis recht behalten. „Dancing With Tears In My Eyes“
(mit der
B-Seite “Building” und einer zehnminütigen Version auf der Maxi-Single)
erschien am 04. Mai 1984 und wurde mit Platz 3 der zweitgrößte Hit von Ultravox in Großbritannien und mit Platz 7 der erfolgreichste in
Deutschland. Die Kunde, dass der Song in die Charts geschossen war,
erreichte die Band, während sie in England tourten. Irgendwie endete die
Freude darüber damit, dass sich Billy plötzlich inhaftiert wiederfand.
Der fehlenden Vorstellung, warum jemand mit Tränen in den Augen tanzen
sollte, leistete das entsprechende Video Abhilfe. Auf bedrückende Art
wird anhand eines Paares gezeigt, wie die letzten Minuten des Lebens
verbracht werden können, wenn der Tod - wie in diesem Fall durch eine
nukleare Katastrophe in einem Atomkraftwerk - unausweichlich bevorsteht.
Die Außenaufnahmen zu Beginn wurden in Battersea in der High Street
gedreht und die Innenaufnahmen in den dortigen Westbridge Studios.
Dabei ist das Video |
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so geschnitten, dass die
Explosion mit Beginn des Gitarrensolos erfolgt. Die folgende
Schlussszene, die das Abspielen eines Heimvideos im Super 8-Format
zeigt, wurde in Midges Garten in
Chiswick aufgenommen. Das Kind ist der Neffe von Produzent Lexi Godfry.
Seitdem gehört das Video zu den bekanntesten Werken der Achtziger Jahre
und wurde zu einem Meilenstein in Sachen visueller Umsetzung. |
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LAMENT UND HEART OF THE COUNTRY

Mit „One Small Day“
und „Dancing With Tears In My Eyes“ waren die beiden
ersten Auskopplungen des Albums sehr schnelle Stücke mit harten
Gitarrensounds. Darum entschied man sich mit „Lament“ als dritte
Auskopplung für ein eher ruhiges und besinnliches Stück, um der
Öffentlichkeit auch die andere Seite des Albums zu präsentieren. Am 21.
Juni 1984 wurde es veröffentlicht und platzierte sich mit Platz 22
immerhin fünf Plätze besser als „One Small Day“. Das Video dazu wurde in
der Umgebung von Elgol im Süden der Hebrideninsel Isle of Skye
aufgenommen. Am Tag der Anreise schien die Sonne, und am ersten Drehtag
regnete es in Strömen. Nicht umsonst redet man in Schottland auch nicht
von schlechtem Wetter, sondern von der falschen Kleidung. Inhaltlich ist
es eine Liebesgeschichte, in der die vier Bandmitglieder sich als
Urlauber in jeweils eine einheimische Frau verlieben und, bis auf Midge,
sich von ihnen am Ende wieder trennen müssen. Zugegeben etwas
unglaubwürdig, doch wie sonst kann eine solche Geschichte in vier
Minuten Video gepackt werden. Jedenfalls passt die Story wunderschön zur
Musik und die verregnete Landschaft in leicht verwischten Bildern trägt
ihren Teil dazu bei, die Stimmung entsprechend zu transportieren. Die
vier weiblichen Darsteller durften sich die Jungs von Ultravox zuvor bei
einer Modelagentur aussuchen. Eine davon hieß Annabel Giles und sollte
später Midges erste Frau werden. Channel Four begleitete die Band dabei
während bei den Dreharbeiten im Rahmen einer Dokumentation für das
britische Fernsehen. „Heart Of The Country“ erschien nur in Deutschland
und Frankreich. Das Coverdesign ist bis auf den Namen identisch mit dem
der Single „Lament“. In den Charts konnte sich die Single nicht
platzieren. Eigentlich war auch geplant, nach einer kurzen Pause von
zwei bis drei Wochen in die Staaten zu fliegen, um dort die Tour
fortzusetzen. Doch die Niederlassung von Chysalis in New York zeigte
wenig Interesse und Engagement, eine britische Band, die in den USA
maximal Kultstatus genießt, zu unterstützen. Nach Abwägung von Nutzen
und Kosten wurde auf den Trip über den Atlantik verzichtet, was sich wie
ein bedrohlicher Schatten über der Mentalität der Band ausbreitete. Die
Verärgerung und Enttäuschung darüber saß tief, was sich noch dadurch
steigerte, dass andere britische Bands, die in Ultravox ihre
musikalischen Wurzeln sahen, in den USA erfolgreich waren. Und das mit
wesentlich anspruchsloserer Musik. |
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Es war offensichtlich,
dass Chrysalis
in Amerika das Zentrum des Übels war, es aber keinen Weg aus diesem
Dilemma gab. Ultravox fühlte sich der Möglichkeiten beraubt, neben der
eigenen Selbstverwirklichung auf musikalischer Ebene, auch den
entsprechenden materiellen Wert zu erhalten. Denn nur ein einziger
Erfolg in den USA würde finanziell schwerer wiegen, als mehrere in
Europa. Zwar nahm man diverse Spitzenpositionen in einigen europäischen
oder auch anderen Ländern rund um den Globus wohlwollend zu Kenntnis;
doch das Fehlen des ganz großen Coups lastete auf der Seele von Ultravox.
Es frustrierte sie. Um der eigenen Verärgerung zu entgegnen, tourte man
alternativ durch Italien und anschließend ein halbes Jahr Pause zu
machen. Auch, um über die Zukunft der Band nachzudenken und zu
überlegen, ob und wenn ja, wie weitergemacht werden könnte. Die Pause
dauerte aber länger als geplant. |
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THE COLLECTION
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Vor der Veröffentlichung des ersten
„Greatest Hits“ Album von Ultravox
startete Chysalis eine Umfrage. Tausend Leute sollten Auskunft darüber
geben, woran sie bei Ultravox denken. Das dadurch entstandene Bild
zeigte, dass die Band als komplett humorlos und egozentrisch angesehen
wurde. Dabei entsprach diese Einschätzung dem externen Erscheinungsbild,
aber nicht der bandinternen Wahrheit. Insbesondere Midge Ure machte sich
darüber Gedanken und wollte durch das Video zu „Love’s Great Adventure“
eine andere Sichtweise erzeugen. Das dazu in Kenia gedrehte Video ist in
Anlehnung an die Abenteuer von „Indiana Jones“ eine Parodie voller
selbstironischer Züge. Zusätzlich wurde diese Szene mit der Pause
eingebaut, in der Midge um eine kurze Auszeit bittet, damit er nach der
ganzen Rennerei wieder zu Atem zu kommen kann. Dabei wird der weibliche
Part erneut von Annabel Giles gespielt, wobei Midge auf seiner Suche
nach ihr nicht selbst mit dem Drachenflieger durch die Luft schwebt.
Ursprünglich sollte die Idee zu „Love’s Great Adventure“ zu Werbezecken
verwendet werden. Doch entwickelte Ultravox daraus einen neuen Track,
der bereits gegen Ende der Set Movements-Tour live gespielt wurde.
Zusätzlich erschien der Track mit einer Live-Version von „White China“
und einer Instrumentalversion von „Man Of Two Worlds“ als B-Seite am 12.
Oktober 1984 als Single und erreichte Platz 12 in Großbritannien.

Ultravox war die erste Band, die einen brandneuen Song auf einem
Greatest Hits-Album veröffentlichte und erwies sich damit wieder mal als
Trendsetter, da diese Vorgehensweise in der Folge von vielen anderen
Bands nachgeahmt wurde. Positiver Nebeneffekt war, dass die
Verkaufszahlen somit in die Millionen gingen und „The Collection“ nach
Veröffentlichung im November 1984 auf Platz 2 in die britischen Charts
schoss. So war das Album noch erfolgreicher als „Vienna“. Zeitgleich
erschien das entsprechende Video mit allen Singles, welches unter
anderem auch die unzensierte Version von „Visions In Blue“ enthielt.
Allerdings fehlten darauf „Sleepwalk“ und „All Stood Still“, da zu
diesen Auskopplungen keine Videos gedreht wurden. „The Collection“ wurde
als Anlass genommen, sich eine Auszeit zu gönnen. In fünf Jahren
veröffentlichte man (mit „Monument“ und „The Collection“) sechs Alben
und gab dabei weltweit vierhundert Konzerte in achtzehn Ländern. |
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Dazu
kamen die Produktion von vierzehn Videos sowie diverse Aktivitäten
außerhalb der Band wie
Visage oder diversen Soloprojekten. Die Zeit für
eine Pause war reif, denn schon während der Aufnahmen zu „Lament“
zeichneten sich wachsende Spannungen untereinander ab. Häufig wurde
alleine gearbeitet, statt wie bei den vorherigen Alben, im Kollektiv,
und nicht selten kam es dabei zu Meinungsverschiedenheiten. Darunter
litt die Motivation und der emotionale Verschleiß leitete diese
Unterbrechung ein. Während der Pause hatte Chris bei „White Rabbit“ von
Jefferson Airplane seine Finger im Spiel. Billy und Midge machten
derweil musikalisch weiter und begannen mit den Arbeiten an ihren
jeweils ersten Soloalben. Doch wurde Midge dabei unterbrochen, als Bob
Geldof zur Hilfe für Afrika aufrief und Band Aid ins Leben gerufen
wurde. Das hatte zumindest zur Folge, dass die Bandpause von Ultravox
zugunsten des Live Aid-Konzertes im Sommer 1985 unterbrochen wurde. Der
Auftritt barg aber auch einige Risiken, da seit der letzten
Zusammenkunft viel Zeit vergangen war und der letzte gemeinsame Auftritt
somit mehrere Monate in der Vergangenheit lag. Das Set mit den vier
Songs „Reap The Wild Wind“, „One Small Day“, „Vienna“ und
„Dancing With
Tears In My Eyes“ hätte mit dem gerade mal fünfzehnminütigen Soundscheck
und der aufwendigen Instrumentierung durchaus in einem technischen
Desaster enden können. Legendär ist dabei die Geschichte, dass Warren
den Auftritt fast verschlafen hätte und er vehement von seinen Kollegen
geweckt werden musste. Vielleicht aber auch deshalb, weil der Auftritt
von der Running Order her eigentlich früher hätte stattfinden sollen.
Doch mit der Begründung, dass es technische Probleme bei Adam Ant gäbe,
kam Ultravox erst später auf die Bühne. Das sollte sich später aber als
Vorwand herausstellen, damit Bob Geldof mit den Boomtown Rats während
der Anwesenheit von Prinz Charles und Lady Di auftreten konnte. Nur ein
Puzzle von vielen Ereignissen, an denen Midge als Mitbegründer von Band
Aid und Autor von „Do They Know It’s Christmas“ lange zu knabbern hatte.
Und zu allem Überfluss hielt Freddie Mercury von Queen den guten Midge
nach dessen Auftritt mit Ultravox dann noch mit dem netten Jungen von
den Boomtown Rats und ließ dabei seine Hand nicht mehr los, während
Francis Rossi und Rick Parfitt von Status Quo ihr Lachen aufgrund dieser
obskuren Situation nicht mehr verbergen konnten. Welche Tragweite der
Auftritt von Ultravox hatte, sollte sich erst später herausstellen.
Auffallend war jedoch, dass schon während der Aufnahme zu „Do The Know
It’s Christmas“ von Ultravox neben Midge lediglich Chris mit im Studio
dabei war, was aber nichts damit zu tun hatte, dass zumindest Billy
nicht mitwirken wollte. |
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U-VOX

Midge hatte mit seinem sozialen Engagement rund um Band Aid so viele
Termine, dass er mit seinem Soloprojekt „The Gift“ einschließlich der
Tour Ende 1985 in Terminnot geriet und die Aktivitäten hinsichtlich des
neuen Albums von Ultravox verschoben werden mussten. So kam es, dass
sich zunächst nur Warren, Chris und Billy in dessen neu eingerichtetem
Heimstudio trafen, um Ideen für das neue Album zu sammeln. Allerdings
gestaltete sich die Anwendung der neuen Technik - wie schon bei der
Produktion vom „Lament“ - als sehr langwierig und anstrengend. So
reduzierten sich die musikalischen Aktivitäten zunächst auf ein Minimum,
während primär daran gearbeitet wurde, die Sounds so durch die Anlage zu
leiten, dass überhaupt etwas ankam und aufgenommen werden konnte. Vor
Weihnachten trennte man sich wieder. Chris besuchte neben Russland die
Alpen und Griechenland. Weihnachten verbrachte er absichtlich dort, wo
„keine Christen“ heimisch waren. Im Januar 1986 traf man sich erneut, um
mit der Arbeit auf musikalischer Ebene zu beginnen. Zwar waren noch
immer nicht sämtliche Probleme technischer Art beseitigt, doch zumindest
war jetzt ein Techniker mit an Bord. Midge war allerdings noch nicht mit
dabei, so dass Chris, Billy und Warren zunächst auf sich alleine
gestellt waren. Doch statt einfach loszulegen und wie bisher die Ideen
fließen zu lassen und nachher zusammenzufügen, machte man sich Gedanken
über die bevorstehende Reise und wo diese hinführen sollte. Einig wurden
sie sich dahingehend, dass im Vergleich zu den letzten Arbeiten neue
Wege begangen werden sollten.
Etwas Radikales und Neues sollte
entstehen. Alle stimmten zu und insbesondere Warren legte dabei zunächst
neue Energien an den Tag. Auch wenn die Arbeit mit ihm hinsichtlich
seiner Einstellung zur Arbeitszeit alles andere als einfach war. Denn
wenn er aufstand, packte Chris bereits schon ein. Einmal war Warren so
extrem spät, dass es zu keiner zeitlichen Überschneidung hinsichtlich
gemeinsamer Anwesenheit kam. Auch Chris blieb stur und bestand darauf,
dass er eben auch seine Zeit hätte, in der er bevorzugt arbeiten würde.
Warren sah es daher als vergeudete Zeit an, wenn auch Billy um acht Uhr
ging, obwohl der Techniker noch da war. So nahm er Demos auf und spielte
sie den anderen vor. Gemeinsam machten sie daraus neue Demos. Als Midge
dann endlich hinzu kam, gefielen ihm die meisten Sachen aber nicht. Das
sei nicht Ultravox. Alles wäre zu chaotisch und die Keyboards klängen
mitunter zu bieder und altmodisch. Man arbeitete in folgenden Proben an
den Songs, um „live“ an den Ideen zu feilen. Aber es kristallisierten
sich immer größere Differenzen heraus. So verstand Warren nicht, warum
Chris und Billy plötzlich auf Midges Seite standen und die Qualität der
zuvor erarbeiteten Demos anzweifelten, obwohl sie ihnen doch vorher
offenbar gefallen hatten. Er vermutete, dass die Demos den beiden schon
die ganze Zeit über nicht zusagten, sie es ihm aber nicht sagten, und
erst nach Midges Rückkehr mit der Wahrheit rausrückten. Er habe demnach
unwissentlich unter „falschen Voraussetzungen“ gearbeitet und dieser
Sachverhalt sollte sich nachhaltig zu seinen Ungunsten entwickeln. Midge
wollte zurück zu den Wurzeln von „Vienna“. Zurück zum Wesentlichen; auch
in Sachen Instrumentierung. Für Chris den Bass und ein Keyboard, für
Billy drei Keyboards und seine Geige, für Warren Drums und einen
Drumcomuter und er selbst Gitarre und ein Keyboard.
Midge wollte
bevorzugt echte Drums als belebendes und menschliches Element. Doch
Warren programmierte sehr zeitintensiv an mehreren Drumcomputern und
vernachlässigte dabei seit geraumer Zeit sein reales Drumset. In einer
Band, in der alle Mitglieder finanziell gleichgestellt und gleiches
Stimmrecht hatten, Kompromisse aber für immer breitere Gräben sorgten
und in individueller Unzufriedenheit mündeten, musste es zwangsläufig
zum großen Knall kommen. Und es wurde entschieden, dass Warren gehen
musste. Er wurde als der Faktor angesehen, der den Prozess der
Entwicklung stört oder gar aufhält. Midge, Chris und Billy hatten sich
dahingehend besprochen, und in erster Linie war es Midge als Wortführer,
der Warren vor vollendete Tatsachen stellte. Ihm wurden dabei auch keine
Alternativen angeboten. Keine Denkpause, um sich mit den Gedanken der
anderen vertraut zu machen und sich gegebenenfalls in eine andere
Richtung zu bewegen. Ihre Entscheidung war endgültig, was Warren wie der
berühmte Blitz aus heiterem Himmel traf. Für ihn war die gemeinsame
Arbeit, trotz aller Unterschiede, der Schlüssel zum musikalischen
Erfolg. Er sah nicht kommen, dass die Unterschiede so groß waren, dass
er zum Gehen aufgefordert wurde. Ob tatsächlich kein Handlungsspielraum
mehr bestand, können nur Midge, Billy und Chris selbst beantworten.
Jedenfalls sollten sie in nicht allzu ferner Zukunft realisieren, dass
ihre Entscheidung nicht nur menschlich gesehen falsch war, aber mit
jeweils unterschiedlichen Vorstellungen hinsichtlich möglicher
Alternativen. Ultravox setzte die Arbeit als Trio fort, musste aber aus
der Situation heraus Gastmusiker engagieren. Mark Brzezicki von Big
Country übernahm den Part, die Studiodrums einzuspielen. Dabei sollte er
Warren keinesfalls ersetzen, sondern den Prozess der Entwicklung
vorantreiben. Als festes Bandmitglied konnte Mark allerdings nicht
betrachtet werden, da es seine Zugehörigkeit zu Big Country nicht
zuließ. Ultravox nahmen wieder Kontakt zu Conny Plank auf, hatten aber
kein Interesse nach Deutschland zu reisen. Conny Plank hingegen
arbeitete am liebsten mit seinem eigenen Mischpult. Der Kompromiss sah
vor, dass die Aufnahmen in Billys Hot Food Studios, in Midges Studio und
bei Conny Plank in Deutschland stattfanden. Abgemischt wurde wieder in
Montserrat, wobei Conny Plank es hasste. Er kam mit dem dortigen
Mischpult des Herstellers Solid State Logic nicht zurecht und
entsprechend unzufrieden war man mit dem Endergebnis. Nach der Rückkehr
wurden die Aufnahmen in den Londoner Mayfair Studios von John Hudson und
Rik Walton erneut gemischt. |
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SAME OLD STORY

Die erste Single „Same Old Story“ erschien am 26. September 1986.
Ungewohnt dabei der Einsatz von Blasinstrumenten, deren Einspielung von Beggar & Co Horns übernommen wurde. Für die Backing Vocals zeigte sich
Carol Kenyon verantwortlich. Bereits einen Tag nach Veröffentlichung
erreichte der Song mit Platz 31 die höchste Chartposition in
Großbritannien. Das Video ist eher schlicht gehalten. In Anlehnung an
„One Small Day“ zeigte sich die Band selbst, allerdings im Dunkel eines
(vermutlich beheizten) Studios. Mark Brzezicki wird darin aber bereits
von Pat Ahern ersetzt, der auch auf der folgenden Tour die Trommelstöcke
schwingen sollte. Viele der langjährigen Fans waren, wie schon bei der
letzten Umbesetzung der Band, unsicher, wie sie die neue Ausrichtung der
Band einordnen sollten. Eher zurückhaltend und mit einer gehörigen Prise
Skepsis sahen sie der Veröffentlichung des Albums entgegen. Für das
Design zeigte sich mal nicht Peter Saville, sondern die Firma des
britischen Grafikdesigner Michael Nash verantwortlich. Das Cover besteht
aus dem Schriftzug „U-Vox“, welcher durch Querlinien unterbrochen ist.
Das Besondere ist die transparente Plastikhülle, auf der die entgengesetzten Streifen sind und somit das Cover komplett verschwindet.
Erst, wenn die Single herausgezogen wird, ist das komplette Cover
sichtbar. Das gleiche Design wurde auch beim Album benutzt. Allerdings
mit eher aufdringlicheren Farben.
DAS ALBUM

„U-Vox“ erschien im Oktober 1986 und wurde der Öffentlichkeit als
melodisches und gitarrenorientiertes Rock- und Popalbum präsentiert.
Dabei sollte der Pfad der phantasievollen Sounds verlassen werden.
Elektronische und akustische Gitarren stehen im Vordergrund, derweil der
Anteil von Keyboards minimiert wurde. Auch politisch wurde man mit den
Texten zu „All Fall Down“ und „Dream On“ aktiv. Dennoch hat dieses Werk
nicht mehr viel mit seinen Vorgängern gemeinsam, zumal Mark Brzezicki
zwar ein begnadeter Schlagzeuger ist, aber durch seine Art des Spielens
sich von dem unterscheidet, |

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was Ultravox in der Rhythmusfraktion
zuvor ausgemachte. Am ehesten ähnelt “Dream On“ noch den von
früher bekannten Klängen. Überhaupt tauchen auf dem Album sehr viele
Gastmusiker auf. Auch bei „The Prize“ singt Carol Kenyon im Background mit, und der
Bläserpart wurde von Gary Barnacle, John Thirkell,
Pete Thomas und Derek Watkins übernommen. Bei „Sweet Surrender“
griff Kevin Powell unterstützend in die Saiten des Basses. Und über allem
natürlich der mit einem hohen Wiedererkennungswert ausgestatte Drumstil
von Mark Brzezicki. Als musikalische Highlights dürfte neben den
Chieftains demorchestralen „All In One Day“, welches Billy zusammen mit
George Martin arrangierte, auch das keltische „All Fall Down“ mit den Chieftains angesehen werden. Deren Part wurde in Dublin in den Windmill
Lane Studios aufgenommen. Doch diese beiden Songs bringen auch das
Dilemma zum Ausdruck. Während „All In One Day“ Billys Werk ist, ist für
“All Fall Down” Midge verantwortlich. Vielleicht ist es auch kein
Zufall, dass ausgerechnet diese beiden Songs noch als Singles
ausgekoppelt werden sollten. Die gemeinsame Basis, auf der bisher die
Songs von Ultravox entstanden sind, ist weg. In Deutschland reichte es
für Platz 49, was der schlechtesten Platzierung aller Alben seit
„Vienna“ entsprach. Und obwohl “U-Vox“
es auf Platz 9 der britischen
Albumcharts schaffte, reifte innerhalb der Band die Erkenntnis, dass es
kein gutes Album war. Und besonders Midge machte sich Gedanken in
Richtung Zukunft. Selbst langjährige und eingefleischte Fans der Band
sahen in den Songs des letzten Werkes nicht mehr, als eine zufällig
wirkende Ansammlung. Besonders wurde der Sachverhalt bezüglich Warrens
Ausstieg diskutiert, ohne den der typische Sound von Ultravox
verschwunden war. Im
Extreme Voice, dem britischen Fanzine schlechthin,
wurde zwischen Veröffentlichung des Albums und anstehender Tour auf
genau diesen Sachverhalt eingegangen: „Die Fans von Ultravox waren schon
immer eine loyale Gemeinde" Die Band selbst war sich dessen bewusst und
konnte sich darauf verlassen, dass wir auch nach ihrer sechsmonatigen
Auszeit wieder da sein werden. Auch ein Jahr wäre noch erträglich
gewesen, aber zweieinhalb Jahre zwischen zwei Alben sind eine
verdammt lange Zeit. Zwar gab es die Solo Tour zu ‚The Gift’, aber Midge
Ure Solo ist eben nicht Ultravox. Hätte sich die Warterei dabei
wenigstens gelohnt, hätte auch darüber noch hinweggesehen werden können.
Doch unglücklicherweise ist ‚U-Vox’ ein Schritt rückwärts. Ihr Versuch
der Weiterentwicklung endete in einem Mischmasch aus gewöhnlichem
Chartfutter. Die prägenden Markenzeichen der Band sind dabei verloren
gegangen. Der markante Funke, welcher bisher in den Songs zündete, ist
erloschen. Die drei verbliebenen Bandmitglieder haben nie gesagt, warum
Warren ausgestiegen ist. Wenn man den Interviews Glauben schenken darf,
so lag es an musikalischen Differenzen. Wir denken, dass das absoluter
Schwachsinn ist. Vermutlich liefen die Proben zum neuen Album alles
andere als gut, und es wurde ein Bauernopfer gesucht. Zwischen Midge und
Warren ist die Wahl innerhalb der Band dabei wenig überraschend auf
Warren fallen. Dabei hat es den Anschein, dass am ehesten er noch am
wirklichen Fortschritt der Entwicklung des Bandsounds interessiert war.
Darum kennen wir keinen Fan, der den Aussagen der Band dahingehend
glaubt. Es sind wir, die Fans, die über das Schicksal der Band
bestimmen. Ultravox hat es geschafft, vom Kultstatus in den
kommerziellen Selbstmord überzugehen. Das meiste des alten Materials ist
von Warrens einzigartigem Rhythmus abhängig. Niemand kann das so
spielen. Stellt Euch nur ‚Vienna’ ohne Warren vor. Wie sieht die Zukunft
aus? Schon oft sah es so aus, als wäre es das Beste für Ultravox,
einfach aufzugeben. Wir wollen das eigentlich nicht. Aber unsere
Erinnerungen an die Vergangenheit sind weitaus besser als die der
Gegenwert. Warum also nicht in der Vergangenheit leben, wenn das die
weitaus bessere Alternative ist? Warren hat mit seinem Weggang neunzig
Prozent von dem mitgenommen, was Ultravox ausmachte. Adieu Ultravox und
vielen Dank für die Erinnerungen. Wir sind weg um zu schauen, was Warren
macht.“ Deutlichere Worte aus Fankreisen konnte es kaum geben und die
Akzeptanz mit diesem Artikel war elementar hoch. Erstaunlicherweise
waren die Kritiken der Presse keinesfalls durchgängig schlecht.
Natürlich bekam das Album in England von Alex Ogg von Allmusic die volle
Breitseite, indem er den von Synthesizern dominierten Stil als überholt
bezeichnete. Zwar sah er in „All Fall Down“ die einfallsreiche Ausnahme,
tat aber dem Rest als „oberflächlichen Widerhall früherer
Veröffentlichungen“ ab. Aber auch auf der Insel ging es anders. William
Leith: „Das letzte Album von Ultravox ist ein Volltreffer.“ Und auch in
Deutschland gab es durchaus Anerkennung. Jürgen Seibold: „Ultravox
füllten Ihr neues Album mit clever kalkulierten Pop-Songs. Ihre satten
Klänge aus dem Synthesizer umgeben die drei Briten so geschickt mit
atmosphärisch dichten Arrangements, dass das Resultat lebendiger wirkt
als mache Platte puristischer Gitarrenarbeiter.“ Wilfried Barbknecht:
„Ultravox
waren schon immer arger Kritik ausgesetzt. Insgesamt ist die Bandbreite
um einiges erweitert worden. So sind ‚The Prize’ und ‚Same Old Story’
mit einer Bläsersektion und femininem Backgroundgesang aufgemotzt,
ergeht ‚All In One Day’ in orchestralem Wahnsinn. Es wird nicht wenige
geben, die Ure & Co. nach dieser Nummer den Gang zum Psychiater
empfehlen werden. ‚All Fall Down’ hat es wirklich in sich. Sowohl
textlich wie durch die sparsame Instrumentierung ragt dieser Track über
den Rest hinaus. Mit dieser Platte sind Ultravox nicht auf Nummer sicher
gegangen, sondern von ihrem Weg abgewichen. Resultat: Jeder wird etwas
zum Lieben finden, jeder etwas zum Hassen.“ Stefan Mathias: „Das Warten
auf Ultravox dürfte sich gelohnt haben.

Mit neun abwechslungsreichen
Songs, darunter Edel-Pomp wie ‚All In One Day’, Schmacht-Fetzen (‚Dream
On’) und jeder Menge Uptempo-Material kann und wird sich diese Band
wieder in den Charts sehen lassen. Midge Ure ist eben nicht nur ein
exzellenter Gitarrist und Sänger, sondern auch als Songschreiber eine
Klasse für sich. Sein Stil (und davon hat er reichlich) prägt jede Note
dieses Albums. Und das ist gut so.“ Musikexpress: „Für’s erste darf
festgestellt werden, dass die Briten die Vitalität von Soul und Tamla
Motown, die Schärfe pointierter Bläser und die Spannung von Call &
Response entdecken. Dabei geraten ihre stilistischen Entdeckungsreisen
nie zur plumpen Adaption. Stets behält die Mixtur aus den verschiedenen
Genres einen typischen Ultravox- Geschmack. Das liegt nicht allein an dem Wiedererkennungswert von Midge Ures drängender Stimme, sondern vor allem
auch an der charakteristischen Materialbehandlung. Da sind diese
sirenenhaften Keyboardlinien, diese schwebenden Klangflächen, die
Montage aus Rock-Gitarre, Elektronik-Spieldose und Pop-Refrain. Ein
Balanceakt am Rande des Kitsches ist die von Geroge Martin zuckersüß
arrangierte und dirigierte ‚All In One Day’-Suite. Viel besser: Das mit
den Chieftains zwischen Folk und Elektro angesiedelte Untergangs-Epos
‚All Fall Down’. Am gelungensten: Die bläsergetriebenen, mit
Zerr-Gitarre und Trompetensolo angereicherten, durch Carol Kenyon
chorisch verstärkten ‚Same Old Story’ und ‚The Prize’.“ „Zweieinhalb
Jahre lang war es ruhig um sie, und die Solo-LP von Sänger Midge Ure
galt bereits als erfolgreicher Abgesang auf die britische Synthi-Band.
Doch jetzt legen Ultravox auf ihrem aktuellen Album noch einmal kräftig
zu. Sie verrühren sanften Pop, fetzige Rock-Rhythmen und klassisch
klingende Orchester-Spektakel zu einer hitverdächtigen Mixtur.“ „Ultravox
bestätigen ihre Kreativität durch Kompositionen mit hohem Gehalt,
durchzogen mit weichfließenden Harmonien und ausgestattet mit breit
angelegten Arrangements. Kurz: Perfekt gemachte Popmusik.“ Es ist
logisch, dass die Fans immer zu Ultravox standen, während die
sogenannten Fachexperten immer Gründe zur Kritik fanden. So erlangte die
Band Kultstatus. Und ausgerechnet, als die Kritiken weniger negativ
waren, distanzierten sich selbst hartgesottene Fans vom neuen Stil der
Band. Ihnen war der Grat zwischen individuellem Anspruch und
kommerziellem Mainstream offensichtlich zu schmal geworden. |
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Mit Beginn der Welttournee kurz nach Veröffentlichung des Albums, welche
durch ganz Europa führte, zog Midge aus der Entwicklung der letzten
Wochen und Monate seinen Entschluss, Ultravox nach Beendigung der Tour
zu verlassen. In einer Unterredung teilte er Billy und Chris seine
Entscheidung mit. Dass sich dann auch Chris ebenfalls zum Ausstieg
entschloss, hat Billy bis auf eine persönliche Ebene hart getroffen. Midge versuchte ihm Alternativen aufzuzeigen, die sich ihm bieten
würden, und dass ein Ende auch ein neuer Anfang sein könne. Aber Billy
wollte davon nichts wissen und er war einfach nur frustriert. Der
Rauswurf von Warren als Gründungsmitglied war auch ihm alles andere als
leicht gefallen. Doch er glaubte aufgrund dieser Entscheidung an den
Fortbestand der Band. Jetzt reifte in ihm aber die Erkenntnis, dass
nicht Warren hätte gehen sollen, sondern Midge. Er fühlte sich
nachhaltig im Stich gelassen. Midge selbst hielt die Trennung von Warren
rückblickend zwar auch für falsch, aber aus einer anderen Sichtweise
heraus. Für ihn war die Band bereits zum Zeitpunkt der Trennung am Ende
und Warrens Rauswurf war für ihn lediglich der verzweifelte Versuch, das
Unvermeidbare abzuwenden. Es konnte nicht funktionieren, weil eine der
existenziellen Grundlagen des Bandsounds weg war. Doch diese
unterschiedliche Betrachtung der Dinge sollte für das spätere Zerwürfnis
zwischen Billy und Midge mitverantwortlich sein. Obwohl Billy kein
echtes Gründungsmitglied war, ist Ultravox zu seinem Baby geworden.
Midge war die Band auch wichtig, aber am Ende doch nur eine Station auf
seiner Reise. So begann die Tour unter keinen guten Voraussetzungen.
Billy war aufgrund der Ereignisse nicht richtig bei der Sache, während
zusätzlich Midges intensiver Alkoholkonsum zu weiteren Problemen führte.
Auch mit Chris Cross. Unterstützt wurde Ultravox auf der Tour neben Pat
Ahern durch den schwedischen Gitarristen Max Abbey, dem Keyboarder und
Violinisten Craig Armstrong und Danny Mitchell von den Messengers.
Mitchell war bereits während der beiden letzten Touren von Ultravox mit
an Bord und zusammen mit Armstrong auch Bestandteil von Ures letzter
Solo-Tour. Für die „U-Vox“-Tour war es aufgrund Warrens Fehlen
notwendig, den alten Songs eine neue Dynamik zu verleihen. Denn es war
nicht das Ziel, seine Spielweise durch Pat Ahern kopieren zu lassen.
Songs wie „Hymn“, „New Europeans“,
„All Stood Still“ oder „Passing
Strangers“ bekamen dabei ein völlig neues Intro, während andere Songs
instrumental neu arrangiert wurden. Das lag auch daran, dass Midge durch
den zweiten Gitarristen weniger Arbeit hatte. Auf das Drum-Solo am Ende
von „The Voice“ wurde komplett verzichtet. Während der Tour erschien am
19. November 1986 das zuvor in den Albumkritiken bereist positiv
hervorgehobene „All Fall Down“. Inhaltlich spiegelt es die Angst vor
möglichen Konsequenzen des Kalten Krieges wider. Das Video dazu ist
schlicht, aber eindrucksvoll. Es wurde zusammen mit den Chieftains
aufgenommen, wobei das Blut der nach und nach symbolisch „getöteten
Menschen“ in der finalen Einstellung die Landmasse der Erde darstellt.
Das Design des Covers ist bis auf die Verwendung von Grün, Gelb und
Schwarz mit denen der beiden vorherigen Veröffentlichungen identisch.
Der Song erreichte Platz 30 in den Charts.
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Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe:
Midge Ure und Billy Currie spielten am 2. Oktober 2008 anlässlich der
Veröffentlichung der Remastered Definitive Edition von „Vienna“
eine
akustische Version des Titelsongs in den Abbey Road Studios, welche vom
britischen Sender Absolute Radio im Rahmen der Geoff Lloyd’s Hometime
Show live gesendet wurde. Und das, nachdem beide über Jahre hinweg kaum
dazu in der Lage waren, die Luft des gleichen Raumes zu atmen. Danach
explodierte das Internet und die Foren rund um Ultravox schienen
aufgrund unterschiedlichster Spekulationen geradezu überzulaufen. Dazu
tauchten fast zeitgleich kleine Videoschnipsel im Internet auf, die
unter anderem Midge Ure und Chris Cross zeigten, wie sie an „The Voice“
oder „Vienna“ arbeiteten oder auch nur Chris Cross, wie er den Bass-Lauf
zu „Passing Strangers“ spielte. „Don’t ask me this question“, spricht er
dabei abschließend in Richtung des (unbekannten) Kameramanns. Es stellte
sich heraus, dass die vier Protagonisten anlässlich der
Neuveröffentlichungen ihrer gemeinsamen Alben bereits vor dem
gemeinsamen Radioauftritt von Billy und Midge Kontakt hatten. So
entwickelte die Geschichte eine gewisse Eigendynamik, zumal in Chris
O’Donnell, dem ehemaligen Manager der Band und mittlerweile bei Live
Nation tätig, schon längst der Gedanke gereift war, dass die Zeit für
eine Reunion gekommen war. Seiner Ansicht nach wäre es der optimale,
wenn nicht gar letzte Zeitpunkt dafür. So sprach er die Bandmitglieder
an und war vermutlich selbst überrascht, dass er keine Absage erhielt.
Als nicht einmal zwei Monate später eine Tour in der Besetzung der
erfolgreichen Ära zwischen 1979 und 1985 bestätigt wurde, schien
tatsächlich die Hölle zuzufrieren. Denn laut Midge Ure würde eher das
passieren, bevor es zu einer Reunion käme. Und das, ohne sich
vorher persönlich getroffen, geschweige denn einen gemeinsamen
Ton gespielt zu haben. |
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Allerdings waren nicht alle Fans
bedingungslos begeistert und begegneten dieser Situation mit einer Spur
Skepsis. Immerhin waren mehr
als zwei Jahrzehnte vergangen und sie sahen der Möglichkeit ins Auge,
dass der Mythos Ultravox angegriffen oder gar zerstört werden könnte.
Dem gegenüber stand allerdings auch die Meinung, dass die Band aufgrund
der unsäglichen Ereignisse rund um „U-Vox“ noch etwas zum Ende bringen
müsste. Und dieser Standpunkt wurde von der Mehrzahl der Fans getragen.
Die Band selbst sah es wohl ähnlich, denn die Bezeichnung der Tour als
„Return To Eden“ hat offensichtlich etwas mit der Rückkehr zu einer
Phase der eigenen Bandgeschichte zu tun, als man sich auf dem Höhepunkt
des kreativen Schaffens wähnte. Vorher galt es aber logistische,
technische und auch emotionale Probleme zu bewältigen. Denn bei aller
Euphorie musste zunächst geklärt werden, ob die Narben der
Vergangenheit, die damals zur Trennung von Warren und letztendlich zur
Auflösung der Band geführt haben, geheilt sind und wie damit umgegangen
werden würde. Außerdem waren Warren und insbesondere Chris, der als
Psychotherapeut arbeitete, musikalisch nicht mehr aktiv. Es mussten
Songs ausgewählt und auch geprobt werden, wobei aber die Technik der
Gegenwart verwendet werden sollte, um auf den enormen Aufwand von damals
verzichten zu können. Dabei durfte aber der Sound, welche das prägende
Element der Band ist, auf keinen Fall verloren gehen.

Die Lösung waren
virtuelle Instrumente, die mithilfe von Apple Notebooks und
entsprechender Software rekonstruiert werden konnten. Jedes Bandmitglied
hatte seine eigene mobile Station, wobei bei Aufruf des gewünschten
Songs die Parameter über Logic entsprechend geladen werden konnten und
sofort einsatzbereit waren. Ein Luxus im Vergleich zu früheren Zeiten,
als es teilweise kein Midi zur Synchronisation gab und jeder Sound
manuell eingestellt werden musste. Somit wurden nicht nur die Pausen
zwischen den Songs erheblich verkürzt, sondern das Equipment reduzierte
sich auf ein Minimum und der Soundcheck dauerte statt mehrerer maximal
eine halbe Stunde. Billys prägendes Instrument, den ARP Odyssey,
programmierte er mithilfe eines Keyboards der Firma Novation, was ihn
viele Stunden an Arbeit kostete. Anfang 2009 kam dann der Punkt, den
bisherigen Worten die entsprechenden Taten folgen zu lassen. Mit dem
ersten Wiedersehen seit dem letzten gemeinsamen Auftritt bei Live Aid
standen die Proben zur Tour an, die sich über einen Zeitraum von
mehreren Wochen hinziehen würden. Die ausgewählten Songs mussten wieder
in Erinnerung gerufen werden und man musste sich mit der Technik
vertraut machen. Und auch sämtliche Bedenken, ob die Ereignisse der
Vergangenheit Auswirkungen auf die Zusammenarbeit und den Umgang
miteinander haben würden, konnten endgültig über Bord geschmissen
werden. Selbst Warren hegte trotz seiner besonderen Stellung in diesem
Bild den Wunsch, mit der Band wieder den Sound zu kreieren, der Ultravox
zu einer der besten Livebands überhaupt machte. Den anderen erging es
nicht anders und der Geist früherer Tage schien kurz nach der
Zusammenkunft so präsent, als wäre er nie weg gewesen. Während die
Proben einschließlich Programmierung und technischer Abstimmung noch in
London stattfanden, zog es die Band anschließend mitsamt der kompletten
Crew für einige Tage in Richtung Nordwales, um dort unter
Auftrittsbedingungen die Bühnenshow einschließlich Beschallung,
Monitoring und Beleuchtung zu koordinieren. Trotz mehrfacher
Möglichkeiten in London, entschied man sich dazu aus finanziellen und
auch logistischen Gründen anders. Berenice Hardman, Tour-Managerin von
Midge und zusammen mit Dave Claxton für die Beschallung vor und auf der
Bühne zuständig, organisierte eine entsprechende Räumlichkeit in der
Nähe ihres eigenen Wohnortes in Llandudno.

Angesichts der Tatsache, dass der erste Gig in Edinburgh stattfand, auch
eine logistisch bessere Alternative, da die Hälfte des Weges in Richtung
schottischer Hauptstadt bereits zurückgelegt wurde. Ungewohnt war für
Billy, Warren und Chris dabei die Verwendung des In-Ear-Monitorings.
Statt der Monitorboxen hatten sie lediglich Kopfhörer im Ohr, die für
einen ausgewogenen und individuell angepassten Monitorsound sorgten. Um
beim Spielen dennoch für das entsprechende Live-Feeling zu sorgen,
wurden in das Publikum gerichtete Mikrofone am vorderen Rand der Bühne
aufgebaut und dem Monitormix entsprechend zugeführt. Am 10. April 2009
startete die Tour in Edinburgh, welche zunächst auf Großbritannien
beschränkt war. Und um in Sachen „Retro“ auch wirklich alles getan zu
haben, bekam Ultravox bzw. das Tour-Management die Erlaubnis, auf den
Konzertplakaten wieder das Design des originalen Plattencovers der „Rage
In Eden“ zu verwenden. Viele Fans außerhalb des Vereinigten Königreichs
waren sich nicht sicher, ob es noch andere Gelegenheiten geben würde, Ultravox sehen zu können. Darum pilgerten sie scharenweise auf die Insel
und sorgten für multikulturell ausverkaufte Hallen. Und es gab weitere
gute Nachrichten: Bis auf „Monument“ gibt es bisher keinen offiziellen
Livemitschnitt. Und so wurde das Konzert im Londoner Roundhouse am 30.
April 2009 dazu auserwählt, sowohl akustisch als auch visuell
aufgezeichnet zu werden. |
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Moments From Eden
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Während Ultravox sich anschickte, ein neues Album
aufzunehmen, erschien am 2. Mai 2011 die EP „Moments From
Eden“. Offensichtlich lag es auch weiterhin im Bemühen der
Band das nachzuholen, was in den Achtzigern versäumt wurde.
Darum enthielt „Moments From Eden“ genau die drei Songs, die
der Setlist hinzugefügt wurden. Zusammen mit „Live At The
Roundhouse“ wurde die Bühnenpräsenz zumindest akustisch
komplettiert. Außerdem enthält die EP noch „Herr X“, also
die deutsche Version von „Mr. X“, welche im Berliner
Admiralspalast als Hommage an die deutschen Wurzeln der
Band, die unter anderem bei „Neu!“, „Kraftwerk“ oder
„La
Düsseldorf“ liegen, aufgezeichnet wurde. Allerdings ist die
Version auf „Moments From Eden“ nicht dem Konzert selbst
entnommen, sondern dem vorherigen Soundcheck. Am Abend sang
Warren dann doch wieder in Englisch. Das Design der EP von Rian Hughes, selbst bekennender Ultravox-Fan, hat seinen
Ursprung auch in der politischen Kälte der Achtziger. Die
Trennung Deutschlands durch die Mauer inspirierte ihn dazu,
unter anderem Bilder Berlins als Grundlage für das Design zu
verwenden. Dabei kommt dem Begriff Wiedervereinigung, als
emotionaler Brückenschlag zu den Ereignissen rund um die
Band, nirgendwo sonst auf der Welt eine größere Bedeutung
zuteil als in der Hauptstadt Deutschlands. Ferner resümiert
er, dass die Songs während der Hochphase des Kalten Krieges
entstanden sind und lässt diese Stimmung sowohl farblich als
auch bildlich einfließen.

Im Booklet werden den
avantgardistisch anmutenden Bildern Auszüge der
entsprechenden Songtexte zugefügt. Bei den römischen Zahlen
(1980 und 1981), die auf dem Cover zu finden sind, hat
Hughes sich allerdings vertan. Diese sollten eigentlich die
Erscheinungsjahre der Songs dokumentieren. Das „White China“
und „Love’s Great Adventure“ aus dem Jahr 1984 sind, wurde
ihm erst später bewusst. Bei seinem Design für „Mr. X“ auf
der Rückseite des Covers scheint sich dabei ein Kreis zu
schließen, da er sich dabei an den Grafiken zu den
gleichnamigen Vortex-Comics von Dean Motter und Paul Rivoche
orientiert, die Anfang der Achtziger erschienen waren.
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Erstaunlich deshalb, weil sich Motter selbst von dem Song
„Mr. X“ von Ultravox zur Erstellung des Comics inspirieren
ließen. Als Reminiszenz an das vor dreißig Jahren
erschienene Album „Rage In Eden“, hat ‚der‘ Mr. X auf Hughes
Version das Pferdelogo auf dem Revers seiner Jacke. Für
Hughes selbst war es eine Ehre, für „New Europeans“, seinem
eigenen Lieblingssong der Band, ein Cover entwerfen zu
dürfen. Der Fehler, dass in der linken Textbox München statt
Berlin als Ort der Aufnahme angegeben ist, fiel den Fans
zwar sofort auf; wurde aber als weniger tragisch angesehen.
Zunächst war geplant, die EP auch nur als 10“-Version in
rotem Vinyl herauszubringen. Doch wurde nachträglich
entschieden, dem Package auch noch die passende Version als
CD beizufügen. Insgesamt ein Stück Ultravox, dass von der
Qualität her aufgrund des Klappcovers mit strukturiertem
Druck, dem beigefügtem Booklet, dem roten Vinyl und dem
musikalischen Inhalt selbst in jede Sammlung gehört. Ob
gewollt oder nicht, es bringt die Achtziger ein Stück weit
wieder zurück. Oder uns zurück in die Achtziger. Kommt auf
den Blickwinkel an. |
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Brilliant Beginnings (DVD)
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Ultravox, während sie über die Struktur neuer Songs
diskutieren? Ultravox im Studio, wie neue Songs aufgenommen
werden? Ultravox während der Proben? Ultravox Backstage on
Tour? Ultravox mit Einblick in das persönliche und private
Seelenleben? Undenkbar. Undenkbar? In den Achtzigern schon.
Das Leben hinter der Musik war ein gut gehütetes Geheimnis.
Ultravox verschaffte sich durch den Vorhang des Schweigens
den Status der Unnahbarkeit, was ihnen gleichzeitig auch den
Vorwurf der Arroganz einbrachte. Berichte in Zeitschriften
und Fernsehauftritte wurden durch die Fans wie Heiligtümer
verehrt und den Sammlungen hinzugefügt. Bildmaterial
außerhalb des öffentlichen Lebens gab es nur selten in Form
von einigen Fotos, die während der Produktionsphasen der
Alben oder während der Tourneen gemacht wurden. Ultravox
legte sehr großen Wert darauf, das erlangte, schon fast
mystisch anmutende Image aufrecht zu erhalten. Erst viele
Jahre nach Auflösung der Band ließen Midge Ure durch seine
Biographie und Billy Currie durch wortgewaltige Interviews
den Vorhang fallen und gewährten Einblick in das Mysterium
Ultravox. Es mag nicht das vollkommene Klischee von Sex,
Drugs & Rock’n Roll gewesen sein, das die Welt hinter dem
Rampenlicht prägte. Doch Sex & Alkohol waren mitunter
durchaus Bestandteil des damaligen Tagesablaufs. Dazu kommt,
dass vier Charaktere Probleme hatten, ihr Ego zugunsten
eines gemeinsamen Zieles hinten anzustellen.

Demnach ist der
Grad der Zurückhaltung und die Limitierung der Einblicke in
das Bandleben der damaligen Zeit durchaus nachvollziehbar.
Und noch Mitte des letzten Jahrzehnts schienen die Gräben
zwischen den Mitgliedern unüberbrückbar. Was ist passiert?
Läuterung? Weisheit? Imagewandel? Oder einfach nur der
Wunsch, auf weitere Fassaden-Spiele zu verzichten. Bereits
mit „Building Eden“ machte Ultravox alles anders als früher.
Von Anfang an haben sie sich dazu entschlossen, die Fans mit
einzubeziehen. Wie oft träumten die davon, dass sich alle
Vier wieder im gleichen Raum aufhalten, um neuerlich
gemeinsam Musik zu machen. Und genau diesen Augenblick
schenkte Ultravox den Fans. Dazu gewährten sie noch viele
andere Einblicke und ließen die Fans an magische
Momente teilhaben, was an sich schon als
historisches Ereignis bezeichnet werden kann. Und
was mit „Building Eden“ begann, findet in
„Brilliant Beginnings“ seine Fortsetzung.
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Für Fans
der Band, die Jahrzehnte von den Relikten der Vergangenheit
zehrten, sorgen die jetzt gewährten Einblicke für kollektive
Reizüberflutung: Interviews, Proben, Sight-Seeing,
Backstage-Romantik, Studio-Alltag, Song Writing, Touring, Vertragsverhandlungen und vieles mehr. „Brilliant Beginnings“
ist ein Dokument, welches beim Fan keine Wünsche offen
lässt. Dazu der Ausblick, dass im Sommer 2013 ein weiteres
Konzertvideo zu Brilliant-Tour veröffentlich wird. Somit
reift bei den Fans die Hoffnung, dass darauf die im Mai 2011
endende Geschichte von „Brilliant Beginnings“ zu Ende
erzählt wird. Und weitere Kapitel hinzugefügt werden. |
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Brilliant
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Schon während der beiden Reunion-Touren kam die Frage auf,
ob es denn auch ein neues Album sei etwas völlig anderes,
als zusammen auf Tour zu gehen, um die alten Songs zu
spielen. Er sprach dabei allerdings nicht für sich selbst,
sondern im Namen der Band. Dennoch stand es so unter anderem
auch im Tourbook zur „Return To Eden 2“ -Tour. Und das
ärgerte Billy. Er war seit Beginn der Reunion von der Idee
angetan, gemeinsam wieder Musik zu machen. Und mit
fortschreitender Zeit war ein neues Album der Band aus
seiner Sicht schon längst nicht mehr die Frage, ob es
passieren würde, sondern wann. Abgesehen von der vielen
Arbeit und den emotionalen Hürden, die genommen werden
mussten, hatte er Spaß daran, erneut mit Ultravox unterwegs
zu sein. Und er konnte sich durchaus schon viel früher damit
anfreunden, wieder ein gemeinsames Album zu machen. Anfangs
hatte zwar auch er Bedenken, wie es denn im Kollektiv wieder
klappen würde. Doch schon gegen Ende der „Return To Eden“
-Tour verflog diese Skepsis und er stellte erleichtert
fest, dass es sowohl emotional als auch musikalisch
funktionierte. Auch für Warren stand, kurz nachdem sie
wieder zusammen spielten, fest, dass er mehr machen wollte
als nur „Return To Eden“. Chris hingegen stand der Sache
zunächst ebenfalls eher distanziert gegenüber. Doch die
Meinungen von ihm und Midge änderten sich im Verlaufe der
weiteren Zusammenarbeit und als die deutsche Plattenfirma
Universal anfragte und einen Plattendeal für ein neues Album
anbot, waren auch sie davon überzeugt, dass die Arbeit an
neuen Stücken durchaus Sinn machen könnte. Allerdings
behielt man diese Möglichkeit zunächst unter Verschluss und
fern der Öffentlichkeit, um im Falle eines Scheiterns nicht
in Erklärungsnot zu geraten. Als Ort für die anstehenden
Arbeiten schlug Midge seine Blockhütte in der kanadischen
Einsamkeit vor. Dort schlossen sich Billy, Chris und Midge
musikalisch unbefangen ab Anfang September 2010 für einige
Zeit ein, um mit den notwendigsten Instrumenten, technisch
aber sehr anspruchsvollem Equipment, mit dem Schreiben neuer
Songs zu beginnen. Erst vor Ort stellte sich dann heraus,
dass es sich nicht nur um ein „Brainstorming“
handelte, sondern bereits um den Aufnahmeprozess.
Dabei bekam jeder sein eigenes Zimmer und seinen
eigenen Notebook. Ein viertes Notebook diente als
zentrales Medium, mit dem die erarbeiteten Ideen
zusammengeführt wurden.
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Somit waren sie
in der Lage, ohne externe Hilfe nicht nur zu komponieren,
sondern die Ergebnisse auch gleich in einer Qualität
aufzunehmen, die dem Standard und dem Anspruch einer
modernen Musikproduktion entsprachen. Erstaunlich war
allerdings, dass ausgerechnet Warren als Kanadier nicht mit
dabei war. Er musste aufgrund beruflicher Verpflichtungen in
Los Angeles verweilen, blieb aber per Internet über die
Entwicklung auf dem Laufenden, um sich vor Ort seine
Gedanken hinsichtlich der in der Folge einzuspielenden Drums
zu machen. Bevor man sich der Aufgabe eines neuen Albums
stellte, wurde über den Sachverhalt seiner Abwesenheit
gesprochen. Und offensichtlich konnte man sich mit einer
derartigen Arbeitsweise arrangieren, was bestätigt, dass
dieses Arrangement tatsächlich einen logistischen und keinen
emotionalen Ursprung hat. Warren selbst bedauerte es, beim
Prozess des Song-Writings nicht mit dabei gewesen zu sein.
Die restlichen drei Bandmitglieder stellten sehr zügig fest,
dass die Bedenken hinsichtlich der neuen Zusammenarbeit
unbegründet waren. Bei früheren Produktionen gerieten
insbesondere Midge und Billy aneinander. Doch letztendlich
war alle Angst umsonst, weil der Druck, ein Album fertig
stellen zu müssen, nicht da war. Im schlimmsten Fall wäre
nichts passiert und die Aufnahmen hätten nie den Weg an die
Öffentlichkeit gefunden. Doch es harmonierte und man
komponierte nicht nur zusammen, sondern lebte zeitgleich wie
in einer Wohngemeinschaft, in der sie nicht nur an der Musik
arbeiteten, sondern sich auch selbst verpflegten. Eine
Erfahrung, von der sie vorher nicht geglaubt hätten, dass
sie funktionieren würde. Die Nutzung der neuen Technik
öffnete neue Türen in Sachen Song-Writing und auch sonst hat
man aus der Vergangenheit gelernt, wodurch die gemeinsame
Arbeit in gegenseitigem Respekt und im entsprechenden Umgang
miteinander mündete. Die Chemie stimmte sowohl musikalisch
als auch emotional und Differenzen wurden diplomatisch
gelöst und mündeten nicht wie früher im Streit. Da mag es
hilfreich gewesen sein, dass Chris Cross in den vergangenen
Jahren im Bereich der Psychologie tätig und somit in der
Lage war, aufkommende Unstimmigkeiten entsprechend
abzuwenden. Im Allgemeinen beschreibt die Band die
neuerliche Zusammenarbeit als harmonisch und erfrischend,
ohne dabei die Hektik früherer Produktionen aufkommen zu
lassen. Für die Arbeit am neuen Album unterbrach Billy die
Arbeit an seinem Soloalbum. Er überlegte zuvor, ob er Ideen,
die er dafür verwenden wollte, bei Ultravox einbringen
sollte. Doch davon löste er sich wieder und so gingen sie
bildlich gesehen mit einem weißen Blatt Papier in Midges
Haus, um von Grund auf neue Songs zu schreiben. Abgesehen
davon war es für alle - insbesondere aber für Billy - eine
neue Erfahrung, mitunter auch schon mit Texten arbeiten zu
können. Zwar war auch jetzt die Musik zuerst da, aber Midge
war offensichtlich so inspiriert, dass er schon zur Phase
des Song-Writings textliche Ideen einbringen konnte. Eine
Erfahrung, die Billy als sehr angenehm ansah.

Als erster Song wurde „Hello“ geschrieben. Laut Ansicht der
Band selbst noch nicht das Maß aller Dinge, doch der
Wegweiser für das, was noch kommt. Dabei wurde erst gar
nicht versucht, sich selbst zu kopieren, um etwaigen
Vergleichen mit früheren Werken standhalten zu können. Im
Januar 2011 kündigte Billy auf seiner Website bereits die
Zusammenarbeit mit Universal hinsichtlich der
Veröffentlichung eines neuen Ultravox-Albums an. Man habe
seit dem letzten Herbst genug Material dafür erarbeitet,
welches nahezu fertig sei. Er bestätigte erneut, dass die
Touren anlässlich des 30jährigen Jubiläums dafür Sorge
trugen, dass sie diese tolle Zeit nicht so einfach enden
lassen wollten. Dieses Gefühl der Zufriedenheit, wieder auf
der Bühne stehend in die vertrauten Gesichter zu blicken,
während die gemeinsam geschriebenen Songs gespielt wurden,
sollte in die Gegenwart transferiert werden. Und als man
sich hinsetzte und versuchte neue Songs zu schreiben,
klappte es einfach. Es war kein Album, das gemacht werden
musste, sondern gemacht werden wollte. Allerdings
entwickelte sich die Geschichte mit Universal anders als
erwartet. Universal wollte eine völlig andere Richtung
einschlagen, als es den Vorstellungen der Band entsprach und
mischte sich soweit ein, dass man durch die Zusammenarbeit
mit diversen Produzenten andere Ergebnisse erzielen wollte.
Wie schon früher, konnte dem Wunsch nach Demobändern nicht
entsprochen werden, weil es sich bei den Aufnahmen bereits
um Master-Aufnahmen handelte. Der Gedanke, dass externe
Songwriter hinzugezogen werden sollten, ließ die bisherige
Skepsis hinsichtlich der Ansichten Universals weiter reifen.
Selbst auf die Gefahr hin, dass die bisherige Arbeit nie an
die Öffentlichkeit kommen würde, distanzierte sich Ultravox
von Universal. Stattdessen nutzten sie die Gelegenheit und
entwickelten die Songs in die für sie richtige Richtung. Man
vertraute drauf, dass sich andere Wege finden würden, denn Ultravox selbst war von den neuen Kompositionen überzeugt.
Nach Fertigstellung des Großteils der grundlegenden
Aufnahmen, traf man sich mit Warren in Los Angeles, damit er
dort mit Tom Weir bei Studio City Sound die noch fehlenden
Drum-Spuren einspielen konnte. Anschließend kehrte jeder
nach Hause zurück, um in Eigenarbeit noch an den
Aufnahmen zu feilen.
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Diese Arbeitsweise wäre zu
früheren Zeiten undenkbar gewesen, doch dank des Einsatzes
digitaler Medien und der entsprechenden Software mit
virtuellen Instrumenten war es möglich, die jeweiligen
Spuren später wieder zusammenzuführen. Natürlich wurde dennoch auf die
klassischen Instrumente wie Gitarre, Schlagzeug, Bass und
Billys Streichinstrumente zurückgegriffen. Und auch wenn
sein ARP Odyssey zuletzt auf der Bühne simuliert wurde, so
kam er jetzt im Studio „ich echt“ zum Einsatz. Allerdings
musste das Instrument, welches tatsächlich das Gerät aus den
Siebziger Jahren war, technisch überholt und vor allem
gestimmt werden. Pete Wood, ein alter Freund von Billy aus
Huddersfield und teilweise auch für Ultravox tätig, übernahm
diese Aufgabe. Aber so ganz im Alleingang, wie es früher
mitunter bei Ultravox der Fall war, wollte man das neue
Album dann doch nicht zum Abschluss bringen. Darum wurde als
Produzent Steven Lipson, der unter anderem schon mit Frankie
Goes To Hollywood, Propaganda, Grace Jones und Annie Lennox
gearbeitet hat, auserwählt, der Musik in den Sarm Studios
und den Battery Studios den entscheidenden Schliff zu geben
und dem Album Struktur zu verleihen. Eine Entscheidung, die
rückwirkend betrachtet von der Band als sehr gut angesehen
wurde. Insbesondere, weil sich Lipson nicht davor scheute,
die Wahrheit zu sagen, falls seiner Ansicht nach etwas nicht
stimmig war oder
schlichtweg nicht passte. Mitunter forderte er die Musiker
auf, Passagen zu überarbeiten oder gar neu einzuspielen, wie
es unter anderem bei „Hello“ und „Remembering“
der Fall war. Midge sah in Lipson zwischenzeitlich sogar ein fünftes
Bandmitglied und Billy war von seiner Energie angetan sowie
von seiner unermüdlichen Hingabe für die Bearbeitung der
Drums und des synthetischen Basses. Er war im Grunde auch
dafür verantwortlich, dass während dieser Phase mit „Brilliant“
und „Satellite“ noch zwei weitere Stücke den Weg auf das
Album fanden. Die Band wähnte sich zuvor mit zehn fertigen
Stücken eigentlich schon am Ende der Arbeit. Als es dann
aber darum ging, die Songs in die richtige Reihenfolge zu
bringen, brachte Lipson ein, dass zwei schnelle
Up-Tempo-Nummern dafür sorgen würden, dass das Album
wesentlich ausgeglichener klingen würde. Auch in diesem
Bereich begab sich Ultravox auf neues Terrain.

Denn mit der
Mentalität der Achtziger wäre nicht daran zu denken gewesen,
dass sich die Band in das musikalische Konzept hätte
reinreden lassen. Die Band war eine eigene Welt und
Informationen, die Änderungsvorschläge beinhalteten,
prallten bereits am Charisma ab. Selbst frühere Produzenten
wie Conny Plank und George Martin hatten allenfalls
unterstützende Funktion. Doch die Position von Steven Lipson
war anders. Er komponierte zwar nicht mit, doch wurde seine
weisungsbefugte Rolle als temporäres Bandmitglied anerkannt.
Zu diesem Zeitpunkt bewegte man sich mit der gesamte
Produktion auf der Suche nach einem Label noch in einer Art
Schwebezustand. Chris O’Donnell stand sogar immer noch mit
Universal in Verbindung, was aber zu keinem neuen Ergebnis
führte. Man empfand diese Situation als befremdlich, weil
früher ein fertiges Produkt lediglich bei der Plattenfirma
zur Veröffentlichung abgegeben wurde. Jetzt hatte man auf
der einen Seite noch kein Label und auf der anderen Seite
konfrontierten Produzent und Manager Chris O’Donnell die
Band mit der Ansicht, dass das Album entgegen der Meinung
der Band selbst doch noch nicht fertig sei. Eine ungewohnte
Entwicklung, mit der sich Ultravox aber auseinandersetzen
musste und nach Überwindung eines gewissen Ärgers und
Frustes auch tat. Songs wie „Remembering“ wurden
überarbeitet und Billy Currie brachte Basiselemente für neue
Songs ein, aus denen sich „Brillant“ und „Satellite“
entwickelten. Kurioserweise steht „Brillant“ dabei für genau
diese Ultravox- DNA, weil der Song durch den Austausch von
Strophen- und Instrumentalteilen zu dem wurde, wie er sich
auf dem Album präsentiert. Dabei waren es Chris und Midge,
die Billys Idee in eine andere Reihenfolge brachten.
Allerdings war diese Phase wohl auch die schwerste im
Entstehungszyklus des Albums, weil sich die Dinge für eine
Band wie Ultravox sehr ungewöhnlich entwickelten. Somit ist
auch zu erklären, warum sich die Fertigstellung des Albums
so lange hinzog. Doch die Einschätzung, dass sich neue Wege
zur Veröffentlichung finden würden, erwies sich letztendlich
auch als richtig. EMI war bereits für die
Neuveröffentlichungen der alten Alben verantwortlich und
legte somit überhaupt den Grundstein zur Wiedervereinigung.
Außerdem hatte EMI seinerzeit Chrysalis übernommen und aus
einer Art der Verbundenheit entschied sich Ultravox, den
weiteren Weg gemeinsam zu gehen. Und das, obwohl es auch
diesem Giganten der Plattenindustrie alles andere als gut
ging. Doch letztendlich wurde man sich einig und im Frühling
2012 konnte das Datum der Veröffentlichung bekanntgegeben
werden.

Natürlich kursierten - seit bekannt war, dass es ein neues
Album geben wird – unglaubliche Gerüchte rund um das, was da
entsteht. Wie wird es heißen? Wie sieht es aus? So lautete
ein potenzieller Name „End Of The Odyssey“ in Anlehnung
daran, dass die Irrfahrt der Band doch noch ein Happy End
bekommt. Doch es kommt anders und der Titel des Albums
lautet „Brilliant“. Die Uraufführung des gleichnamigen
Titelsongs fand am 17. April 2012 bei Ken Bruce auf BBC2
Radio statt und die Resonanz war überwiegend gut bis sehr
gut. Einige sahen sich bestätigt, dass er wie erwartet nicht
so klang, wie es hätte sein müssen, um dem Namen Ultravox
gerecht zu werden. Doch der Großteil der Hörer und Fans
sahen die Reise der Band als vollendet an. Die Odyssey
hatte, obwohl das Album nicht so heißt, ein Ende gefunden.
Nicht wenige fragen sich sofort, ob der Titel etwas mit
maßloser Selbstüberschätzung zu tun hat. Doch relativiert
sich diese Thematik, nachdem am 24. April auch das
dazugehörige Cover veröffentlicht wurde. Allerdings musste
Midge in diversen Interviews schon deutlich darauf
hinweisen, wie das Design - der ausgestanzte Name auf einer
Schriftrolle - zu verstehen ist.

Verantwortlich zeigte sich dafür Darren Evans und die
zunächst interpretierte Anmaßung entpuppt sich nach näherer
Untersuchung in Richtung tiefgründiger Kritik. Denn die
marmorierte Schriftrolle formiert sich zu einem
Fragezeichen, welches die „Brillanz“, die der reine Titel
des Albums primär suggeriert, hintergründig zum Nachdenken
über die Entwicklung der Musikindustrie anregen soll. Darum
ist die Wahl des Titeltracks als erste Single im Kontext mit
dem Cover auch kein Zufall, da der Text von der angeblich
heilen Welt des Musikgeschäftes mit der Kehrseite des Ruhms
handelt. In diesem Zusammenhang ist vermutlich auch das
zweite „I“ im Albumtitel zu sehen, da es auf dem Kopf
stehend einem Ausrufezeichen ähnelt. Die persönliche Note im
Design des Bandnamen ergibt der dünne, leicht schräg
verlaufende Querstrich beim Buchstaben „A“. Auffällig ist
außerdem, dass einschließlich des Titelsongs alle Songs aus
nur einem Wort bestehen. Das war nicht von Beginn an so
geplant und eher Zufall. So wurde nachträglich das „The“ bei
„Change“ und „Remembering“ entfernt, nachdem die
halbkreisförmige Anordnung der Songtitel zur Anwendung
gekommen ist. Am 25. Mai 2012 war es soweit und das Warten
hatte nach achtundzwanzig Jahren ein Ende. Ein Ende, auf das
nur vier Jahre vorher niemand einen Pfifferling gesetzt
hätte. Die Single, welche eigentlich keine war, da sie nur
als Download zu bekommen war, erreichte keine
Chartplatzierung. Das Album hingegen stieg in den britischen
Charts am 9. Juni auf Platz 21 und in den deutschen Charts
auf Platz 27. Im Vergleich zu früheren Platzierung natürlich
wesentlich schlechter, doch zeigte sich Chris Cross darüber
verwundert, dass es das Album überhaupt so weit nach oben
schaffte. Ultravox selbst wurde auch nicht müde zu erklären,
dass es ihnen in erster Linie nicht um den kommerziellen
Erfolg, sondern um die musikalische Identität und
Selbstverwirklichung ging. Wäre diese Aussage zwischen 1979
und 1986 getätigt worden, hätten berechtigte Zweifel an der
Glaubwürdigkeit daran aufkommen können. In der Gegenwart
darf diesem Standpunkt jedoch ein hohes Maß an Integrität
zugesprochen werden. Dennoch lässt sich nicht von der Hand
weisen, dass es diese Kombination der Fähigkeiten von vier
Individualisten ist, die im Kollektiv etwas schaffen, wozu
jeder alleine nicht fähig ist. Nur Billy Currie, Warren Cann,
Midge Ure und Chris Cross können diese DNA bilden, um den
prägenden Sound von Ultravox zu erschaffen. Und dabei wurde
wieder mal bewiesen, dass die Summe des Ganzen größer als
die Summe des Einzelnen ist. Der Grat zwischen musikalischer
Gegenwart und altbewährten, wie dem für den Sound von
Ultravox typischen ARP Odyssey und Billys wieder ausgiebig
verwendeter Geige, wurde gesucht und auch gefunden.

Die Symbiose zwischen Vergangenheit und aktueller Frische,
um sich dem Vergleich mit Band wie The Killers oder auch
Muse stellen zu können. Jede Band behauptet dabei immer,
dass das neueste Album auch das beste Album sei. Auch bei „Brilliant“
ist das nicht anders. Allerdings unter dem Aspekt, dass es
vielleicht kommerziell gesehen nicht das erfolgreichste Werk
ist, dafür aber emotional betrachtet. Und dass ist das
entscheidende Kriterium der Band; „Brilliant“ diesen Status
zuzusprechen. Textlich ordnet Midge die Entwicklung anders
ein als früher. Damals seien seine Texte inhaltlich
unpräzise gewesen und er benutzte Worte eher wie einen
Energiefluss. Es konnte viel hinein interpretiert werden,
ohne dabei eine spezielle Geschichte zu erzählen. Bei „Brilliant“
sei das etwas anders, da in den vielen Jahren neue
Erfahrungen gemacht wurden. Insbesondere durch die Trennung
von Warren und die Bandauflösung in einem anderen Licht als
der damaligen Meinung zu sehen. „Change“ könnte der Titel
sein, die eigene Bandvergangenheit zu verarbeiten. Oder „Remembering“
als Dokument der Vergänglichkeit, da nichts für immer
bleibt, doch die Erinnerung an die Vergangenheit diese
lebendig erhält. „Contact“ spielt auf die zunehmende
Vereinsamung durch die neuen Median an.
Demnach darf das
Album durchaus als eine Art Tagebuch betrachtet werden. Auch
bei den Texten hat Chris‘ psychologischer Hintergrund mit
seinen Erfahrungen beim Umgang mit Menschen und deren
Reaktionen auf bestimmte Ereignisse und Situationen Einfluss
genommen. Die Frage, warum es zu „Brilliant“ kein Video
gibt, bleibt weitestgehend unbeantwortet. Visuelles Airplay
hätte den Verkaufszahlen von Single und Album sicher gut
getan und vielleicht auch dafür gesorgt, dass „Brilliant“
nicht schon nach einer Woche wieder aus den Charts geflogen
wäre. Allerdings war der Band klar, dass sie selbst als
Akteure nicht darin würden auftreten wollten. Abgesehen von
den kurzen Live-Einblendungen, haben sie ähnliches bei „Visions
In Blue“ bereits gemacht. Vermutlich wurde aus einer
Kombination von Kosten und Zögern auf die Produktion eines
Videos gänzlich verzichtet. |
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„In den Achtzigern
gehörten Bootlegs auf Kassette zu den Heiligtümern
jeder Ultravox-Sammlung. Und wer sogar die ‚Echoes
Of Pleasure’ und die ‚Live In Rimini 1981’
auf Vinyl hatte, konnte sich glücklich schätzen.
Denn offizielle Live-Aufnahmen wurden nur sporadisch
als B-Seite veröffentlicht. Die erste offizielle
Live-CD war ‚Monument’, die aber auch
lediglich fünf Live-Songs enthielt. Wer sich in den
Neunzigern mit der Einführung der Home-Computer
nicht schon selbst seine eigenen Zusammenstellungen
auf Compact Disc gebrannt hatte, wurde dann
zumindest mit Veröffentlichungen wie ‚Ultravox
Rare 1+2’ sowie ‚Ultravox In Concert’
befriedigt.

Im neuen Jahrtausend
öffneten dann endlich die Archive in Form der EMI
Re-Releases. Darunter befand sich auch bisher
unveröffentlichtes Live-Material. Und seit der
Reunion ist Ultravox alles andere als in den
Achtzigern stehengeblieben. Zwar hätte dem neuen
Album und der Tour ein bisschen mehr Werbung gut
getan. Doch in Sachen Fanarbeit lassen sie keine
Wünsche offen. Das Highlight unter den vielen
Merchandise-Artikeln ist mit Beginn der
Deutschland-Tour die Live CD ‚Ultravox Live 2012’,
einem Mitschnitt des Konzertes im Londoner
Hammersmith kurz zuvor. Das wäre früher undenkbarer
gewesen.
So ist es aber einfach
fantastisch, erst das Konzert besucht zu haben, um
es dann auf dem Weg nach Hause bereits in bester
Qualität schon Revue passieren lassen zu können.
Ultravox hat zweifelsfrei erkannt, dass die Fans ein
immenses Nachholbedürfnis auf allen Ebenen haben. |
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